Corona-Hilfen in Hamburg

Schnelles Geld für die Kultur

08:12 Minuten
"Komm in die Gänge" steht auf einer Leuchtschrift am Gängeviertel.
Unter dem Motto "Komm in die Gänge" werben Künstler und Unterstützer für das Hamburger Gängeviertel. © picture alliance / dpa / Markus Scholz
Von Axel Schröder · 14.11.2022
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Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie geriet die Kulturbranche allorten in Schwierigkeiten. Hamburg reagierte mit Hilfsprogrammen und Extra-Etats. Es sei ums Stimulieren gegangen, sagt Kultursenator Brosda. Da müsse es dann auch mal schnell gehen.
„Wir stehen direkt vor dem soziokulturellen Kern, dem Herzstück des Gängeviertels: der Fabrik. Das ist ein Raum, der für alle da sein soll: ein offener Raum; ein Raum, wo sich Menschen treffen, Ideen entwickeln, proben können und, und, und ...", erklärt Künstlerin Christine Ebeling. "Das ist natürlich ein Raum, der unter Corona mehr oder weniger die totale Schließung erfahren musste“, erklärt die Sprecherin des Gängeviertels in einem der Innenhöfe der Kulturgenossenschaft.
Seit 13 Jahren ist das Gängeviertel in der Hamburger Innenstadt ein Zuhause für Künstlerinnen, Künstler und kunstinteressierte Menschen. Rote, etwas verwitterte Ziegelsteinbauten ragen in die Höhe.

Corona-Lockdown im Gängeviertel

Mit viel Eigeninitiative, aber auch mit staatlicher Förderung, ist in den zwölf historischen Backsteinbauten viel Raum für Kreativität entstanden, der vor gut zwei Jahren, mit dem ersten Lockdown, plötzlich dicht war.
Später musste der Gebäudekomplex eingezäunt werden. Nur so konnten die vorgeschriebenen Einlasskontrollen gemanagt werden. „Ein Freiraum hinter Gittern sozusagen. Das war ein ganz komisches Gefühl", erinnert sich Ebeling. "Es fühlt sich auch immer noch ein bisschen so an, denn Corona ist immer noch da.“
Bis Ende des Jahres gibt es noch Unterstützung für den städtischen Kulturbetrieb. Ohne die Corona-Förderung, ist sich Christine Ebeling sicher, hätte das Gängeviertel die Pandemie kaum überlebt.
„Die Mieten, zumindest für die öffentlichen Flächen, wurden gesichert, es hat sogar Geld für Kurzarbeit gegeben für die wenigen Stellen, die wir hier fest haben. Dann haben wir Projektförderung bekommen", zählt sie auf. "Es gab schon viele, viele Gelder. Und ganz große Summen durch den Kultursommer letztes Jahr.“
Zusätzlich zu den Hilfszahlungen des Bundes verteilte die Hamburger Behörde für Kultur und Medien im Sommer 2021 Fördergelder in Höhe von zehn Millionen Euro.

Hamburger Extra-Topf für Kultur

Das Geld ging an alle erdenklichen Kulturprojekte in der Stadt. An Ausstellungen im Gängeviertel, an Theaterinszenierungen und Performances in der Kulturfabrik Kampnagel, an Open-Air-Kunstparks – und auch an die kleine Galerie Oelfrüh von Antje Sauer, Christopher Müller und Frank Breker im Hamburger Osten.
„Wir hatten das interdisziplinäre Kulturfestival Hippocampus gemacht, auf dem Gelände der Rudervereinigung Bille. Die hatten eine schöne Grünfläche, und wir haben verschiedene Sparten von Künstler*innen eingeladen", erklärt Frank Breker.
Mitte 2020, im ersten Corona-Sommer, hatte er wie so viele andere Soloselbständige den städtischen Zuschuss von einmalig 2500 Euro beantragt und unbürokratisch bekommen. In einer zweiten Runde zahlte die Stadt Hamburg noch einmal pauschal 2000 Euro an rund 7000 Kulturschaffende aus – als Zuschuss, der nicht an konkrete Projekte gebunden war und nicht zurückgezahlt werden musste.

Tempo beim "Kultursommer"

Trotz der staatlichen Unterstützung kam aber auch Frank Breker, wie so viele andere, nicht über die Runden, ohne seine Ersparnisse aufzubrauchen.
Die Mittel aus dem „Kultursommer“-Etat kamen der Galerie Oelfrüh und vielen anderen Kulturschaffenden deshalb gerade recht.
Allerdings: Das Tempo, das die Kulturbehörde dabei vorgelegt hatte, mit kurzen Abgabefristen für die vorgeschriebenen Projektanträge, sei schon sehr hoch gewesen, erinnert sich Frank Breker. „Problematisch war, dass es viel zu kurzfristig war. Und dass die mit dem Auszahlen der Mittel komplett hinterherhingen. Wir haben die Mittel ja erst bekommen, nachdem das Ganze schon zu Ende war.“

Schnell und ein bisschen schmutzig

In der Galerie Oelfrüh wurde improvisiert: Es wurde das Hippocampus-Projekt geschmiedet und nach Lieferanten und Dienstleistern gesucht, die einverstanden waren, ihre Rechnungen erst Monate später zu stellen. Nämlich erst dann, wenn auch die Fördermittel da sind.
Hamburgs Senator für Kultur und Medien, Carsten Brosda, weiß um die Hektik, die der so spät eingeläutete Corona-„Kultursommer“ ausgelöst hat. Aber das Geld war da und sollte dem Kulturbetrieb und auch den nachgelagerten Gewerken zugutekommen.
„Das Andere wäre auch schön gewesen, hätte aber nicht das Problem gelöst, aus einer Pandemie kommend, aus einem Lockdown kommend, das kulturelle Leben wieder an den Start zu bringen", erklärt der SPD-Politiker. "Das war schnell", fügt er an. "Das war auch ein bisschen schmutzig in der Organisation, wenn man so will", räumt er ein. "Aber nur so ging das in dieser Phase.“
Die Kultursommer-Gelder kamen Künstlerinnen und Künstlern, Schauspielerinnen und Schauspielern zugute. Beleuchtungsfirmen und Bühnenbauer bekamen wieder Aufträge, auch Tontechniker und Musiker profitierten vom Kultursommer.

Keine Hinweise auf unrechtmäßige Anträge

Hinweise darauf, dass in Hamburg städtische Unterstützungszahlungen zu Unrecht beantragt wurden, gibt es nicht, heißt es aus der Kulturbehörde.
Bis Ende des Jahres wird die Stadt insgesamt rund 150 Millionen Euro ausgegeben haben, um die Wucht der Pandemie auf den Kulturbetrieb etwas abzubremsen.
„Da fallen dann die konkreten Hilfspakete drunter, mit denen wir gerade in der Anfangsphase der Pandemie auch die freie Kultur gezielt gestützt haben; da fallen zusätzliche Veranstaltungen wie der Kultursommer drunter", erläutert Senator Carsten Brosda. "Da fallen auch die Verlustausgleiche für die staatlichen und öffentlich geförderten Einrichtungen drunter. Und viele weitere Stimulierungsprogramme, die immer im Blick hatten, dass wir wollten, dass, wenn immer es geht, Kulturproduktion stattfindet und nicht deshalb aufhört, weil sie nicht finanziert werden kann, obwohl es rechtlich wieder geht.“

Dauerhafte Schließungen vermieden

Corinne Eichner leitet den Verein „Stadtkultur Hamburg“, einen Dachverband für Stadtteilkultur-Projekte mit gutem Draht in die Kulturbehörde. Seit Pandemiebeginn war sie regelmäßig im Gespräch mit der Behörde, hat dort erklärt, welche Hilfen wo gebraucht werden.

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Diese Hilfen hätten gewirkt, sagt Corinne Eichner: „Es ist, soweit ich das weiß, zu keiner dauerhaften Schließung gekommen. Es ist keine Kultureinrichtung auf der Strecke geblieben.“

Fachkräftemangel nach Corona

Ein Problem konnten aber auch die Fördermillionen nicht lösen: Viele Beschäftigte im Kultursektor haben ihre freie und oft schlecht bezahlte Arbeit während der Pandemie ganz aufgegeben und haben sich krisenfestere, vielleicht auch besser bezahlte Jobs gesucht.
Jetzt Leute zu finden, die nachrücken, die bei steigenden Energiepreisen und hoher Inflationsrate mit einem bescheidenen Gehalt zufrieden sind, sei gar nicht so einfach, sagt Corinne Eichner.
Über den Berg sei der Hamburger Kulturbetrieb also noch lange nicht. Zu den coronabedingten Problemen käme jetzt auch noch die Energiekrise, die kleine und große Kulturbetriebe massiv belaste.

2023 kommt kein Corona-Geld

Und im nächsten Jahr wird es keine speziellen Corona-Hilfsgelder mehr geben. Ob die dann geplanten Entlastungen bei den Energiekosten ausreichen, um Kunst und Kultur dauerhaft möglich zu machen, ist offen.
„Wir hoffen, dass wir das weiter aufgefangen bekommen, so, wie es unter Corona dann doch gut funktioniert hat – natürlich mit sehr großen Anstrengungen und Belastungen auf allen Seiten", sagt Eichner. "Aber es hat funktioniert – und diese Hoffnung haben wir natürlich jetzt auch für die Energiekrise!“
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