Medfluencer

Können Sie diesen Ärztinnen und Apothekern vertrauen?

22:35 Minuten
Illustration: Ein Stethoskop in Bildschirmform gefaltet.
Ratschläge zu Krankheitsbildern in den sozialen Medien umstritten, auch weil damit Geld verdient wird. © Getty Images / Boris Zhitkov
Moderation: Jenny Genzmer und Marcus Richter |
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Influencer sein, das gilt für manche inzwischen als Traumberuf. Auch medizinisch geschultes Personal zieht es vor die Kamera – sogenannte Medfluencer. Geld bringen Werbekooperationen. Das ist in diesem Bereich besonders heikel.
Das Influencerdasein wird vor allem von jungen Menschen als Traumberuf wahrgenommen. Sich vor die Kamera stellen, etwas erzählen und Geld für jeden Klick verdienen. Gut davon leben kann ein Influencer ab circa 100.000 Followern – schätzungsweise. Mittlerweile zieht es auch medizinisch geschultes Personal an den Honigtopf vor die Kamera – sogenannte Medfluencer.
Allerdings sind Ratschläge zu Krankheitsbildern in den sozialen Medien umstritten. Auch weil damit Geld verdient wird – zum Beispiel durch das Sponsoring von Pharmafirmen. Eine Karriere als Medfluencer steht meist Menschen aus Heilberufen, Apothekern und Medizinstudenten offen, die mit ausgewählten Zielgruppen kommunizieren. 

Leute vom Fach und betroffene Laien

„Wenn ich mir TikTok anschaue, sind die Personen wahrscheinlich bis 30, bei Instagram bis 50 und darüber geht die Facebookgemeinschaft los. So gesehen ist es stark themenabhängig“, sagt Philipp Jones von der Beratungs- und Marketingagentur Medservation. Seit 18 Monaten managt sie auch Medfluencer. An Bord kommen nur Leute vom Fach. Erfolgreich können aber auch Laien sein.  
„Ganz häufig sind das Betroffene, die zum Beispiel unter chronischen Hauterkrankungen leiden, wie Schuppenflechte. Die dann natürlich in den sozialen Medien darüber aufklären“, sagt Jones. Sogenannte Patienteninfluencer haben wenige, dafür aber aktive Follower und genießen – laut Untersuchung – in Gesundheitsfragen ein hohes Vertrauen.
Während sich ältere Menschen Medizinsendungen im Fernsehen anschauen und Gesundheitsmagazine lesen, ziehen jüngere Semester medizinische Infos aus den sozialen Medien.

Problematisches Werbeverhalten

Problematisch wird es, wenn Medfluencer Geld verdienen wollen – mit Werbung. Dabei dürfen Ärzte nicht für Produkte anderer werben, stellt Marius Hossbach, Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei Rose und Partner, allgemein fest.
„Es gilt das sogenannte Fremdwerbeverbot. Danach sind Ärztinnen und Ärzten gewerbliche Tätigkeiten untersagt. Das hat zum Hintergrund, dass Ärzte nach dem Patientenwohl handeln sollen und nicht in erster Linie kommerzielle Interessen verfolgen sollen.“
Für Medizinstudierende – und Laien – hingegen gilt das Gesetz nicht: Deshalb eignen sie sich besonders gut zum Medfluencer. Auch, wenn es besonders für Medizinstudierende eine Grauzone ist.
„Sie dürfen also für Arzneimittel werben“, sagt Hossbach. „Es sei denn, sie sind verschreibungspflichtig. Das würde gegen das Heilmittelwerbegesetz verstoßen. Einige Medfluencer geben sich dagegen als Arzt oder Ärztin aus. Das kann allerdings irreführend sein und gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen.“

Umstrittene Disease-Awareness-Kampagnen

Die Agentur Medservation kassiert bis zu 30 Prozent der Einnahmen ihrer Medfluencer. Für die meisten ist es nur ein Nebenjob. Nach eigenen Angaben lehne die Agentur 95 Prozent aller Werbeanfragen ab und lasse höchstens mal für Kosmetika werben. Meist arbeite sie mit Interessenverbänden und Krankenkassen, die auf bestimmte Krankheiten aufmerksam machen wollen. 
„Es gibt ja weit über 60.000 Krankheitsbilder weltweit. Und natürlich kennt ein Arzt nicht alle und sieht auch nicht alle in seiner Karriere“, sagt Jones. So ließe sich auf seltene Krankheiten hinweisen. 
Sogenannte Disease-Awareness-Kampagnen in den sozialen Medien sind nicht verboten, aber umstritten. Denn wenn sie von Pharmaunternehmen finanziert werden, geht es in erster Linie darum, die Markteinführung eines neuen Medikaments zu begleiten.

Mehrwert stiften – und Geld verdienen

Der erfolgreiche Medfluencer Doktor Weigl sagt seinen Followern ganz klar: „Keine Kooperation eingehen mit Herstellern von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln. Mit allem, was aus dem Gesundheitsbereich ist, dürfen wir Ärzte keine Kooperation machen. Warum? Weil ihr uns ja letztlich vertraut. Unser höchstes Gut ist ja Vertrauen und Unabhängigkeit.“
Tobias Weigl hat 730.000 Abonnenten auf Youtube. Er verdient an der von der Plattform geschalteten allgemeinen Werbung und kann es sich leisten, auf Sponsoring zu verzichten.
„Aber die allermeisten sehen das als Option, Geld zu verdienen und gleichzeitig aber auch der Community einen Mehrwert zu stiften“, sagt Marius Penzel, Apotheker und Wissenschaftsjournalist bei „MedWatch“.
Und es gebe immer mal wieder Ärzte oder Apotheker:innen, die die Grenzen des Fremdwerbeverbots übertreten und dann für Arzneimittelhersteller auf sozialen Medien werben würden. Doch „die allermeisten Disease-Awareness-Kampagnen und Arzneimittelwerbung sind schon mit den Rechtsabteilungen der pharmazeutischen Hersteller konzipiert, dass sie die Grenzen des Heilmittelwerbegesetzes schon ausloten".

Behörden fühlen sich nicht zuständig

Doch wer ist zuständig dafür, dass die Grenzen eingehalten werden? Und müsste diese Regulierung strenger gestaltet werden?
„Mir fällt immer wieder auf, dass wenn man verschiedene Behörden anfragt, dass sich keiner so recht zuständig fühlt“, meint Marius Penzel. „Und wenn man dann irgendwann bei der zuständigen Stelle landet, ist das so eine kleine lokale Behörde, die fünf oder zehn Mitarbeiter haben und die überhaupt nicht hinterherkommen.“ So könne gesetzwidrige Werbung auf sozialen Medien derzeit kaum verfolgt werden. Der „MedWatch“-Autor sieht hier den Bund in der Pflicht, nachzusteuern.
Marius Penzel rät daher, Influencern, die mit Herstellern Werbekooperationen eingehen, die ein finanzielles Interesse daran haben, ihre Produkte zu vermarkten und das Ganze auch noch mit einem medizinischen Anstrich zu verkaufen, nicht zu vertrauen. Da gebe es immer einen Interessenkonflikt.

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In dem Erfolg von Medfluencern spiegelt sich nicht zuletzt ein Bedürfnis von Patientinnen und Patienten, die das immer weiter optimierte Gesundheitssystem nicht stille.
"Auf der anderen Seite sprechen wir auch von sozialen Medien, also riesigen Konzerne, die sich Algorithmen überlegen, wie man die Aufmerksamkeit von Menschen auf einer Plattform bündeln kann. Und ich weiß nicht, ob da wirklich ein Gesundheitssystem gegen diese Algorithmen ankommen kann, auf Plattformen, die darauf optimiert sind, dass die Menschen so lange wie möglich Zeit dort verbringen und so viel Werbung wie möglich konsumieren."
(cwu)
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