Gefahr eines Nuklearkrieges

Medien haben eine große Verantwortung

15:05 Minuten
Illustration eines Laptop auf dessen Bildschirm Raketen zu sehen sind
Journalisten und Journalistinnen können ihr Publikum in dieser schwierigen Bedrohungslage ruhig darauf hinweisen, dass sie auch gerade keine Antworten haben, so Georg Mascolo. © Getty Images / iStockphoto / Blablo101
Georg Mascolo im Gespräch mit Vera Linß und Marcus Richter · 29.10.2022
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Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die atomare Bedrohung eine neue Dimension bekommen. Gerade weil das ein so komplexes Thema ist, hätten die Medien eine noch höhere Verantwortung als sonst, sagt der Journalist Georg Mascolo.
Unmittelbar vor dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres warnte der russische Präsident Wladimir Putin vor einer Einmischung westlicher Staaten. Seitdem wird von russischer Seite die nukleare Angst in der Welt geschürt. Doch welche Informationen über Atomwaffen und mögliche atomare Vergeltungsmaßnahmen sind valide, verifiziert und dienen nicht nur als Propagandainstrument einer Staatsmacht?
In dieser komplexen Gemengelage komme den Medien eine ganz besondere Rolle zu, sagt der Journalist Georg Mascolo. Denn der Blick in die Vergangenheit zeige, dass nukleare Fragen der höchsten Geheimhaltung unterliegen und diesbezüglich „Bluff und Täuschung“ stets dazugehörten.
Wenn man in die großen nuklearen Krisen seit 1945 zurückschaue, sehe man, dass vieles, was damals vermutet und worüber berichtet wurde, anders gewesen sei, sagt Georg Mascolo. „Deswegen gilt es, sich immer bewusst zu sein, dass über dieses Feld zu berichten einfach stetig eine besondere Herausforderung ist, weil man es mit so viel Unwissenheit zu tun hat.“

Eine „ganz besondere nukleare Krise“

Die aktuelle Situation sei eine „ganz besondere nukleare Krise“, weil sie aus zwei gleichrangigen Herausforderungen bestehe: Zum einen versuchten westliche Staaten eine große militärische Auseinandersetzung mit Russland zu verhindern. Zum anderen sehe man sich einer nuklearen Erpressung des russischen Präsiden ausgesetzt, mit der man Putin nicht davonkommen lassen dürfe: „Weil man sich nicht vorstellen mag, wie die Welt aussehen würde, wenn ein solcher Präzedenzfall Erfolg hätte.“
In dieser Gemengelage auf mögliche Risiken hinzuweisen, Menschen gleichzeitig aber nicht in Panik zu versetzten, sei nun außerordentlich schwierig. „Hierin sehe ich die entscheidende Aufgabe der Medien, mit eben dieser Ungewissheit und dieser Unwissenheit umzugehen. Dies ist in der Berichterstattung auch zu betonen.“

Die Aufgaben des Journalismus

Nach Meinung von Georg Mascolo gehört es auch zu der „entscheidenden journalistischen Aufgabe“, den Menschen klarzumachen, in welch einem schwierigen Abwägungsprozess westliche Regierungen seit Beginn des Krieges stehen.
„Es lohnt jedenfalls, darauf hinzuweisen, dass Journalismus, genauso wie die Politik, in dieser schwierigen Lage die Antworten auf die schwierigsten Fragen schuldig bleiben muss – und dass auch ein Journalismus nicht hilft, der ständig mit tatsächlichen oder vermeintlichen Gewissheiten operiert.“

Vor dem russischen Angriffskrieg sei das Thema Nuklearpolitik ein Nischenthema in der öffentlichen Debatte gewesen, sagt Lydia Wachs von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das habe sich in den letzten Monaten stark geändert. Mit Beginn des Krieges sei man in Deutschland erst einmal aufgewacht und habe nachholen müssen, dass es immer noch eine Welt mit Nuklearwaffen gibt, so der Eindruck von Wachs. Die Wissenschaftlerin plädiert dafür, nicht jede russische Meldung ungeprüft zu übernehmen. Medien sollten mehr hinterfragen und russische Informationen besser einordnen.

Gerade in diesen Herbsttagen müsse man auch sehr bei der Berichterstattung über einen möglichen Einsatz von Atomwaffen aufpassen, so Mascolo, denn sowohl Russland als auch die westlichen Verbündeten führten ihre Herbstmanöver durch.
„Nicht jede Verlegung muss jetzt gleich ein Anhaltspunkt für einen tatsächlichen Einsatz von Waffen sein." Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass das Bluffen und Täuschen, um Angst in westlichen Öffentlichkeiten vor dem Einsatz eines Nuklearkrieges zu verbreiten, Bestandteil in diesem Krieg sei, jedenfalls für die russische Seite.

Die Lüge gehört zur Kriegsführung

Ob angebliche Biowaffen, die in der Ukraine entwickelt werden, oder die Behauptungen über schmutzige oder tatsächliche Atombomben: „Der Einsatz solcher Lügen, ähnlich wie die USA es übrigens im Irak 2001 gemacht haben, die erfundenen Lügen über Massenvernichtungswaffen, sind ein Teil der russischen Strategie, und auch dessen muss man sich bewusst sein.“

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