Mit Kunst das Leben besser machen

Von Blanka Weber |
Es gibt Menschen, die ihr Leben lang Kunst gesammelt haben und diese dann - im hohen Alter - einfach so weitergeben, als Geschenk. Rudolf und Ilse Franke haben ihre Sammlung dem Erfurter Angermuseum überlassen. 14.000 Grafiken, darunter namhafte Künstler - von Picasso bis Pechstein bis hin zu Bauhäuslern und Non-Konformisten der DDR-Zeit.
"Und das ist hier jetzt Alt-Erfurt."

Ilse Franke blättert in den alten Heften ihres verstorbenen Mannes:

"Sein Schulweg ging nämlich durch Alt-Erfurt, bis in die Schottenschule. Das war früher eine Knaben-Mittelschule."

Schon als Jugendlicher hat Rudolf Franke gezeichnet, Scherenschnitte gefertigt und mit Text und Grafik experimentiert, erzählt seine 86-jährige Witwe. Sie teilte seine Sammel-Leidenschaft. 14.000 grafische Blätter hat das Ehepaar im Laufe der Jahrzehnte erworben und museal archiviert.

"Und wenn jemand sagte, och, ich möchte jetzt mal ein Chagall-Blatt sehen, dann wusste er genau, wo das ist. Er war ordnungsliebend. Dadurch finde ich auch heute was. Ich hab' mich gleich in seiner Sammlung und in seinen eigenen Arbeiten schnell zurechtgefunden."

Das war 2002, als ihr Mann verstarb. Zwei Jahre später schenkte sie die komplette Sammlung, ohne Bedingung und Gegenleistung dem Erfurter Angermuseum. Kinder hatten sie nicht. Es war ein Leben für Kunst und mit der Kunst und beide hatten den Wunsch, die Sammlung weiterzugeben und eine Lücke zu schließen, die im Museum 1937 unter der Nazi-Herrschaft entstanden war.

"Es ist so viel beschlagnahmt worden hier in dem Museum. Die hatten Bauhäusler und Schmidt-Rottluff und solche modernen Künstler und da hat mein Mann gesagt, das ist ja beschlagnahmt worden und durch unsere Grafik wird die Lücke wieder ein bisschen gefüllt."

Mehr als 1000 Bilder und Grafiken gelten als vernichtet oder beschlagnahmt. Rudolf Franke hat Kunstblätter gesammelt, von der Klassischen Moderne, den Expressionisten der Dresdner "Brücke" mit Erich Heckel, Max Pechstein bis hin zu den Weimarer Bauhäuslern wie Lionel Feininger und Paul Klee. Keine gigantischen Werke, doch durch die Menge der kleinen, feinen Arbeiten ist die wohl umfangreichste private Sammlung in der DDR entstanden.

Das wenige Geld in Kunst zu investieren geschah ohne die Absicht, irgendwann damit vielleicht ein Vermögen anzuhäufen. Es war Leidenschaft, für die Rudolf Franke Ende der 40er-Jahre aufs Rad stieg und die 30 Kilometer von Erfurt nach Weimar fuhr, um in einem Antiquariat nach Bildern der einst vertriebenen Bauhäusler zu suchen.

"Und er hatte ja überhaupt gar kein Geld, und da hat er gesagt, ich bin Student für Grafik, und ich kann mal nebenbei ein Plakat machen, und wenn ich das Geld zusammen habe, dann hole ich mir das Blatt ab. Und dadurch sind wir auch zu Bauhaus-Blättern gekommen."

Er sammelte Grafiken von damals noch unbekannten tschechischen Künstlern, erwarb ein Blatt von Picasso, korrespondierte mit Künstlern in Ost und West und fuhr - wann immer es ging, mit kleinem Budget und meist per Zug - um fünf Uhr früh am Samstagmorgen nach Halle, wenn dort in einer Galerie zur Verkaufsausstellung geladen wurde.

Sein Geld verdiente er als Lehrer für freie und angewandte Grafik, schuf selbst mehrfarbige Drucke, arbeitete mit Linol, zeichnete und skizzierte. Sein größtes Glück, sagt Ilse Franke, war es, wenn er die Sammlung Blatt um Blatt erweitern konnte.

"Dann hatten wir sehr viele Gönner. Denn alle wussten, wir waren keine Großverdiener. Wir waren beide nur Pädagogen, und die Gehälter für Pädagogen waren nicht sehr hoch. Da gab es ganz, ganz viele, die immer dachten, ach, der Franke, der sammelt, und da müssen wir mit dem Preis runtergehen. Oder wenn wir ein Blatt kauften, bekamen wir manchmal noch eines geschenkt."

Tausende Blätter kamen so zusammen, auch von Künstlern die nonkonform in der DDR malten, also nicht Glück und Kraft des Arbeiters über oder unter Tage darstellten.

"Und da haben sich einige Herren zusammengeschlossen zu einer Ateliergemeinschaft in Erfurt und haben heimlich, so unterm Dach von einem Haus, ich glaub, 47 Ausstellungen gemacht."

Wenn Ilse Franke ihre 50 Jahre Kunstsammeln Revue passieren lässt, so bereut sie nichts, auch nicht, dass sie alles verschenkt hat, obwohl man ihr manches Angebot für die Bilder und den Schriftwechsel mit Künstlern gemacht hatte. "Mit Kunst das Leben besser zu machen", lautet ihr Credo und das der Kustodin des Angermuseums, Cornelia Nowak:

"Menschen zusammenzubringen, also, Menschen über bildende Kunst zusammenzuführen und dabei mit einer Bescheidenheit vorzugehen und mit einer Stille vorzugehen, wie ich es eigentlich so nicht gekannt habe."

Eigentlich sollte Rudolf Franke 1950 als Arbeiter für den Uranabbau im sächsischen Aue verpflichtet werden. Doch sein ehemaliger Zeichenlehrer war es, der ihm den Tipp gegeben hatte, sich als Neulehrer für Kunsterziehung zu bewerben.