Leipzig las und gab sich populär

Von Dirk Fuhrig |
Mit 108.000 Besuchern und einem Zuwachs von sechs Prozent hat die Leipziger Buchmesse einen neuen Besucherrekord erzielt. Die Stimmung bei den Buchverlagen war gelöst wie selten. Die Messe entwickelt sich außerdem zum wichtigsten Treffpunkt für den Hörbuch-Sektor.
Rap: " Was ist los in Leipzig? … Bevor ich mich noch mehr stresse, es ist schön hier in Leipzig auf der Buchmesse. "

Die Rapper - hoch zufrieden mit den Leipziger Büchertagen. Kein Wunder: Die Stände fürs jugendliche Publikum waren durchgängig dicht umlagert. Ob Slam Poetry von Nachwuchsdichtern oder, besonders beliebt, die Präsentationen aus der Comic-Literatur. Über den Zuspruch der Schulklassen konnte sich die Messe wieder einmal nicht beklagen.

Dichte Programmfolge nicht nur auf dem Comic-Podium. Auch sonst auf der Messe und in der Stadt folgte in schnellem Rhythmus eine Veranstaltung auf die nächste – rund 1500 insgesamt, verteilt auf fünf Tage. Besonders viele Hörbuch-Tage (und -Nächte) diesmal – ein deutliches Indiz dafür, dass Leipzig den Trend zum Hörbuch im Blick hat.

Die Messe ist auf dem besten Weg, sich zum wichtigsten Treffpunkt für diesen Sektor zu entwickeln. Hörbuch-Zentrum Leipzig - damit kann sich die Messe auch in Zukunft behaupten. Denn die sensationellen, auch medial gehypten Buchvorstellungen - Prominentenbiografien oder internationale Bestseller - gehen wohl auch künftig an Leipzig vorüber. Der einzige bedeutendere ausländische Medienstar war diesmal Charles Aznavour mit seinen Lebenserinnerungen.

Dieter Schormann, Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels: " Das liegt am Markt. Die großen, ganz wichtigen Neuerscheinungen finden in der Regel im Herbst statt. Wir haben immer ein etwas schwächeres Frühjahrsprogramm, das hat nicht unbedingt etwas mit einer schwächeren Qualität zu tun, sondern hat mit der Vorbereitung des Marketings zu tun, so dass die Bücher, die im Frühjahr erscheinen, oft im Herbst nicht mehr so die große Nachfrage haben. Aber richtig ist, hier könnte noch etwas mehr getan werden. Man könnte noch etwas mehr Prominenz einladen auf die Messe. Aber da der Börsenverein ideeller Träger ist, ist das nicht unsere Aufgabe, sondern das wird die Messeleitung für sich in der entsprechenden Aufarbeitung feststellen."

Manches hat sich dieses Mal bereits getan. Die Verleihung des "Leipziger Bücherpreises zur europäischen Verständigung" gleich am ersten Abend im Gewandhaus - an die Kroatin Slavenka Drakulic - hatte einen deutlichen Akzent gesetzt. Zu nennen sind auch der erstmals vergebene deutsch-französische Jugendbuchpreis, der internationale Kongress für Literarisches Schreiben, die Zusammenarbeit der Messe mit dem Auswärtigen Amt oder die sehr gelungene Vorab-Präsentation der Literatur Koreas, das im Herbst in Frankfurt als "Gastland" antreten wird.

Leipzig wird internationaler, bestätigt auch Dieter Schormann:

" Die Brücke zu Osteuropa, die im vergangenen Jahr erhofft worden ist, die zeigt sich hier auch mit den vielfältigen Einzelständen, nicht nur, dass es Gruppenstände sind. Auch hier kann man eben sehen, dass es wichtig ist, dass Leipzig gewählt werden kann als erster Spielort für Osteuropa. Wir haben die Isrealis hier, Österreich hier, die Schweiz, zum ersten Mal in einer gemeinschaftlichen Ausstellung die nordischen Länder. Internationale Satelliten werden sich sicherlich auch in den nächsten Jahren hier noch verstärken."

Leipzig konnte sich aber auch "innerdeutsch" gut behaupten. Dass die "Lit-Cologne", der Lese-Marathon in Köln, schon zum wiederholten Mal ausgerechnet direkt parallel zu den Leipziger Büchertagen stattfand, hat höchstens dazu geführt, dass einige Autoren - darunter Jenny Erpenbeck, Eva Menasse oder die Gewinnerin des "Preises der Leipziger Buchmesse", Terézia Mora - zwischen Rhein und Sachsen shutteln mussten. Trotzdem wäre es natürlich klüger, wenn die Organisatoren der beiden großen Bücher-Veranstaltungen ihre Eitelkeiten zurückstellen könnten und es endlich schaffen würden, sich besser abzustimmen.

"Wir sind das Buch" - der neue Slogan der Leipziger Messe wirkt zwar etwas ungelenk und angestrengt. Unangestrengt gaben sich jedoch die Buchverlage, die nach einer langen Zeit der Dürre wieder etwas gelöster in die Zukunft blicken. Die Umsätze sind dabei, sich zu stabilisieren, die Aussichten sind nicht mehr ganz so trübe. Die Stimmung - jenes zarte, anfällige Pflänzchen, das in der Buchbranche so wichtig genommen wird - war in Leipzig, auch ohne die vielen rauschenden Verlagsfeste, wie sie während der Frankfurter Messe üblich sind, entspannt und gelöst wie selten.

In Leipzig werden kaum Geschäfte gemacht. In Leipzig wird gelesen. Und in Leipzig gibt es Ausblicke auf künftige literarische Ereignisse. Zum Beispiel auf das kulturelle Beiprogramm zur Fußball-WM im nächsten Jahr. Der Verbund der Literaturhäuser in Deutschland bringt im Sommer Fußball-Poesie in die Stadt.

" Es sind die großen philosophischen Weisheiten, die von Sepp Herberger, (...) den Dichtern als Anregung mit auf den Weg gegeben. "

…, sagt Rainer Moritz vom Literaturhaus Hamburg. Acht deutschsprachige Autoren meditieren über Ballsport-Lyrik, die dann auf riesigen Plakaten in allen Städten zu lesen sein wird. Ulrike Draesner gab schon Kostproben:

" Man kann mit den Sätzen Anagramme bilden. Man nimmt die Buchstaben und baut neue Wörter draus. Aus "der Ball ist rund" wird "drill den Braus", das ist natürlich ein sehr guter Satz für das allgemeine und spezielle Fußballtraining."

Leipzig las. Leipzig dichtete. Leipzig gab sich populär.
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