Kommentar zum PEN Berlin

Schäbiger und verächtlicher geht es nicht

Eva Menasse und Deniz Yücel stehen im Garten des Literaturhauses Berlin und lächeln sich an.
Sie sind die bekanntesten Köpfe des PEN Berlin: Eva Menasse und Deniz Yücel im Juni 2022 vor dem Literaturhaus Berlin. © picture alliance / dpa / Christoph Soeder
Ein Kommentar von Carsten Hueck · 08.12.2023
Eva Menasse vom PEN Berlin spricht von "Hysterie" und "Gesinnungsschnüffelei" im Kontext der Nahostkonflikt-Debatte. Das schade der Autorenvereinigung, meint Carsten Hueck - und empfiehlt weniger Herablassung und selbstgerechten Furor.
„Mit dem Kopf durch die Wände“ – so lautet das Motto des am 16. Dezember stattfindenden Kongresses des PEN Berlin. Krach gibt es jetzt schon. Denn in den letzten Tagen haben mehrere Mitglieder, unter ihnen die Schriftstellerinnen Julia Franck und Anna Prizkau wie auch der Historiker Ernst Piper, den PEN Berlin verlassen. Das sieht nach ersten Abrissarbeiten aus – erst eineinhalb Jahre, nachdem der Verein sich so hoffnungsfroh gegründet hatte.
Kopf des PEN Berlin ist ein sogenanntes Board von Autorinnen und Autoren, als deren Sprecher Deniz Yücel und Eva Menasse fungieren – Yücel temperamentvoll direkt, Menasse erbarmungslos engagiert.
Selten ist sie um ein scharfes Wort verlegen. Auch wenn die Substanz des Gesagten mitunter darunter leidet. So äußerte Eva Menasse in einem Interview mit der "Berliner Zeitung", dass der PEN-Gedanke BDS-Positionen grundsätzlich ausschließe.
Zum Kongress des PEN Berlin aber ist die britische Schriftstellerin A. L. Kennedy als Festrednerin eingeladen. Die BDS-Unterstützerin hatte vor Jahren schon die Entscheidung des Musikers Nick Cave, auch in Israel aufzutreten, als "moralisch gefährlich" qualifiziert. "Dass sie BDS-Sympathien haben soll, wusste ich nicht und habe es seither nicht nachgeprüft", sagt Eva Menasse.

30 Minuten für das Thema "Israel und Palästina"

Weiß sie denn, wer zur angekündigten Podiumsdiskussion "Israel und Palästina" eingeladen ist? Vier Diskutanten sollen sich zu einem Themenkomplex äußern, der seit mehr als hundert Jahren behandelt wird. Dafür vorgesehen: eine Stunde. Schaut man sich die Namen der ausgewählten vier Personen an, schwant einem, dass sich die Kürze der Veranstaltung vermutlich durch grundsätzliche Einigkeit begründet.*
Ein palästinensischer Verleger und Buchhändler wird dabei sein, der sich unlängst im Buchladen fotografieren ließ – mit Kufiyah, dem traditionellen Palästinensertuch, zu dessen Tragen in den 1930ern Mohammed Amin el-Husseini, Großmufti von Palästina und ein Bewunderer Hitlers, aufgerufen hatte.
Das Palituch ist bis heute ein Zeichen für Nationalismus, Kampfbereitschaft und Anti-Zionismus – und weltweit gerade wieder sehr en vogue. Dennoch beklagt der Buchhändler die geringe Anteilnahme am Leid der Palästinenser.

Verfolgte und Unterdrückte

Mit dabei ist auch Sara El Bubeisi, eine Akademikerin, die von den Palästinensern in Deutschland sagt, sie fühlten sich "entmenschlicht, weil der ganze politische und mediale Diskurs sie als Menschen unsichtbar mache".
Dann ist da noch der in Berlin lebende israelische Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus, der in mehreren überregionalen Medien beklagt, dass es in Deutschland mehr Angst vor Antisemitismus gäbe als tatsächlich antisemitische Vorfälle.
Ebenfalls Israelin ist die Künstlerin Yehudit Yinhar, die einen Boykott jüdischer Menschen in Deutschland beklagt, weil ihr Projekt "unlearning zionism" nicht mit öffentlichen Geldern gefördert wurde.
Alles also Verfolgte und Unterdrückte, um deren Meinungsfreiheit sich der PEN Berlin rührend kümmert. Und was ist mit denen, die aufgrund dieses einseitigen Engagements den PEN Berlin verlassen haben?
"Im Moment bekommt man dafür besonders viel Aufmerksamkeit", sagt Eva Menasse, "15 Minutes of Fame, um einem jungen Verein zu schaden, der bisher in sehr kurzer Zeit wirklich solide kulturpolitische Arbeit geleistet hat."
Die Recherche über Hintergründe geladener Gäste bezeichnet sie als „Gesinnungsschnüffelei“, das „Pro-Israel-Rufen“ in Deutschland versteht sie als Ausdruck „kultureller Hysterie“. Schäbiger und verächtlicher geht es eigentlich nicht.
Der PEN Berlin hat jetzt bereits Schaden genommen. Er wäre gut beraten, auf dem Kongress in der nächsten Woche sich den eigenen Kopf zurechtzurücken, sich nicht an Wänden abzuarbeiten, sondern Türen zu öffnen: für weniger Herablassung, weniger selbstgerechten Furor, weniger Arroganz im Umgang mit denen, die bezüglich Israel nicht die Meinung Eva Menasses und manch anderer teilen.

(*) Redaktioneller Hinweis: Die Dauer der Podiumsdisskussion beträgt nicht wie ursprünglich angegeben eine halbe, sondern eine ganze Stunde.

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