Ein Eulenschiss gab den Ausschlag
In einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern steht ein Schloss, das vor allem für seine Konzertscheune berühmt ist: Ulrichshusen. Verantwortlich dafür ist Helmuth von Maltzahn, dessen Familie das Schloss ein besaß - bis er es kaufte, renovierte und der Kultur dienlich machte.
Zufall: Helmuth von Maltzahn betritt morgens, leicht fröstelnd, die Hände in den Taschen, das Restaurant "Am Burggraben" und die ersten Töne von Mozart Klarinettenkonzert dringen durch den leeren Speisesaal. Kein Zufall: Der Körper des 62-Jährigen strafft sich, er schleicht nicht mehr, sondern schreitet über den Kachelboden. Die Hände kommen aus den Taschen. Aus Freiherr von Maltzahn, gerade noch der müde Landadlige wird der "muntere Kulturadlige", wie ihn eine Zeitung beschrieb. Alles wegen Mozart und seinem Klarinettenkonzert, so was wie die Familienfanfare derer von Maltzahn:
"Völlig richtig und ich muss sagen, auch heute noch kriege ich eine Gänsehaut wenn ich es höre. Auf der Hochzeit unserer Tochter wurde es gespielt und es begleitet uns durch unser Leben."
Vor allem das neue Leben des Guts- und Schlossbesitzers aus Mecklenburg-Vorpommern. Früher verantwortete er den internationalen Duty-Free-Handel für Parfüme, jetzt ist seine Welt deutlich kleiner geworden, aber "lebendiger als alles was ich vorher gemacht habe." Kaum zu glauben, wer Ulrichshusen zum ersten Mal sieht. Zwei Dutzende Häuser, ein See mit Badesteg, zwei Scheunen und das Schloss - ein Renaissancebau mit mittelalterlichem Ursprung. Nicht wirklich schön, aber wuchtig, herrschaftlich auf einem kleinen Hügel stehend.
"Na ja, Ulrichshusen ist das älteste noch existierende Haus unserer Familie, gebaut 1560 und damit 60 Jahre vor dem 30-jährigen Krieg."
Die langsame Rückkehr des Freiherrn begann 1990. Ein erster Besuch in Ulrichshusen. Das Wetter schlecht, die Stimmung während der Fahrt von Frankfurt: aufgeräumt. Die Erwartungshaltung offen; der Anblick des Familienschlosses eine Katastrophe: ein Schuttberg; die Außenwände nur noch Skelette. Eine Eule sorgte für die Entscheidung.
"Es ist keine Legende, ist tatsächlich wahr. Sozusagen ein Himmelszeichen. Das passiert, als wir nach der Wende 1990 zusammen mit meiner Familie, meine Mutter, meine Frau und die Kinder hier zum ersten Mal herkamen, wüst und leer. Wie durch einen Urwald durch kamen wir dann an die Ruine und die war ausgebrannt. Ich lief in das Haus rein und voller Begeisterung kam ich wieder raus und die Kinder schrien, Papi, Papi guck mal auf deine Schulter, da hat dir eine Eule auf die Schulter geschissen."
Helmut von Maltzahn lacht dabei, laut und lang und drückt sich dabei tief in den Holzstuhl des Restaurants. Er, der gewiefte Geschäftsmann trifft eine Millionen-Euro-Entscheidung auf der Grundlage eines Vogelschisses. Er lacht immer noch, vielleicht weil aus der abenteuerlichen Entscheidung ein großer Erfolg geworden ist. Drei Jahre später kaufte die Familie das Schloss. Die Familie, Ehefrau Atta und zwei Töchter, zogen von Hessen in die mecklenburgische Schweiz und bauten das Schloss wieder auf - zur Überraschung der Einwohner, die anfangs alles andere als begeistert waren, dass die Junker-Familie wieder zurück kam.
""Also sicherlich back to the routs, eindeutig. Zweitens mit dabei sein, beim Aufbau und hier in MV irgendwie Fuß zu fassen, anzupacken und dann etwas vielleicht auch Außergewöhnliches zu machen."
Nur, was mit dem Schloss anfangen, das von vornherein als Wohnsitz nie vorgesehen war. "Aktionen im und für den ländlichen Raum", so was schwebte von Maltzahn vor, der schon - in seinen Träumen - die Besucherströme aus Hamburg und Berlin nach Ulrichshusen sah. Kultur wurde das Schlüsselwort:
"So eine Idee hat man nicht am Anfang. Das geht Schritt für Schritt und dann kam die Idee mit den Festspielen MV eng zusammenzuarbeiten. Und das war dann auch der Anfang in dem wir gemeinsam ein wunderbares Konzert konzipierten und für den Sommer 1994."
Die alte Feldscheune, voll mit Gerümpel und schiefem Dach - ein Konzertsaal ? Mit Stargästen? Wieder so ein Moment, bei dem der Freiherr lacht und sich vermutlich am liebsten auf die Schenkel schlagen möchte. Aber es nicht tut. Contenance. Im Sommer 1994 spielte Yehudi Menuhin mit dem London Symphony Orchestra in der Scheune, durch die damals der Wind zog und das Dach noch Löcher hatte. Bescheidenheit ist für Helmut von Maltzahn bei der Verwirklichung seiner Träume keine Zier.
"Don't think small, sagt man, think big. Das ist vielleicht auch ein gewisses Motto, könnte ein gewisses Motto sein, auch von mir. Aber es musste damals unbedingt eine Aufmerksamkeit her, denn Ulrichshusen war wirklich im Schatten des Ganzen und man kam kaum hin und deshalb mussten wir unbedingt die Herzen aller gewinnen."
Beim ersten Konzert dirigierte Menuhin die Fünfte von Schubert und "rein zufällig" das Klarinettenkonzert von Mozart. Mehr Glück ging nicht für die Maltzahns, denn das Konzert war ausverkauft und Ulrichshusen ab sofort in allen Medien:
Die letzten Töne des Konzerts verklingen im Speisesaal des ehemaligen Pferdeschuppens. Still wird es nicht. Das Handy klingelt, immer wieder neue Gesprächspartner. Er baut aus einem alten Gutshof ein Hotel, dazu noch ein weiteres ehemaliges Maltzahn-Schloss, das noch denkmaltechnisch untersucht wird. Er kann nicht aufhören, er will es schon gar nicht:
"Einfach weitermachen. Mit weiter aufräumen und mithelfen. Einfach Kulturschätze, die hier im Verborgenen liegen. Das ist in erster Linie Ulrichshusen gewesen. Dann haben wir ein weiteres Haus. Wir muss ich sagen, mehr ich als meine Frau, die kam dann später, halb zog sie ihn, halb sank er hin, nach dem Motto. Mit Gützkow bei Altentreptow und ich glaube, dass sind so die Schritte."
Ulrichshusen ist heute das Herzstück der Musikfestspiele von Mecklenburg-Vorpommern. Dutzende Konzerte, Lesungen und Ballettaufführungen sind heute Bestandteil dieses ländlichen Kulturbetriebes. 50.000 Besucher kommen jedes Jahr im Sommer in das Dorf mit der Konzertscheune - mit steigender Tendenz. Maltzahn selbst hat inzwischen zirka zehn Millionen Euro in den Kulturbetrieb investiert. Weitere sollen folgen. Ein "Freund der Kunst", das hört der Freiherr gerne, "Kunstmäzen" findet er dagegen ein "furchtbares Wort."
"Erstens heißt das, dass ich ein Füllhorn von Geld haben soll. Das habe ich nicht. Ich habe vielleicht Ideen, persönliche Kraft, aber sonst muss man sehr vorsichtig mit dem Geld umgehen und zweitens auch mit den Kräften. Ich bin kein Mäzen."
Dann lacht Helmut von Maltzahn wieder voll Stolz, wie ein Mensch der Geschichte liebt und längst selbst Geschichte schreibt. Und das weit mehr, als nur ein weiteres Kapital im Stammbuch der Maltzahns, die schon seit Jahrhunderten in Mecklenburg-Vorpommern leben. Dann geht er. Und schnell verbreitet sich wieder die mecklenburgische Seelenruhe rund um das Schloss.
"Völlig richtig und ich muss sagen, auch heute noch kriege ich eine Gänsehaut wenn ich es höre. Auf der Hochzeit unserer Tochter wurde es gespielt und es begleitet uns durch unser Leben."
Vor allem das neue Leben des Guts- und Schlossbesitzers aus Mecklenburg-Vorpommern. Früher verantwortete er den internationalen Duty-Free-Handel für Parfüme, jetzt ist seine Welt deutlich kleiner geworden, aber "lebendiger als alles was ich vorher gemacht habe." Kaum zu glauben, wer Ulrichshusen zum ersten Mal sieht. Zwei Dutzende Häuser, ein See mit Badesteg, zwei Scheunen und das Schloss - ein Renaissancebau mit mittelalterlichem Ursprung. Nicht wirklich schön, aber wuchtig, herrschaftlich auf einem kleinen Hügel stehend.
"Na ja, Ulrichshusen ist das älteste noch existierende Haus unserer Familie, gebaut 1560 und damit 60 Jahre vor dem 30-jährigen Krieg."
Die langsame Rückkehr des Freiherrn begann 1990. Ein erster Besuch in Ulrichshusen. Das Wetter schlecht, die Stimmung während der Fahrt von Frankfurt: aufgeräumt. Die Erwartungshaltung offen; der Anblick des Familienschlosses eine Katastrophe: ein Schuttberg; die Außenwände nur noch Skelette. Eine Eule sorgte für die Entscheidung.
"Es ist keine Legende, ist tatsächlich wahr. Sozusagen ein Himmelszeichen. Das passiert, als wir nach der Wende 1990 zusammen mit meiner Familie, meine Mutter, meine Frau und die Kinder hier zum ersten Mal herkamen, wüst und leer. Wie durch einen Urwald durch kamen wir dann an die Ruine und die war ausgebrannt. Ich lief in das Haus rein und voller Begeisterung kam ich wieder raus und die Kinder schrien, Papi, Papi guck mal auf deine Schulter, da hat dir eine Eule auf die Schulter geschissen."
Helmut von Maltzahn lacht dabei, laut und lang und drückt sich dabei tief in den Holzstuhl des Restaurants. Er, der gewiefte Geschäftsmann trifft eine Millionen-Euro-Entscheidung auf der Grundlage eines Vogelschisses. Er lacht immer noch, vielleicht weil aus der abenteuerlichen Entscheidung ein großer Erfolg geworden ist. Drei Jahre später kaufte die Familie das Schloss. Die Familie, Ehefrau Atta und zwei Töchter, zogen von Hessen in die mecklenburgische Schweiz und bauten das Schloss wieder auf - zur Überraschung der Einwohner, die anfangs alles andere als begeistert waren, dass die Junker-Familie wieder zurück kam.
""Also sicherlich back to the routs, eindeutig. Zweitens mit dabei sein, beim Aufbau und hier in MV irgendwie Fuß zu fassen, anzupacken und dann etwas vielleicht auch Außergewöhnliches zu machen."
Nur, was mit dem Schloss anfangen, das von vornherein als Wohnsitz nie vorgesehen war. "Aktionen im und für den ländlichen Raum", so was schwebte von Maltzahn vor, der schon - in seinen Träumen - die Besucherströme aus Hamburg und Berlin nach Ulrichshusen sah. Kultur wurde das Schlüsselwort:
"So eine Idee hat man nicht am Anfang. Das geht Schritt für Schritt und dann kam die Idee mit den Festspielen MV eng zusammenzuarbeiten. Und das war dann auch der Anfang in dem wir gemeinsam ein wunderbares Konzert konzipierten und für den Sommer 1994."
Die alte Feldscheune, voll mit Gerümpel und schiefem Dach - ein Konzertsaal ? Mit Stargästen? Wieder so ein Moment, bei dem der Freiherr lacht und sich vermutlich am liebsten auf die Schenkel schlagen möchte. Aber es nicht tut. Contenance. Im Sommer 1994 spielte Yehudi Menuhin mit dem London Symphony Orchestra in der Scheune, durch die damals der Wind zog und das Dach noch Löcher hatte. Bescheidenheit ist für Helmut von Maltzahn bei der Verwirklichung seiner Träume keine Zier.
"Don't think small, sagt man, think big. Das ist vielleicht auch ein gewisses Motto, könnte ein gewisses Motto sein, auch von mir. Aber es musste damals unbedingt eine Aufmerksamkeit her, denn Ulrichshusen war wirklich im Schatten des Ganzen und man kam kaum hin und deshalb mussten wir unbedingt die Herzen aller gewinnen."
Beim ersten Konzert dirigierte Menuhin die Fünfte von Schubert und "rein zufällig" das Klarinettenkonzert von Mozart. Mehr Glück ging nicht für die Maltzahns, denn das Konzert war ausverkauft und Ulrichshusen ab sofort in allen Medien:
Die letzten Töne des Konzerts verklingen im Speisesaal des ehemaligen Pferdeschuppens. Still wird es nicht. Das Handy klingelt, immer wieder neue Gesprächspartner. Er baut aus einem alten Gutshof ein Hotel, dazu noch ein weiteres ehemaliges Maltzahn-Schloss, das noch denkmaltechnisch untersucht wird. Er kann nicht aufhören, er will es schon gar nicht:
"Einfach weitermachen. Mit weiter aufräumen und mithelfen. Einfach Kulturschätze, die hier im Verborgenen liegen. Das ist in erster Linie Ulrichshusen gewesen. Dann haben wir ein weiteres Haus. Wir muss ich sagen, mehr ich als meine Frau, die kam dann später, halb zog sie ihn, halb sank er hin, nach dem Motto. Mit Gützkow bei Altentreptow und ich glaube, dass sind so die Schritte."
Ulrichshusen ist heute das Herzstück der Musikfestspiele von Mecklenburg-Vorpommern. Dutzende Konzerte, Lesungen und Ballettaufführungen sind heute Bestandteil dieses ländlichen Kulturbetriebes. 50.000 Besucher kommen jedes Jahr im Sommer in das Dorf mit der Konzertscheune - mit steigender Tendenz. Maltzahn selbst hat inzwischen zirka zehn Millionen Euro in den Kulturbetrieb investiert. Weitere sollen folgen. Ein "Freund der Kunst", das hört der Freiherr gerne, "Kunstmäzen" findet er dagegen ein "furchtbares Wort."
"Erstens heißt das, dass ich ein Füllhorn von Geld haben soll. Das habe ich nicht. Ich habe vielleicht Ideen, persönliche Kraft, aber sonst muss man sehr vorsichtig mit dem Geld umgehen und zweitens auch mit den Kräften. Ich bin kein Mäzen."
Dann lacht Helmut von Maltzahn wieder voll Stolz, wie ein Mensch der Geschichte liebt und längst selbst Geschichte schreibt. Und das weit mehr, als nur ein weiteres Kapital im Stammbuch der Maltzahns, die schon seit Jahrhunderten in Mecklenburg-Vorpommern leben. Dann geht er. Und schnell verbreitet sich wieder die mecklenburgische Seelenruhe rund um das Schloss.