Musikwirtschaft nach Corona

Publikum dringend gesucht

11:18 Minuten
Konzert von Max Herre & Roberto di Gioia live auf dem Jazz in the City Festivals im Zughafen Erfurt. Man sieht die Zuschauer, die auf die Bühne blicken. Auf der Bühne stehen in rotes Licht getaucht die Musiker.
Viele Konzerte sind nach den Corona-Lockerungen nur schwach bis mäßig besucht. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Tom Wenig
Sebastian Zabel im Gespräch mit Vladimir Balzer · 06.09.2022
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Trotz Corona-Lockerungen bleiben viele Konzerte schwach besucht. Das trifft vor allem kleine Klubs und Newcomer-Bands, sagt Sebastian Zabel vom „Rolling Stone“. Dabei sei das Live-Erlebnis "nach wie vor fantastisch".
Die Maskenpflicht ist gefallen, der Kulturbetrieb normalisiert sich. Dennoch sind Livekonzerte weniger gut besucht als vor der Pandemie. So sei für viele Musiker derzeit tatsächlich das Streaming die Haupteinnahmequelle, sagt Sebastian Zabel, Chefredakteur der deutschen Ausgabe vom Rolling Stone.
Zabel traf sich jetzt mit anderen Akteuren der Musikwirtschaft zur Musikwirtschaftskonferenz 2022 in Berlin. Dort diskutierte man unter anderem darüber, wie sich die Lage bessern lässt - für die Musiker und für die Branche.

Weniger Konzertbesucher durch Entwöhnung

Konzertveranstalter berichteten, dass sich das Publikum beim Ticketkauf derzeit sehr zurückhalte, so Zabel. Dies liege sicher auch daran, dass sich das Konzertpublikum zum großen Teil entwöhnt hat, auf Konzerte zu gehen - und weil es sich in der Pandemie vielleicht auch daran gewöhnt habe, dass es "irgendwie auch ohne“ gehe. Wieder andere seien derzeit wohl noch skeptisch, „in einen vollen Laden“ zu gehen..
Zabel sieht auch die Inflation als Grund für die „Krise nach der Krise“: „Die Leute sind eher zurückhaltend mit dem Geldausgeben. Sie sparen dann vielleicht lieber bei der Kultur als beim Essen.“

Newcomer-Bands sind besonders betroffen

Das Nachsehen haben kleinere Klubs und vor allem junge Künstler, die sich dem Publikum präsentieren wollen, um eine Fanbasis aufzubauen.
Doch der Schwund sei ein „Fact of Life“, so Zabel. “Ich hoffe sehr, dass es noch mal eine Chance gibt und dass sich das verändern wird, aber das kann man natürlich nicht wissen.“ Auch Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda habe zur Eröffnung des Kongresses gesagt, man müsse sich vom Gedanken verabschieden, dass es irgendwann wieder „wie früher“ werde.
Die größte Sorge der Veranstalter sei die Maskenpflicht in Innenräumen, die im Herbst möglicherweise wiederkomme: Ein beträchtlicher Teil des Publikums empfinde das Maskentragen beim Live-Genuss als sehr störend und bleibe dann lieber zuhause.

Bessere Verbindung zur Politik gefordert

Lässt sich das mit einer neuen Preisgestaltung oder kreativen Ideen umgehen? Zabel ist eher skeptisch.

Ich kann mir keine Neuerung vorstellen, die das Live-Erlebnis, in einem Moshpit oder einem Konzert zu stehen, verbessern könnte: Das Live-Erlebnis ist, wie es ist, und das ist für mich nach wie vor fantastisch.

Sebastian Zabel

Ein weiteres Problem für die Musikwirtschaft: der Mangel an direkten Ansprechpartnern in der Politik. „Mal ist das Wirtschaftsministerium zuständig, mal ist das Kultusministerium zuständig."
Daher unterstützt Zabel auch eine Forderung, die auf dem Berliner Kongress geäußert wurde:
„Es müsste eine koordinierende Stelle in der Bundesregierung geben, also einen Ansprechpartner, der grundsätzlich für die Musikwirtschaft zuständig ist, egal, ob es jetzt um künstlerische oder um wirtschaftliche Belange geht, weil man das auch ganz schwer voneinander trennen kann."
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