Sachbuchbestenliste Juli und August

    Von Kunstraub, göttlichem Schaffen und weiblicher Revolution

    05:50 Minuten
    Die Cover der Top drei der Sachbuchbestenliste: Götz Alys Buch "Das Prachtboot", Horst Bredekamps "Michelangelo" und Olga Shparaga "Die Revolution hat ein weibliches Gesicht".
    "Das Prachtboot" führt die Sachbuchbestenliste weiter an. Horst Bredekamps Essaybuch "Michelangelo" und Olga Shparagas "Die Revolution hat ein weibliches Gesicht" sind neu dabei. © Deutschlandradio / S. Fischer / Wagenbach / Suhrkamp
    23.06.2021
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    Götz Aly behauptet mit seiner Studie über das Luf-Boot Platz eins. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp steigt mit einem großen Renaissance-Panorama auf Rang zwei ein. Olga Shparaga erobert mit einem Buch über den belarussischen Widerstand Platz drei.
    Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.

    1 (1) Götz Aly: "Das Prachtboot. Wie Deutsche die Kunstschätze der Südsee raubten"
    S. Fischer, Frankfurt am Main 2021
    240 Seiten, 21 Euro

    Buchcover zu "Das Prachtboot" von Götz Aly auf orange-weßem Hintergund
    Götz Aly: "Das Prachtboot"© Deutschlandradio / S. Fischer
    Das Entree des Berliner Humboldt Forums soll das sogenannte Luf-Boot schmücken: ein 16 Meter langes Holzboot, das die Bewohner der Südseeinsel Luf vor 150 Jahren bauten. Doch wie kam das Boot nach Berlin? Der Historiker Götz Aly erzählt eine Geschichte über Diebstahl und Völkermord durch deutsche Kolonialisten. Das nächste Kapitel in der Kunstraub-Debatte. 66 Punkte

    2. (-) Horst Bredekamp: "Michelangelo"
    Wagenbach, Berlin 2021
    816 Seiten, 79 Euro

    Das Cover von Horst Bredekamps Buch "Michelangelo" auf oramge-weißem Hintergrund.
    Horst Bredekamp: "Michelangelo" © Deutschlandradio / Wagenbach
    Überwältigend ist das Werk des Renaissance-Meisters Michelangelo. Nicht nur in seiner Bedeutung, auch im Umfang: Es erstreckt sich von der Malerei über die Bildhauerei bis in die Architektur. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp schafft es dennoch, das gesamte Œuvre "des Göttlichen" zu bündeln - auch wenn er dafür mehr als 800 Seiten braucht. Ein eindrucksvolles Zeitpanorama. 61 Punkte

    3. (-) Olga Shparaga: "Die Revolution hat ein weibliches Gesicht: Der Fall Belarus"
    Aus dem Russischen von Volker Weichsel
    edition Suhrkamp, Berlin 2021
    234 Seiten, 13 Euro

    Das Cover von Olga Shparagas Buch "Die Revolution hat ein weibliches Gesicht: Der Fall Belarus" auf orange-weißem Hintergrund
    Olga Shparaga: "Die Revolution hat ein weibliches Gesicht: Der Fall Belarus"© Deutschlandradio / Suhrkamp
    Am Anfang der Revolution steht "Eva": ein Frauengemälde von 1928, das die Demonstrierenden in Belarus im letzten Sommer tausendfach auf ihren T-Shirts trugen. "Eva" lautet auch der Titel des ersten Kapitels in Olga Shparagas Buch. Die weißrussische Philosophin erzählt die Chronologie eines von Frauen angeführten Proteststurms. Sie zeigt: Ihr Kampf steht für den Kampf aller Frauen weltweit. 59 Punkte

    4. (-) Mark Gevisser: "Die pinke Linie. Weltweite Kämpfe um sexuelle Selbstbestimmung und Geschlechtsidentität"
    Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Heike Schlatterer
    Suhrkamp, Berlin 2021
    655 Seiten, 28 Euro

    Das Cover von Mark Gevissers Buch "Die pinke Linie" auf orange-weißem Hintergrund.
    Mark Gevisser: "Die pinke Linie" © Deutschlandradio / Suhrkamp
    So verschieden sind die Folgen einer Ehe: 2009 heiratete Mark Gevisser seinen Partner in Südafrika – von nun an genoss er steuerliche Privilegien. Ein Jahr später kam es in Malawi zur ersten "Schwulenehe", und die Vermählten wurden zu 14 Jahren Haft verurteilt. Die Kluft zwischen diesen Schicksalen nennt Gevisser "pinke Linie". Einfühlsam berichtet der Journalist von queerer Liebe. 56 Punkte

    Das Cover des Buches von Bénédicte Savoy, Merten Lagatz und Philippa Sissis "Beute: Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe" auf orang-weißem Hintergrund" aof orange-weißem Hintergrund.
    Bénédicte Savoy/Merten Lagatz/Philippa Sissis (Hrsg.): "Beute: Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe"© Deutschlandradio / Matthes & Seitz
    "Die Autorität der Museen bröckelt, und viele wollen wissen: Woher kommen die dort ausgestellten Objekte?", sagt Bénédicte Savoy. Nach ihrem Buch über "Afrikas Kampf um seine Kunst" erscheint nun ein mit anderen Berliner Kunsthistorikern recherchierter Bildband über Raubkunst. Das Protokoll einer Unrechtsgeschichte, die bis in die Antike zurückreicht. 53 Punkte

    6. (-) Lothar Müller: "Adrien Proust und sein Sohn Marcel"
    Wagenbach, Berlin 2021
    224 Seiten, 22 Euro

    Das Cover von Lothar Müllers Buch "Adrien Proust und sein Sohn Marcel" auf orange-weißem Grund.
    Lothar Müller: "Adrien Proust und sein Sohn Marcel"© Deutschlandradio / Wagenbach
    Seerosen gleichen Neurasthenikern, Liebeskranke hoffen auf Impfungen: In Marcel Prousts Meisterwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" sind medizinische Referenzen keine Seltenheit. Das liegt wohl auch daran, dass Marcels Vater Adrien Arzt war. Der Journalist Lothar Müller bringt die beiden zusammen – und erzählt von den überraschenden Wechselwirkungen aus Literatur und Medizin. 43 Punkte

    Das Buchcover "Ein anderer Krieg" von Dan Diner ist vor einem grafischen Hintergrund zu sehen.
    Dan Diner: "Ein anderer Krieg"© Deutschlandradio / DVA / Random House
    Hitlers Überfall auf Polen, der Russland-Feldzug, die Schlacht um Berlin: Die Geschichtsschreibung des Zweiten Weltkriegs entwickelt sich meist entlang dieser Wendepunkte. Der Historiker Dan Diner macht es anders: Er lenkt den Blick auf den Nahen Osten. Denn das Schicksal Palästinas blieb mit dem der Kriegsparteien eng verwoben – vor allem wegen des Öls. 28 Punkte

    8. (-) Per Leo: "Tränen ohne Trauer. Nach der Erinnerungskultur"
    Klett-Cotta, Stuttgart 2021
    232 Seiten, 20 Euro
    erscheint am 24. Juli 2021

    Das Cover von Per Leos Buch "Tränen ohne Trauer, Nach der Erinnerungskultur." auf orange-weißem Hintergrund.
    Per Leo: "Tränen ohne Trauer. Nach der Erinnerungskultur"© Deutschlandradio / Klett-Cotta
    Wir Deutschen sind stolz auf unsere Erinnerungskultur. Doch kann es sein, dass wir uns nur selbst entlasten wollen? Per Leo, Mitautor des vieldiskutierten Bestsellers "Mit Rechten reden", schlägt vor, den Blick zu weiten: Wie stehen die USA, Israel oder Polen zu ihrer eigenen, unaufgeräumten Geschichte? Ein Plädoyer für mehr Offenheit und Neugier – und gegen das Klischee. 24 Punkte

    Das Cover von Annette Kehnels Buch "Wir konnten auch anders: Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit" auf orange-weißem Hintergrund.
    Annette Kehnel: "Wir konnten auch anders: Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit"© Deutschlandradio / Blessing
    Nachhaltigkeit, ein Modephänomen? Ganz im Gegenteil! Anhand anschaulicher Beispiele zeigt die Historikerin Annette Kehnel, dass Recycling oder Second Hand schon in vormodernen Zeiten beliebte Konzepte waren. Erst im 19. Jahrhundert begann das Zeitalter von Profitstreben und hemmungslosem Ressourcenverschleiß. Eine Reise in die Vergangenheit, die Lust auf Veränderung macht. 21 Punkte

    9. (-) Anne Boyer: "Die Unsterblichen: Krankheit, Körper, Kapitalismus"
    Aus dem Englischen von Daniela Seel
    Matthes & Seitz, Berlin 2021
    280 Seiten, 25 Euro

    Das Cover von Anne Boyers Buch "Die Unsterblichen: Krankheit, Körper, Kapitalismus" auf orange-weißem Grund.
    Anne Boyer: Die Unsterblichen: Krankheit, Körper, Kapitalismus"© Deutschlandradio / Matthes & Seitz
    Eine Woche vor ihrem 41. Geburtstag erfährt die Dichterin Anne Boyer, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist. Sie beginnt, sich mit dem Verhältnis von Krankheit und Gesellschaft zu beschäftigen. Boyer stößt auf antike Traumtagebücher, Verschwörungstheorien und untersucht die Mechanismen der Gesundheitsindustrie. Die Originalfassung wurde 2020 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet – Boyer hat überlebt. 21 Punkte

    So funktioniert die Abstimmung:

    Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.

    Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:

    René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
    Peter Arens (ZDF)
    Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
    Ralph Bollmann (FAS)
    Stefan Brauburger (ZDF)
    Alexander Cammann (DIE ZEIT)
    Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
    Heike Faller (DIE ZEIT)
    Daniel Fiedler (ZDF)
    Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
    Manuel J. Hartung (DIE ZEIT)
    Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
    Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
    Inge Kutter (DIE ZEIT)
    Hannah Lühmann (DIE WELT)
    Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
    Susanne Mayer (DIE ZEIT)
    Tania Martini (taz)
    Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
    Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
    Bettina von Pfeil (ZDF)
    Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
    Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
    Anne Reidt (ZDF)
    Anna Riek (ZDF)
    Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
    Hilal Sezgin (freie Autorin)
    Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
    Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
    Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)

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