Von Hausfrauenvideos zu rechten Inhalten

Tradwives - Frauen, die sich ausschließlich um Haushalt und die Kinder kümmern. Auf Social Media erleben solche Rollenbilder aus den Fünfzigern eine Renaissance. Problematisch daran: ihre Nähe zu traditionalistischen oder gar extrem rechten Inhalten.
Videos, in denen junge, aufwendig gestylte Frauen eine heile Welt als Hausfrauen und Mütter vorführen, haben auf Tiktok und Instagram Millionen Follower.
In den USA machen solche Tradwives schon länger von sich reden, mittlerweile findet der Trend aber auch hierzulande ein Publikum. Das mag im Jahr 2025 verwundern, wo 77 Prozent aller Frauen in Deutschland zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sind. Doch sollte nicht jede Frau nach ihrer Fasson glücklich werden? Oder, anders gefragt: Was macht Tradwives-Content eigentlich problematisch?
Inhalt
Was sind Tradwives?
Sogenannte Tradwives, also traditionelle Ehefrauen, propagieren nicht nur inhaltlich ein konservatives Familienmodell, sondern setzen auch optisch auf die Welt der 1950er-Jahre, als das Alleinverdienermodell in den USA ebenso wie in der alten Bundesrepublik noch allseits gültige Norm war.
Warum trenden Tradwives auf Social Media?
Tradwives versprechen eine einfache Welt, in der Geschlechterrollen klar getrennt sind, sagt die Kulturwissenschaftlerin Heike Paul. In Zeiten von Krisen und Unsicherheit fühlten sich Menschen von einer "gewissen Komplexitätsreduzierung" angesprochen. Nostalgie und der Wunsch nach wirtschaftlicher Stabilität spielten in diesem Zusammenhang eine große Rolle, so Paul. In den USA waren die 1950er-Jahre eine Zeit, in der die Wirtschaft florierte, Autos und Vorstädte gebaut wurden. Ein Blick in die Küchen, in denen sich Tradwives inszenieren, suggeriert Wohlstand.
Die Beliebtheit von Tradwives-Content verweist aber noch auf ein anderes Problem: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist insbesondere für Frauen nach wie vor mit großen Anstrengungen verbunden. Tradwives suggerieren ein Lebensmodell ohne solche Anstrengungen, wo politische Antworten bisweilen fehlen.
Für welche politische Botschaft stehen Tradwives?
Es gehe beim Phänomen der Tradwives mehr als um das "Abfeiern eines Hausfrauenideals", sagt Kulturwissenschaftlerin Heike Paul. Tradwives leisteten durchaus kulturelle und politische Arbeit im rechten politischen Spektrum. In den USA seien sie oft lautstarke Trump-Unterstützerinnen, zum Teil MAGA-Anhängerinnen. In Deutschland machen sie Stimmung gegen Einwanderung mit Verweis auf die Gefahren für deutsche Frauen und Kinder, die angeblich davon ausgehen.
Mit dem „Zurückbeamen in die 50er-Jahre als eine weiße, idyllische Vorstellungswelt“ negierten Tradwives in den USA auch die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung oder liberalere Abtreibungsgesetze für Frauen, so Paul. Manche Tradwives werteten zudem andere Frauen ab, die nicht dem Hausfrauenideal entsprächen, weil diese etwa kinderlos oder nicht heterosexuell seien.
Doch nicht alle Tradwives sind explizit politisch. Viele der weichgezeichneten Videos sind an und für sich harmlos. Harmloser Content wird aber dann zum Problem, wenn rechte Inhalte daran andocken können: Vom in Szene gesetzten Backen, Putzen und Zöpfe flechten, vom deutschen Wald, der zum Schwärmen einlädt, oder dem Erinnern an die Vorfahren sind es manchmal nur wenige Klicks zu Inhalten über Remigration.
Welche Rolle spielt Social Media im Tradwives-Trend?
Die Tatsache, dass 56 Prozent der Tiktok-Userinnen weiblich sind, macht sie zu einer wichtigen Zielgruppe. Dort werden unter #tradwife rund 70 Millionen Videos angezeigt.
Tradwives wiederum machen das Hausfrauendasein zum Geschäftsmodell auf Social Media. Die erfolgreichsten von ihnen haben Millionen Follower wie etwa Ballerina Farm mit fast zehn Millionen Follower jeweils auf Instagram und Tiktok oder Szene-Star Nara Smith, der 4,6 Millionen auf Instagram folgen und 11,4 Millionen auf Tiktok. Manche dieser Geschäftsfrauen bieten noch dazu einschlägige Produkte in verlinkten Onlineshops an - Make-up für den 50er-Jahre-Look, Sauerteigsets oder karierte Schürzen.
Wie authentisch die Rolle dieser vermeintlichen Hausfrauen tatsächlich ist und wie es wirklich hinter den Kulissen aussieht, ist unklar, sagt Heike Paul. Letztlich geht auch die kreative Influencerin einer Erwerbstätigkeit nach. Wer sich um die Kinder kümmert, während die angebliche Mutter und Hausfrau ihre Videos dreht, bleibt unklar. Doch das ist bei dieser sich gut verkaufenden Social-Media-Illusion wohl nachrangig.
Zählen Tradwives als Womanosphere-Content?
Aus Sicht von Helene Nikita Schreiner ist der Tradwives-Trend im Zusammenhang mit einem generellen Anstieg von Content zu sehen, der zur sogenannten Womanosphere zählt. Das sind Inhalte mit antifeministischem und rechtem Onlinecontent in Sozialen Kanälen, die sich – grob zusammengefasst - vor allem an junge Frauen richten und diese für ihre eigene Unterwerfung begeistern sollen.
Für Schreiner fallen darunter auch andere Ausprägungen wie Skinny Talk, wo es um Diäten geht, Dating Tipps, feminine Energiecoaches bis hin zu pornografischen Inhalten.
Könnte der Trend aus den USA auf Europa überschwappen?
Der Tradwives-Trend steht im Zusammenhang mit einem generellen Backlash gegen den Feminismus in den USA, darüber sind sich Expertinnen einig. Als Beispiel nennt Kulturwissenschaftlerin Heike Paul Abtreibungsregelungen in manchen US-Bundesstaaten, die vormodern seien und nicht passend für eine säkularisierte, liberale Demokratie erscheinen.
Für Nikita Schreiner sind Tradwives-Inhalte ebenso wie Womanosphere-Content ein besorgniserregender Trend, der in den letzten Monaten sehr deutlich aus dem US-Amerikanischen ins Deutsche herübergeschwappt ist.
Die Historikerin Hedwig Richter findet den Trend hingegen „völlig überschätzt“. Was da aufgeführt werde, sei eine Groteske, die viele auch als solche wahrnähmen. Es sei „überhaupt nicht so, dass es plötzlich massenweise junge Frauen gibt, die sagen: Ich will Tradwife werden.“
tha