Digitale Ethik für Kinder

"Es geht um das Menschsein im Netz"

07:44 Minuten
Ein Kind liegt mit einem Handy im Bett und schaut auf den Bildschirm.
Kinder lernen den Umgang mit digitalen Medien am besten an Beispielen, sagt die Rektorin Silke Müller. © picture alliance / photothek / Ute Grabowsky
Silke Müller im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 10.11.2022
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Der Ton im digitalen Raum wird immer rauer und radikaler. Vor allem Kinder müssen darauf kompetent vorbereitet werden, fordert die Rektorin Silke Müller. Eine Netiquette zu erlernen reiche nicht, betont sie. Nötig sei eine digitale Ethik.
"Wir verlieren unsere Kinder": So hat die Rektorin Silke Müller ihren Vortrag auf dem derzeit stattfindenden Deutschen Schulleitungskongress in Düsseldorf betitelt. Sie zielt damit auf die weit verbreitete Verlorenheit von Schülerinnen und Schülern im digitalen Raum. Gleichzeitig spricht sie sich für die Aneignung eines "digitalen Grundethos" aus.
Müller leitet die Waldschule im niedersächsischen Hatten und wurde vor einem Jahr zur Digitalbotschafterin des Bundeslandes ernannt. Es gehe nicht darum, die Kreidetafel durch ein Tablet zu ersetzen, sagt sie und kritisiert: "Wir verwechseln Digitalisierung zu oft mit Technisierung."
Eine technische Ausstattung der Kinder sieht sie dennoch als Grundvoraussetzung. "Als Arbeitnehmer frage ich meinen Chef auch nicht, ob ich zweimal wöchentlich im Computerraum arbeiten darf", führt sie aus: "Ich kann Unterricht nicht mehr so gestalten wir vor zwanzig Jahren."
Porträt von Silke Müller
Silke Müller ist Digitalexpertin, Rektorin und erste Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen.© privat
"Wir hätten schon weit vor Corona den Fokus auf Digitalisierung legen müssen", betont Müller. Kinder müssten kompetent auf den digitalen Raum vorbereitet werden.

Eine Netiquette reicht nicht

"Kinder brauchen IT-Kompetenzen, sie brauchen ein Grundverständnis für künstliche Intelligenz und eine Grundeinstellung zu digitaler Ethik", so die Rektorin. Es gebe eine Verrohung im Internet, der Ton werde rauer und radikaler, besonders in den sozialen Netzwerken. Und die Kinder bewegten sich dort ohne Begleitung. Daher gehe es um mehr als nur um "das Erlernen einer Netiquette".
Kinder lernen Müller zufolge am besten an Beispielen. Sie sei daher methodisch dazu übergegangen, den Kindern Gewissensfragen anhand von Fallschilderungen zu stellen, berichtet sie.
Da geht es dann beispielsweise um Partyvideos, die ohne Einverständnis auf TikTok gepostet werden. Dass es nicht in Ordnung ist, Menschen in entwürdigenden Situationen zu zeigen, verstehen die Kinder, sagt Müller. "Digitale Ethik ist mehr, als zu sagen: 'Das darfst du und das nicht.' Es geht um ein Menschsein im Netz", so die Digitalbotschafterin.
(lsc)
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