Jacinta Nandi: "Single Mom Supper Club"

Mütter, Lebenslügen und Instagram

Cover des Buches von Jacinta Nandi: "Single Mom Supper Club"
© Rowohlt

Jacinta Nandi

Single Mom Supper ClubRowohlt, Hamburg 2025

320 Seiten

24,00 Euro

Von Julia Schröder |
Wer ist die bessere Feministin? Gab es Drogen in der DDR? Ist Regretting motherhood ein Oberschichtenprivileg? Alleinerziehende Mütter in Berlin sind die Heldinnen von Jacinta Nandis neuem Roman.
„Alleinerziehend“ klingt irgendwie nach trauriger Provinz. „Single Mom“ hingegen, das ist Berlin-tauglich und passt deshalb für die alleinerziehenden Mütter, deren Abendessensverabredungen dieser Roman seinen Titel verdankt. Der englische Begriff passt auch deshalb, weil drei der Single Moms Britinnen sind. Beides haben sie mit ihrer Erfinderin Jacinta Nandi gemeinsam, die als alleinerziehende Mutter zweier Söhne in Berlin lebt.

Die Viererbande um die vierzig und die Cocaine Moms

Eigentlich sind es zwei Supper Clubs, von denen Nandi erzählt: die deutsch-englische Viererbande – Nandi nennt sie die „normalen Mütter“ – um die vierzig, mit mehr oder weniger prekären Jobs und Sprösslingen zwischen neun und sechzehn und eine Gruppe jüngerer Alleinerziehender mit sehr kleinen Kindern, immer neuen Prada-Taschen und unerschöpflichen Kokain-Vorräten, die ihr Instagram-taugliches Leben aus Geldquellen im Graubereich finanzieren.

In der Küche sind versammelt: Cocaine Moms Sascha, Lexi und Nana. Alle sind so übertrieben glänzend angezogen, sie sehen aus wie Sex-Roboter, silberne BHs und kleine Miniröcke aus Plastik.

Als die zwei Clubs sich zusammentun, prallen Welten aufeinander, dabei findet sich schon in der Gruppe der „normalen Mütter" ziemlich Gegensätzliches: Die verhinderte Sachbuchautorin Tamara, Mutter von Zwillingen und eines freundlich-verhaltensauffälligen Nachzüglers, lebt hauptsächlich von der Vermietung ihrer zurückgelassenen Wohnung in Notting Hill.
Die ehemalige Tänzerin Kayla, aufgewachsen als Mixed-race-Adoptivkind weißer Eltern in Essex, schlägt sich und ihre Teenagertochter mit Gelegenheitsjobs durch. Lina, genannt Sad-Lina, von ihrer indischstämmigen Familie wegen ihres unehelichen Sohns verstoßen, leidet in einer grotesken Gewaltbeziehung mit einem Jochen, den sie nach zehn Jahren mithilfe der Cocaine Moms endlich verlässt. Und schließlich ist da Antje aus Köpenick, schreckliche Antje genannt, eine typisch deutsche Besserwisserin und Spaßbremse mit Ost-Sozialisation.

"Eigentlich bin ich viel weiblicher als ihr", sagt Antje nachdenklich. "Ich bin nicht nur eine bessere Feministin als ihr, ich bin weiblicher. Ich will Männern helfen. Ich will, dass es mehr Männerhäuser gibt. Ich will, dass Männer die Möglichkeit haben, ihre Kinder fünfzig Prozent der Zeit zu sehen. Ich bin … ich bin die Weiblichkeit."
Endlich holt Lexi das Koks raus, und nachdem alle außer Kayla ihr eine Summe gepaypalt haben – "so wie im Sozialismus, damals, vielleicht", sagt Lexi, "Wir hatten keine Drogen in der DDR", antwortet Antje – , beginnt der Abend richtig.

Mit diesen unterschiedlichen Frauen und ihren teils doch recht ähnlichen Problemen kolumniert und feuilletonisiert sich „Single Mom Supper Club“ durch Berlin und Umgebung, von Alt-Tempelhof nach Neukölln, von Gropiusstadt nach Prenzlauer Berg, von Karls Erdbeerhof nach Tropical Island und an Brandenburgische Seen und Schlösser. Die älteren Mütter geraten dabei deutlich differenzierter als das junge Insta-Gemüse, das eine Ansammlung von Abziehbildern bleibt. Natürlich sind auch Männer im Spiel: als Drogenverticker, Lehr- oder Amtspersonen, lästige bis bedrohliche Expartner, vor allem aber als Träger von Penissen, kurz, als wenig hilfreiche bis richtig schlimme Figuren.

Haltungsnoten, die zu mittleren Katastrophen führen

Die gemeinsamen Abendessen der Frauen entgleisen in der Regel und enden nicht selten in menschlichen Katastrophen, was nicht nur an den konsumierten Drogen liegt, sondern auch an den dabei aufbrechenden Lebenslügen und den verteilten Haltungsnoten. Darf man dem Klassenlehrer der Tochter einen Blowjob geben? Darf man Wohnungen möbliert und überteuert untervermieten? Darf man mit Chlorbleiche putzen? Darf man sein Kind schlagen?
Was eine Gewaltbeziehung ausmacht, wird ebenso verhandelt wie die Frage, ob Regretting motherhood nicht vielleicht ein Oberschichtenprivileg ist. Leider ist Jacinta Nandi sich nicht zu schade, besonders bei Expats und ihren Fans beliebte Klischees von Deutschland und den Deutschen ein bisschen totzureiten.

Drei Britinnen und der deutsche Holocaust

Ob man das nun eher lustig findet oder eher lahm, hängt wohl von Tagesform und Lebenssituation der Leserin ab. Jenseits geschmacklicher Vorlieben fragwürdig ist allerdings, dass die Autorin allen drei britischen Single Moms, so unterschiedlich ihr Hintergrund sein soll, eine regelrechte Fixierung auf die Nazizeit andichtet, um ein paar flotte Bonmots loszuwerden, etwa:

Deutsche Menschen mögen keine Zeitreisen. Zeitreisen erinnern die Deutschen an den Holocaust, that’s why.

Oder:

Wenn man deutschen Männern Geschichten über britischen Rassismus erzählt, verstehen sie es falsch, sie denken immer, du willst damit sagen, dass der Holocaust okay war.

Einem auf „Kult“-Qualitäten hingeschriebenen Roman mit so vielen alleinerziehenden Müttern möchte man allerhand verzeihen. Aber so etwas dann doch nicht.
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