Bandagenhersteller als biblische Gestalt

Von Hilde Weeg · 22.08.2010
Wer heute die Dreieinigkeitskirche in Zeulenroda betritt, der kann kaum glauben, dass dieser strahlende Kirchenraum noch in den 90er-Jahren vor dem Abriss stand. 14 Jahre hat die Renovierung von Dach, Orgel und Innenraum gedauert.
Höhepunkt: Das Anbringen eines modernen Freskos durch den Altenburger Maler Tilman Kuhrt im Jahr 2005. Modern, lebensgroß und in Pastelltönen sind die zwölf Apostel dargestellt und Szenen aus dem Neuen Testament. Einige der Figuren tragen die Gesichtszüge lebender Personen:

"Das ist der Putzer"."

Der Hausmeister der Kirche, Thomas Bückert, weist auf eine Personengruppe an der rechten Seitenwand.
""Dann kommt der Herr Bauerfeind, und der Dritte in der Reihe ist der Künstler, der Vierte ist dem Tilman Kuhrt sein Lehrer – und die Frau um die Ecke ist seine Mutter…"

Nach alter Tradition hat sich der Künstler selbst verewigt und andere gleich mit - Hans Bruno Bauerfeind zum Beispiel, den Stifter. Ohne ihn hätte es weder Renovierung noch Fresko gegeben. Michael Behr, seit 1982 hier Pfarrer, weiß das sehr genau.

"Herr Bauerfeind hat mir zu Weihnachten 2004 einen Scheck über 250.000 Euro in die Hand gedrückt und gesagt: 'Machen Sie was draus.' Das war ein Weihnachten, sage ich Ihnen! Die vielen Dienste, die ich hatte … das war, als hätte ich‘s persönlich geschenkt gekriegt. So hab ich mich darüber gefreut. Weil ich gespürt habe: Jetzt geht’s los."

Insgesamt hat Bauerfeind 500.000 Euro gespendet, für die Kirche, in der er selbst 1940 getauft wurde - die Hälfte der gesamten Kosten. Aber das ist nur eine von vielen Stellen, an denen der Medizintechnik-Unternehmer in der ostthüringischen Provinzstadt hilft:

"Wenn ich nur an die Musikschule denke, wo er einige Instrumente gestiftet hat, an das Museum denke, wo er sich engagiert hat…"

Klar: Bauerfeind hat für sein Engagement auch Subventionen kassiert vom Land Thüringen. Aber das haben andere auch – ohne zu stiften. Die Einzigen, die auf ihn nicht gut zu sprechen sind, sind die Beschäftigten der früheren Firmenzentrale in Kempen, die er im letzten Jahr geschlossen hat. Seitdem konzentriert sich alles auf Zeulenroda.

Bauerfeind hilft vor allem dort, wo er auf Engagierte trifft.

"Wenn ich gesagt hätte – wie damals viele gesagt haben – ich weiß nicht so recht, ist alles schwierig. Dann hätte er bestimmt was anderes unterstützt. Aber so hat er gemerkt: Die kümmern sich."

Bauerfeind ist ein Rückkehrer. Er und die Leute haben nicht vergessen, dass er hier geboren wurde. Obwohl er erst neun Jahre alt war, als der Vater 1949 als Spätheimkehrer aus russischer Gefangenschaft zurückkam, die Familienzelte abbrach und in Darmstadt, im Westen, mit Frau, Sohn und einer Maschine von vorne anfing mit der Produktion von Kompressionsstrümpfen.

Sohn Hans wurde in England zum Textilingenieur ausgebildet, baute die Firma bis 1991 erfolgreich aus – und beschloss dann wieder an den Ursprung zurückzukehren. Dorthin, wo sein Großvater Bruno die ersten Kompressionsstrümpfe 1929 fertigen ließ. Er kaufte eine kleine Firma, entstanden aus den Resten des Kombinats Elastik und Mieder, mit 70 Beschäftigten.

"Also der Start, da waren sie sehr skeptisch. Da kommt einer aus dem Westen, das haben wir erlebt, wie das läuft – jetzt sagt die Frau Thomae – 'Gott sei Dank, dass wir das an ihn verkauft haben'."

Heute hat der Betrieb 850 Beschäftigte am Standort, noch einmal so viele in 15 weiteren Filialen weltweit und macht geschätzte 220 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Bald wird seine Firma alle Mannschaften aus 83 Nationen bei den Olympischen Winterspielen betreuen. Der Chef wird nächstes Jahr 70 und könnte sich zufrieden in den Ruhestand begeben. Stattdessen sitzt er aber im zwölften Stock seines Verwaltungsturmes am Rand von Zeulenroda. Und spricht, als wäre er nie von hier weg gewesen. Ob ihm das beim Aufbau geholfen hat?

""Mit Sicherheit. Aber ich bin so’n Typ – mich können Sie auch in die Sahara setzen – in einer halben Stunde wüsste ich schon, mit wem ich reden müsste, ist alles nicht so schlimm."

Er hat die großen Hände und den leicht roten Dickschädel eines Arbeiters. Einer, der lieber anpackt, statt zu reden. Eine Legislaturperiode hat er als Stadtrat für die CDU Politik gemacht, jetzt ist er Präsident der IHK in Gera. Aber das langsame Bohren dicker Bretter ist seine Sache nicht. Er ist offensichtlich gern Unternehmer, weil er gern etwas unternimmt. Ein "Haudegen der Deutschen Wirtschaft" ist er schon genannt worden. Weil er auch als Spender und Stifter bekannt ist, bekommt er fast täglich Anfragen auf den Tisch wie die einer Kirchengemeinde…

"Sowas Typisches: Kirche in Stadtilm, die schreiben, sie hätten ein altes Gebäude. Das sind so Fragen: Soll man's machen, soll man's nicht machen."

Ob er einsteigt und hilft, entscheidet er oft, nachdem er sich die Sache aus der Nähe angeschaut hat. Die entscheidende Frage für ihn:

"Macht's Sinn? Oder macht’s keinen Sinn? Die meisten Sachen sind mehr Richtung Papierkorb, aber ab und zu gibt’s auch Sachen, die Sinn machen."

So eine Sache war für ihn auch das Projekt Bio-Seehotel Zeulenroda, das in Sichtweite vom Firmensitz 1999 gebaut wurde. Damals stieg ein österreichischer Investor aus, Bauerfeind steig ein, mit 23 Millionen Euro. Das Hotel ist bis heute ein Zuschussgeschäft geblieben. Insgesamt hat er am Standort bisher rund 100 Millionen Euro investiert. Auch in die sogenannte Arena für Nachhaltigkeit. Wie passt das alles zusammen?

"Es passt zum Thema Familienunternehmen. Da geht es auch nicht darum, dass man jedes Vierteljahr eine besonders gute Aussicht abliefert – sondern es geht darum, dass man bei allem, was man tut, die nachfolgenden Generationen im Auge hat."

Und die eigene Nachfolge? Nächstes Jahr wird er 70. Drei Kinder hat er.

"Meine jüngste Tochter ist hier schon tätig im Vorstand, sie erwartet zurzeit ein Kind – insofern ist das ein ganz gutes Familienunternehmensbeispiel."

Einfach wird es nicht, den Betrieb abzugeben. Denn wer den kleinen, kräftigen Mann mit Stiernacken erlebt, der begreift schnell, das für so einen das Wort "Ruhestand" eher eine Drohung als eine schöne Aussicht ist.