Deutschland im Frühsommer 2020: Corona zwingt das ganze Land in den ersten Lockdown, fast alle Geschäfte sind geschlossen, die Wirtschaft liegt brach. Wie viele andere Branchen befürchten auch die deutschen Galeristen und Kunsthändler Schlimmstes.
Im Juni warnt der
Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor einem „Kollaps ungeahnten Ausmaßes“. Um satte 60 bis 100 Prozent könnten die Umsätze deutscher Galerien zurückgehen: “Ihrem drohenden, unverschuldeten Ruin muss bundes- und landespolitisch nachhaltig entgegengesteuert werden.” Die Galeristen wollen Geld.
Am 22. Juni 2020 nimmt sich CDU-Politikerin Grütters 90 Minuten Zeit für einen Austausch mit den Kunsthändlern. Anwesend sind neben Vertretern des BVDG und des Landesverbands Berliner Galerien auch Abgesandte von namhaften deutschen Galerien. Erst wenige Tage zuvor, am 17. Juni 2020, hatte das Bundeskabinett die Eckpunkte für ein Rettungs- und Zukunftspaket für die Kulturbranche gebilligt. Es ist das größte Kulturförderprogramm in der deutschen Geschichte, mit einem Umfang von einer Milliarde Euro. Entsprechend griffig lautet der inoffizielle Titel bald "Kulturmilliarde”, eigentlich heißt das Programm
Neustart Kultur. Im Lauf der Pandemie wird es auf zwei Milliarden erhöht werden.
Es geht also um sehr viel Geld, und die Lobbyisten vom BVDG setzen alles daran, der Bildenden Kunst und denen, die damit handeln, einen möglichst großen Anteil zu sichern. Interne Dokumente aus dem Kanzleramt, die Deutschlandfunk Kultur vorliegen, zeigen detailliert, wie der BVDG im Jahr 2020 Einfluss auf die Verteilung der Mittel nimmt: Er macht Vorschläge, diskutiert, sitzt mit am Tisch. Der Verband scheint gleichberechtigter Verhandlungspartner der Politik zu sein.
So schlagen Vertreter des Verbandes zunächst vor, die Gelder selbst zu verteilen und dafür extra eine "Durchführungsgesellschaft” zu gründen. Als das nicht gelingt, nehmen sie Einfluss auf die Besetzung der zuständigen Jury, die über die Vergabe der Galerieförderung entscheiden soll.
Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) stellte am 21. August 2020 die Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung "Neustart Kultur" vor.© picture alliance /dpa-Zentralbild / Britta Pedersen
Im Brief einer Galerie, die in die Verhandlungen mit Monika Grütters eingebunden ist, findet sich eine Liste mit Künstlern, die der BVDG als Jurymitglieder für geeignet hält. "Wir sehen diese Künstler als erfahren und als hochprofessionelle Experten, die die Galerien und ihr Anliegen grundsätzlich kennen und fair unterstützen. Diese vier Kandidaten werden von uns gerade angefragt und es sieht prinzipiell gut aus.” Am Ende vermerkt ein Dokument aus dem Haus Grütters, dass Einvernehmlichkeit erreicht werden konnte: Der Lobbyverband "billige” die Art und Weise, in der das Geld verteilt werden solle.
Reaktionen auf unsere Recherchen
Wegen seiner erfolgreichen Lobbyarbeit loben viele Galeristen den BVDG-Vorsitzenden Kristian Jarmuschek heute in den höchsten Tönen: Er sei einer der "Good Guys”, sagt ein Galerist aus München. Er mache "tolle Arbeit”, bestätigt eine Kollegin aus Berlin. 2022 wird Jarmuschek als Vorsitzender des BVDG einstimmig wiedergewählt. Neben der Verbandstätigkeit betreibt er eine Galerie in Berlin und drei Kunstmessen.
Die große Sorge, die der Galeristenverband zu Beginn der Pandemie formuliert, erweist sich im Laufe des Sommers als unbegründet: Statt Umsatzverlusten von 60 bis 100 Prozent machen viele Galerien 2020 gute Geschäfte. Das bestätigen nicht nur über 20 Galerie-Bilanzen, die Deutschlandfunk Kultur einsehen konnte, sondern auch zahlreiche Interviews mit Galeristen auf der Kunstmesse
Positions Berlin 2022.
Als das deutlich wird, sind die Förderprogramme aber längst in die Wege geleitet. Jedenfalls fließen bis zum Herbst 2022 mindestens 105,6 Millionen Euro in die Sparte Bildende Kunst. Das haben Recherchen von Deutschlandfunk Kultur ergeben. Unsere Erhebungen zeigen auch: Über 30 Prozent dieses Geldes gehen an Kunstmessen und Galerien, also in den kommerziellen Kunstmarkt.
So haben wir recherchiert: In den vergangenen Monaten hat ein Team von Deutschlandfunk Kultur erstmalig alle Förderlinien und Programme von Neustart Kultur im Bereich Bildende Kunst systematisch analysiert. Wir wollten herausfinden, wohin das Geld geflossen ist und wie die Mittel eingesetzt wurden. Dazu haben wir einen datenjournalistischen Ansatz gewählt: Die erhobenen Zahlen, Daten, Namen und Summen wurden als Datensatz durchsuchbar gemacht. Zusätzliche Informationen erhielten wir aus Anfragen bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) sowie Interviews mit KünstlerInnen, GaleristInnen und Jury-Mitgliedern. Hilfen aus anderen Töpfen oder Förderprogramme der Bundesländer jenseits der "Kulturmilliarde” konnten nicht berücksichtigt werden.
Obwohl die zunächst erwarteten Umsatzeinbrüche von 60 bis 100 Prozent also ausbleiben, gibt es staatliche Hilfen für die eigentlich gar nicht so gebeutelte Branche: In zwei Förderrunden werden Deutschlands Kunstgalerien mit insgesamt 15,5 Millionen Euro unterstützt. Abgewickelt wird das Programm durch die
Stiftung Kunstfonds in Bonn. Es ist genug für (fast) alle da: Vier von fünf der Antragsteller erhalten eine Zusage der Jury, 231 Galerien kommen sogar in beiden Runden zum Zuge. Maximal 70.000 Euro Fördergeld konnten einzelne Betriebe so bekommen. Der tatsächliche Bedarf? Wird nicht überprüft.
Trotz der Pandemie machte die Galerie Eigen + Art von Gerd Harry Lybke 2020 glänzende Geschäfte.© picture-alliance / DORIS SPIEKERMANN-KLAAS TSP
Somit bekommen selbst deutsche Spitzengalerien mit Millionenumsätzen staatliches Fördergeld, darunter große Namen wie Sprüth Magers oder König Galerie. Oder die Galerie Eigen + Art von Gerd Harry Lybke, den die Kunstwelt nur als „Judy” kennt. Sie verzeichnet Schätzungen zufolge im Jahr vor der Pandemie einen Umsatz von 21 Millionen Euro, im Jahr 2020 von 26 Millionen Euro. Diese Angaben stammen von North Data, einer Firma, die Kennzahlen wie Bilanzsumme, Kassenbestand, Forderungen oder Mitarbeiterzahl aus dem Jahresabschlussbericht einer Firma nutzt, um den Umsatz zu schätzen. North Data weist darauf hin, dass die Schätzung fehlerbehaftet sei. Keine Schätzung ist dagegen der bilanzierte Gewinn: Bei Eigen + Art stieg er von 2,6 Millionen Euro 2019 auf 3,65 Millionen Euro im Pandemiejahr 2020. Dennoch erhielt Eigen + Art staatliche Fördergelder von über 80.000 Euro.
Wie konnte es dazu kommen? Ein Mitglied der Jury, die bei der Stiftung Kunstfonds über die Galerieförderung entschieden hat, sagt: “Ich habe gleich gesehen, dass wir mehr Geld zu vergeben haben, als wir ausgeben können. Aber von diesen Umsätzen in der Pandemie haben wir alle nichts gewusst! Ich dachte wirklich, die bräuchten das Geld. Wir hätten die Vergabe auch nicht verhindern können. Es ging mir einzig um die künstlerische Qualität.” Das Jurymitglied möchte anonym bleiben.
Monika Grütters, die damalige Kulturstaatsministerin, sagt heute dazu: "Da es nicht um so große Summen ging, haben wir uns darauf verständigt, mit der Gießkanne, aber mit absoluten Summen zu arbeiten. Das heißt, große Häuser haben vergleichsweise wenig gekriegt. Kleine Galerien haben relativ gesehen zu ihrem Umsatz mehr gekriegt. Das finde ich nicht unfair.” Eine Prüfung des tatsächlichen Bedarfs anhand von Bilanzen sei "in der Akutsituation nicht möglich gewesen”.
Zudem ist die Lage auf dem deutschen Kunstmarkt heute längst nicht mehr so gut wie 2020. Der Monitoringbericht der Bundesregierung zur Kultur- und Kreativwirtschaft aus dem Februar 2022 beziffert den Umsatzrückgang im Kunstmarkt von 2019 auf 2020/21 mit 39 Prozent. "Unsere Umsätze sind 2021 und 2022 dramatisch eingebrochen”, sagt auch Judy Lybke von Eigen + Art, auch die Gewinne lägen inzwischen nahezu bei null. Er ist stolz darauf, dass er dennoch bisher keinen seiner 25 Mitarbeiter entlassen musste.
Neben der direkten Förderung werden viele Galeristen bis heute ein weiteres Mal gefördert, diesmal indirekt: Einige ausgewählte Kunstmessen gewähren ihren Ausstellern einen Rabatt auf die Standmieten, je nach Messe von 30 bis 70 Prozent. Die Lücke füllt der Staat. Das hat einen doppelten Effekt: Während die Galeristen bares Geld sparen, halten die Messebetreiber die Zahl der Aussteller - und damit ihre Umsätze - weitgehend stabil. Auch diese Rabatte werden pauschal gewährt; ob eine Galerie auch die normalen Messepreise zahlen könnte, wird nicht geprüft. Insgesamt sind bisher in zwei Förderrunden mindestens 12,16 Millionen Euro in die Messeförderung geflossen.
Auch Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V., hat von der "Kulturmilliarde" profitiert.© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Unter den ausgewählten Messen finden sich etwa die beiden des BVDG-Vorsitzenden Kristian Jarmuschek: Positions und Paper Positions wurden 2021 und 2022 zusammen mit mindestens 1,4 Millionen Euro unterstützt. Ohne diese Förderung, so sagt Kristian Jarmuschek heute, wäre es unausweichlich zu einer Insolvenz der Messen gekommen.
Für die
Art Cologne flossen 2021 rund 1,2 Millionen Euro nach Köln. Bei der diesjährigen Ausgabe, die am 16. November beginnt, werden die Standmieten für die Aussteller pauschal um 32 Prozent gesenkt. Bei der wichtigsten Kunstmesse in Deutschland stellen alle aus, die Rang und Namen haben, darunter Eigen + Art, Sprüth Magers, Esther Schipper, König Galerie.
Neben Galerie- und Messeförderung gibt es noch einen dritten Weg, auf dem die deutschen Kunsthändler gefördert wurden: So verwaltet der
Deutsche Verband für Archäologie e. V. (DVA) unter dem Stichwort "Pandemiebedingte Investitionen in Kultureinrichtungen” ein Budget von 35 Millionen Euro. Es richtet sich an Heimatmuseen, private Museen, Ausstellungshäuser und öffentlich zugängliche Gedenkstätten, die hier bis zu 100.000 Euro an Steuermitteln für neue Computer, eine neue Webseite oder den Umbau von Toiletten beantragen können.
Die Art Cologne 2021 - die Geschäfte liefen trotz Pandemie gut.© picture alliance / Associated Press / Martin Meissner
Zwischen den geförderten Museen und Gedenkstätten finden sich auch mehr als 150 Unternehmen des Kunstmarkts - obwohl nach landläufigem Verständnis große Unterschiede zwischen einem Museum und einer Galerie bestehen. Wieso ist das dennoch möglich? Diana Nitzschke vom Deutschen Verband für Archäologie sagt dazu: Galerien zählten zu den Ausstellungshäusern - zumindest, wenn sie ein "Vermittlungskonzept” hätten, also die Kunst den Betrachtern erkläre.
So erhielt etwa die Galerie Esther Schipper 92.000 Euro aus diesem Topf. Titel der Maßnahme: "Notwendige Digitalisierung sowie Schutz von Besuchern und Mitarbeitern zur Erhaltung des Kulturbetriebes”. Die Galerie Kewenig aus Berlin bekam 6755 Euro für die "Anschaffung von leistungsstarken mobilen Computern für das Homeoffice”.
Und die Galerie Rother aus Wiesbaden erweiterte ihre "Nutzflächen für die Präsentation und Vermarktung aufstrebender junger Künstler” und bekam dafür 32.400 Euro. Christian H. Rother, einer der Gesellschafter, taucht zudem ein weiteres Mal in den Daten auf: Er ist zugleich Geschäftsführer der Smart Collectors GmbH, gemeldet an derselben Adresse wie seine Galerie. Auch diese Firma wurde vom DVA mit 70.560 Euro gefördert.
Beispiele wie dieses werfen die Frage auf: Darf man das? Tatsächlich ist es so, dass es die Fördergrundsätze der vielen verschiedenen Programme nicht explizit ausschließen, sich um "Kulturmilliarde”-Geld aus verschiedenen Töpfen zu bemühen. Entsprechend ist das Handeln der Galeristen, Messebetreiber sowie der Künstlerinnen und Künstler, die aus mehreren Töpfen gefördert wurden, höchstwahrscheinlich legal.
Kristian Jarmuschek, Galerist und BVDG-Vorsitzender, verweist in diesem Zusammenhang auf die unberechenbare Situation zu Beginn der Pandemie: Einerseits habe es einen akuten Handlungsbedarf gegeben, um einen dauerhaften Schaden in der Kunstszene zu verhindern - andererseits aber gab es zuvor keine Erfahrungen mit einer Förderung von Galerien und Kunstmessen.
Und dennoch bleibt die Frage: Warum haben die BKM-Beamten nicht darauf gedrungen, den tatsächlichen Förderbedarf zu überprüfen und Mehrfachförderungen wirksam zu verhindern?
Die Frage lässt sich auch nicht damit abtun, dass Neustart Kultur im Allgemeinen und die Förderprogramme in der Kunst im Speziellen ihren Zweck erfüllt haben: der Branche in der plötzlich einbrechenden Not der Corona-Pandemie zu helfen. Viele Tausend Geförderte und Stipendienempfängerinnen betonen bis heute, wie wichtig die Hilfe für sie war. So sagt Andrea Gysi, Geschäftsführerin des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler: "Neustart Kultur war für die gesamte Kulturbranche ein Erfolg und hat dazu beigetragen, dass die Kultur nicht vollständig zusammengebrochen ist und nun wieder aufleben kann.”
Denn natürlich haben die meisten Unternehmen, vor allem aber die soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstler, das Geld gut gebrauchen können und sind verantwortungsvoll damit umgegangen.
Und trotzdem wurden auch bei den Stipendien und Projektförderungen für Bildende Künstlerinnen Ungerechtigkeiten produziert. Denn diese wurden weitgehend nach künstlerischer Exzellenz vergeben. Die Frage, wer eine Förderung wie dringend braucht, um auch in der Pandemie den Lebensunterhalt bestreiten zu können, spielt dagegen nur bei einigen untergeordneten Förderprogrammen eine Rolle. Von mehr als 58 Millionen Euro wurden weniger als drei Prozent an soziale Kriterien gebunden.
Alice Münch ist Künstlerin, Aktivistin und alleinerziehende Mutter. Sie beschreibt ein Gefühl der Wut: "Die Pandemie trifft alle, aber sie trifft nicht alle gleich hart. Die Gelder waren dazu da, abzufedern. In der Pandemie geht es doch darum, mehr Gerechtigkeit herzustellen. Bei den Künstlern wurde das aber sehr elitär gehandhabt.” In der Pandemie sei sie so sehr mit der Erziehung ihres Kindes beschäftigt gewesen, dass sie kaum noch zum Malen kam. Sie habe ihr Atelier verloren und Existenzangst gehabt. Bei den Stipendien ging sie leer aus.
Während viele Künstlerinnen und Künstler leer ausgingen, erhielt auch der Galerist Johann König Fördermittel.© picture alliance / Markus C. Hurek
Dennoch: Den Künstlerinnen und Künstlern wird in der Pandemie massiv geholfen, niemals zuvor gab es so viele staatliche Stipendien und Fördergelder. Mit 58,2 Millionen Euro fließt der Löwenanteil des Neustart-Kultur-Geldes im Bereich Bildende Kunst an die Künstler. Mehr als 4500 Menschen greift der Staat unter die Arme. Die Konkurrenz in den einzelnen Programmen ist jedoch im Vergleich zur Galerienförderung enorm: Im Schnitt erhält nur ca. jeder vierte antragstellende Künstler eine Zusage - bei den Galerien sind es 80 Prozent.
Gleichzeitig - und auch das ist Teil der Ungerechtigkeiten der Förderprogramme - kommt es auch hier zu Doppel-Förderungen, wie unsere Recherchen zeigen: Mehr als 500 Personen erhalten mehr als ein Neustart-Stipendium, 38 Menschen sogar drei. Damit können Stipendiaten auf Summen von 25.000 Euro aus Bundesmitteln kommen - und mehr.
Albert Weis vom Vorstand des
Deutschen Künstlerbunds findet das okay, schließlich komme man mit einem einzigen Stipendium von 6000 oder 9000 Euro nicht durch eine drei Jahre dauernde Pandemie. Als Jurymitglied war er in die Vergabe der Gelder eingebunden. Jurys hätten darauf geachtet, so sagt er, dass auch diejenigen zum Zuge kommen, die Unterstützung am dringendsten brauchten. "Ich glaube sagen zu können, dass es den Beteiligten gelungen ist, mit diesem nicht ganz maßgeschneiderten Werkzeug dennoch eine gute Förderung und Hilfe in der Krise hinzubekommen.”
"Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen”, so sieht es dagegen der Künstler Malte Zenses. "Zum Zeitpunkt, als die ersten Listen (der Geförderten) veröffentlicht worden waren, hab ich mich tatsächlich ein bisschen am Kopf kratzen müssen, weil ich da Menschen gesehen habe, bei denen ich mir gedacht habe: Das kann nicht wahr sein, das sind wirklich groß etablierte Leute!” Der Künstler verfasst bereits im November 2020 einen offenen Brief, in dem er darauf hinweist, dass das Geld seiner Meinung nach die Falschen erreicht. Auf Gehör bei den fördernden Institutionen oder bei der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters stößt er damit nicht.
Für Lisa Basten, die sich als Bereichsleiterin
Kunst & Kultur bei der Gewerkschaft Verdi um Menschen wie Zenses kümmert, hat Corona strukturelle Probleme offengelegt, die in der Bildenden Kunst schon seit Langem bestünden. Sie sieht in der Aufarbeitung der staatlichen Hilfen deshalb auch eine Chance. "Meine Hoffnung ist, dass durch unsere Diskussionen in der Corona-Pandemie und um das Design von Neustart Kultur unser Blick dafür geschärft wird, dass (Künstler) auch Menschen sind, und ja: die haben auch ne Miete und die werden alt und die haben Kinder. All das müssen wir ein Stück weit mitdenken, wenn wir über die Finanzierung von Kultur nachdenken.”
* In einer ersten Fassung dieser Grafik stand bei der Galerie Boisserée eine falsche Fördersumme von 191.919 Euro. Tatsächlich sind es 119.919 Euro. Wir haben diesen Zahlendreher korrigiert.
** Die Umsatzzahlen in dieser Grafik basieren auf Schätzungen der Firma North Data. Diese nutzt Kennzahlen wie Bilanzsumme, Kassenbestand, Forderungen oder Mitarbeiterzahl aus dem Jahresabschlussbericht einer Firma für eine Schätzung des Umsatzes. Die Firma selbst weist darauf hin, dass die Schätzung wie jedes statistische Verfahren fehlerbehaftet sei. Bei der Galerie Esther Schipper haben wir die North Data-Schätzung durch eigene Angaben der Galerie ersetzt. Den Umsatz für 2018 schätzt North Data auf 30 Mio. Euro, die Galerie gibt ihn mit 17,7 Mio. Euro an; den Umsatz für 2019 schätzt North Data auf 32 Mio. Euro, die Galerie gibt ihn mit 16,7 Mio. Euro an; den Umsatz für 2020 schätzt North Data auf 32 Mio. Euro, die Galerie gibt ihn mit 12,7 Mio. Euro an.