Marlen Pelny: "Liebe / Liebe"

Debütroman mit Triggerwarnung

10:33 Minuten
Marlen Pelny steht in einer Stadtlandschaft und blickt in die Kamera. Sie hat dunkle, kurze Haare und trägt eine schwarze Jacke und ein schwarzes Oberteil
Marlen Pelny hat fünf Jahre nach einem Verlag gesucht, der "Liebe / Liebe" veröffentlichen wollte. © Mike Auerbach
Marlen Pelny im Gespräch mit Joachim Scholl · 26.11.2021
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Marlen Pelny greift in ihrem Debütroman eines der Themen auf, um das sich aus ihrer Sicht weder gesellschaftlich noch literarisch gekümmert wird. Sexueller Missbrauch in der Familie. Die Lyrikerin findet die Sprache für Sascha, ihre Hauptfigur.
Marlen Pelny ist als Lyrikerin und Musikerin mit ihrer Band "Zuckerklub" bekannt, nun hat sie ihren ersten Roman veröffentlicht: In „ Liebe / Liebe“ schildert sie das Leben von Sascha in verschiedene Phasen: Als Vierjährige, als Teenager, als Managerin im Beruf.

Missbrauch in der Familie

In Saschas Leben ist Liebe zunächst nicht positiv, auf dem Buch steht denn auch eine Triggerwarnung: "Marlen Pelnys Roman konfrontiert dich mit sexueller Gewalt, Kindesmissbrauch und Selbstverletzung."
„Sascha beginnt ihr Leben in einem sehr unangenehmen Umfeld bei ihren Eltern, wo sie im in einem Hochhaus lebt, im zehnten Stock mit ihrer Mutter, die sie eher nicht beachtet und eher anschweigt“, schildert Pelny, die am Leipziger Literaturinstitut studiert hat, die frühe Kindheit ihrer Protagonistin.
Der sexuelle Missbrauch beginnt, als der Vater einzieht. Als die Mutter das mitbekommt, kommt es nicht etwa zum Streit mit dem Vater, vielmehr werden Saschas Koffer gepackt und die wird wortlos beim Großvater abgeladen. Für Sascha zunächst ein Schock, da sie ihn als wenig empathisch in Erinnerung hat.

Brodeln wie eine alte Kartoffelsuppe

Mit der weiteren Entwicklung von Sascha zum Teenie und zur berufstätigen Erwachsenen entwickelt sich auf sehr gelungene Weise auch die Sprache im Buch: „Ich habe schon das Gefühl, dass es ab dem Moment, wo sie ein Teenager wird, auch gewisse Veränderungen sprachlich gibt, weil sie auch – gerade was das Thema betrifft, was ihr alles widerfahren ist – irgendwann mal Worte findet, die sie am Anfang nicht hatte."
Zum Motiv, genau diesen Roman zu schreiben, sagt Pelny, es habe gebrodelt: „So vergleichbar mit einer Kartoffelsuppe, die in irgendeiner Alten-WG mal gekocht wurde. Und dann wurde sie vergessen. Und dann steht der Rest da ewig auf dem Herd rum und gammelt vor sich hin. Niemand will ihn anrühren, niemand will es mehr essen. Aber es ist so wichtig, diesen Topf zu nehmen und was damit zu tun, sich darum zu kümmern.“

Leerstelle in der Literatur

Es mache sie „wahnsinnig rasend, wie in dieser Gesellschaft mit den Themen sexuellem Missbrauch, mit Femiziden, und so weiter umgegangen wird, gerade, wenn es um Privathaushalte geht. Es ist absurd, dass sich einfach niemand darum kümmert, weder gesellschaftlich noch literarisch“, sagt Pelny.
Wenn man so wolle, war der Weg zur Veröffentlichung des Romans vergleichbar mit dem Umgang mit diesen Themen gewesen: „Weil ich fünf Jahre lang gesucht habe nach einem Verlag, der diesen Text veröffentlichen möchte.“
(mfu)

Marlen Pelny: „Liebe /Liebe“
Haymon Verlag, Innsbruck 2021
216 Seiten, 19,90 Euro

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