Christoph Butterwegge: „Die polarisierende Pandemie“

Arme ärmer, Reiche reicher

06:22 Minuten
Cover von Christoph Butterwegges Buch "Die polarisierende Pandemie"
© Beltz

Christoph Butterwegge

Die polarisierende Pandemie. Deutschland nach CoronaBeltz Juventa, Weinheim 2022

250 Seiten

19,95 Euro

Von Susanne Billig · 16.09.2022
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Die Coronapandemie hat soziale Gräben vertieft. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge möchte in seinem neuen Buch zeigen: Das hätte sich, politischen Willen vorausgesetzt, verhindern lassen.
Als in der Corona-Pandemie weiterführende Schulen zeitweise geschlossen wurden, waren viele Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrern jäh isoliert. Monatelang, so schreibt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge in seinem neuen Buch „Die polarisierende Pandemie“, hätten Jobcenter es abgelehnt, die Kosten für Tablets oder Computer für den digitalen Unterricht zu übernehmen. Erst Sozialgerichte mussten sie dazu zwingen.

Schmerzhaft präzise

Deutschlands bekanntester Armutsforscher buchstabiert in seinem Buch schmerzhaft präzise aus, was die Pandemie für ärmere Bevölkerungsschichten bislang bedeutet hat. Zu Beginn lässt der Autor die Seuchen der Vergangenheit und deren desaströsen sozialen Folgen Revue passieren und widmet sich dann einer Chronologie der Corona-Pandemie.
Alles zieht noch einmal vorüber: die Verwirrung zu Beginn, Kämpfe für und gegen die Maskenpflicht, Korruption und Bereicherung im Namen des Bevölkerungsschutzes, der Umgang mit Menschen in Pflegeeinrichtungen, mit Kindern in Schulen, mit der arbeitenden Bevölkerung in Büros, Fabriken, Landwirtschaft, die Auseinandersetzungen um die Impfung. Anschließend betrachtet das Buch die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen im Detail und skizziert schließlich, welche Lehren aus Sicht der Armutsforschung zu ziehen wären.

„Die“ Jugendlichen gibt es nicht

Christoph Butterwegge ist kein Querdenker und lässt keinen Zweifel: Wenn eine hochansteckende, potentiell schwerwiegende Krankheit grassiert, ist es sinnvoll, dass Menschen Abstand zueinander halten und dies nötigenfalls auch staatlich durchgesetzt wird. Gleichzeitig richtet er sein Augenmerk hartnäckig auf die massiven sozialen Unwuchten in diesem Geschehen.
„Die“ Jugendlichen, „die“ Alten, „die“ Pflegebedürftigen, „die“ Eltern habe es niemals gegeben, betont der Autor und belegt beeindruckend, welchen Unterschied es gemacht hat, in Zeiten der Maskenpflicht für Masken kein Geld zu haben oder als Alleinerziehende in prekärem Beschäftigungsverhältnis mit mehreren Kindern dazustehen, die auf einmal nicht mehr in die Schule gehen konnten. Gleichzeitig haben die weltweit zehn reichsten Personen ihr kumuliertes Vermögen seit Beginn der Pandemie um fast 80 Prozent steigern können, unterstreicht der Politologe.

Sperrig, aber überzeugend

Ja, es habe Hilfspakete gegeben, erkennt Christoph Butterwegge an. Doch bei den wirklich Bedürftigen sei zu wenig davon angekommen. Dass Olaf Scholz in seinen 19-köpfigen Corona-Expertenrat keine einzige Fachperson aus den Erziehungs-, Kultur- oder Sozialwissenschaften berufen hat, zeigt das ganze Ausmaß der Blindheit gegenüber dem Umstand, dass eine Pandemie nicht nur eine medizinische, sondern immer auch eine soziale Großkatastrophe darstellt.
Kein Datum, keine Sachlage, keine Zahl bleibt bei Christoph Butterwegge ohne Herleitung oder Quellenhinweis im fortlaufenden Text. Das macht die Lektüre mitunter sperrig, aber auch intensiv und überzeugend. Leider macht der politische Umgang mit der aktuellen Energiekrise wenig Hoffnung, dass sich die umfassende sozialstaatliche Transformation anbahnt, die der Autor im Schlussteil anmahnt.

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