Jacinta Nandi: „50 Ways to Leave Your Ehemann“

Freiheit gegen Gleichheit

31:37 Minuten
Das Cover zeigt den Namen der Autorin Jacinta Nandi und den Buchtitel "50 Ways to Leave your Ehemann" in großen Buchstaben auf dunklem Grund.
© Nautilus

Jacinta Nandi

50 Ways to Leave Your EhemannEdition Nautilus, Hamburg 2022

230 Seiten

20,00 Euro

Von Katharina Teutsch · 08.12.2022
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Die "alleinerziehende Mutter" war während der Pandemie der Star des journalistischen Sozialkitsches: Doch wer interessiert sich wirklich für die Lebensperspektive von Alleinerziehenden? Das fragt Jacinda Nandi in ihrer überzeugenden Streitschrift.
„Welche Barbie hat die meisten Sachen?“ Für die Witzeindustrie ist die Sache offenbar ganz klar: „Divorce Barbie! Sie hat Kens Haus, Kens Auto ….“ Als Jacinta Nandi diesen Witz aus dem Mund ihres Kumpels Niels zum ersten Mal hört, ruft sie ungläubig: „Wovon redest du?“ Es sei doch nur ein Witz, meint Niels.
Die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen versteht hier aber offenbar keinen Spaß. Warum das so ist, schreibt Jacinta Nandi in ihrer flammenden Streitschrift „50 ways to leave your Ehemann“.

Altersarmut mit Ansage

Eine Studie der Bertelsmannstiftung hat kürzlich ermittelt, dass fast die Hälfte aller Ein-Eltern-Familien in Deutschland, von denen wiederum über 80 Prozent von alleinerziehenden Müttern zusammengehalten werden, offiziell einkommensarm sind. Bei zwei Eltern mit einem Kind sind es nur knapp zehn Prozent. In einem Satz: Der ganz überwiegende Teil aller Alleinerziehenden ist weiblich und circa die Hälfte von ihnen arm und oder von Altersarmut bedroht. Von einer Altersarmut mit Ansage, wie Jacinta Nandi der deutschen Familienpolitik vorwirft.
Die seit vielen Jahren in Berlin lebende Britin setzt sich in ihrem so humorvollen wie bitteren Text mit dem marginalisierten Status der Alleinerziehenden auseinander. Es empört sie, dass das Narrativ von der Ehefrau, die ihren Ex durch kluge Scheidungspolitik schröpft, sich hinterher mit seinem sauer Verdienten auf die faule Haut legt und die Kinder auf Nimmer-Wiedersehen mitnimmt, hierzulande noch immer auf breiter Ebene konsensfähig ist.

Von Hexen und naiven Ehemännern

Merkwürdigerweise hält sich dieses Bild der berechnenden Hexe, vor der sich naive Männer in Acht zu nehmen hätten, hartnäckig. Die deutsche Gesetzgebung und die entsprechende Realität sprechen allerdings eine andere Sprache.
Jacinta Nadi fragt sich, warum das so ist. „Wenn es eine Divorce Barbie gäbe, hätte sie kaputte Schuhe, Alditüten und Mahnungen als Ausstattung. Die Frauen in Deutschland, die ihre Männer verlassen, müssen teuer bezahlen für ihre Befreiung“, meint die Journalistin, Buchautorin und zweifache Mutter.

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Sie selbst musste nach einer Trennung mit ihren Kindern an den Stadtrand abseits der Künstlerszene von Berlin ziehen. Dort verlebte sie in einer kleinen Sozialwohnung ohne nette Nachbarn den Lockdown.
Eine interessante Zeit, in der viele Medien plötzlich die „Alleinerziehende“ als politischen Kampfbegriff entdeckten. Das Mitleid mit ihnen kannte plötzlich keine Grenzen, so Nandi. An ihrer Realität hat das freilich wenig geändert.

Gegen Alltagsmisogynie

Nandis Buch hat zwei Stoßrichtungen. Es polemisiert – und dabei geht es gattungsgemäß nicht immer ganz gerecht zu – gegen die in Deutschland salonfähige Alltagsmisogynie unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung. Zum anderen macht Nandi aber auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Lage für alleinerziehende Frauen in Deutschland. Sie spricht sich für das bedingungslose Grundeinkommen aus, ebenso für eine Anhebung des Kindergelds und seinen sozialen Zuschnitt, der zum Beispiel Familien mit sehr guten Jahreskommen ausschließt zugunsten von „primary care givers“.
Ihre vielleicht provokanteste These ist aber jene, die die Konzepte von Gleichheit und Freiheit in ein neues Verhältnis setzt: „Viel wichtiger als die Idee, dass Mütter und Väter gleichberechtigt sein sollen, ist doch die Idee, dass Mütter und Kinder frei sein müssen. Frei, um ihr Leben in Sicherheit zu leben.“
Darunter versteht Jacinta Nadi auch die Freiheit davon, mit dem Ex-Partner in fruchtlose, demütigende und den Kindern immer schadende Gerichtsprozesse um Unterhalt zu gehen. „Im Moment sind wir als Gesellschaft besessen von einer falschen Idee von Gerechtigkeit. Männer und Frauen sollen gleichberechtigt sein, Mütter und Väter sollen gleichberechtigt sein. Und deswegen, weil sie es sein sollen, lügen wir uns an, dass sie es sind.“
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