"Eigentum verpflichtet"

Von Almuth Knigge |
Die Horst-Rahe-Stiftung fördert hochbegabte und wirtschaftlich bedürftige Studierende der Rostocker Hochschule für Musik und Theater. Zu den Schützlingen des Besitzers der Deutschen Seereederei zählte auch die mittlerweile international bekannte lettische Violinistin Baiba Skride.
Mein Sohn, sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber auch nur bei solchen, dass wir bei Nacht ruhig schlafen können. Was Thomas Mann in seinen Buddenbrooks den Lübecker Kaufmanns-Prinzipal in einem Brief dem Sohn ans Herz legen lässt, zeugt von hanseatischem Geist. In dieser Tradition sieht sich auch Horst Rahe, der eigentlich aus Hannover stammt.

Rahe: "Eigentum verpflichtet."

Sagt er, auf die Frage danach, was ihn antreibt.

Rahe: "Das heißt, wer Geld verdient und Geld hat, der hat aus meiner Sicht auch die Verpflichtung innerhalb der Gesellschaft sonst funktioniert die nicht."

Zu seinem 60. Geburtstag, vor zehn Jahren, hat er die Horst-Rahe-Stiftung gegründet, die Talente der Hochschule für Musik und Theater in Rostock unterstützt. 280.000 Euro Stiftungskapital – aus der eigenen Geldbörse, wie seine Mitarbeiterin Manuela Balan mit unüberhörbarem Stolz auf ihren Chef erklärt. Einziges Kriterium: Die Studenten müssen sozial bedürftig sein und hochtalentiert. Dann können sie bis zum Ende des Studiums mit einer Förderung rechnen.

Balan: "Er selber kommt aus keiner reichen Familie. Er hat viel gearbeitet, ne gute Ausbildung, und ein bisschen, das gehört dazu, um so weit zu kommen, sagt er immer, und das will er den Kindern auch gönnen. Gute Arbeit müsst ihr selber machen, gute Ausbildung helfe ich euch dabei und ein bisschen Glück, dass ihr mich jetzt kennengelernt habt, habt ihr auch, also seht zu, macht was draus!"

Er selber hat mittlerweile so viel aus seinem Leben gemacht, dass er laut Manager-Magazin zu den 300 reichsten Deutschen gehört. 1968 kaufte er per Handschlag vier Schiffe von einem Unternehmer, der in Finanznot war und der die Schiffe dann zurückcharterte. Der Sohn wurde weggeschickt um Portwein zu holen, um auf den Deal anzustoßen und ähnlich unprätentiös hört sich die Gründungsgeschichte der Horst-Rahe-Stiftung für junge Künstler an, die Manuela Balan erzählt. Anfangs, so die Sprecherin, habe Horst Rahe immer auswärts essen müssen. Da habe er dann in einem Restaurant einen älteren Herrn angesprochen, der ebenfalls alleine aß. Das war der Gründungsrektor der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, Wilfried Jochims.

Balan: "Und die beiden sind so ein bisschen ins Gespräch gekommen, was machst du hier, was machst du hier und haben dann festgestellt, dass diese Idee dieser Gründung dieser Hochschule eine Sache ist, die Herrn Rahe ganz doll begeistert hat und er hat ganz spontan gesagt, wenn du irgendwie Probleme hast, unterstütze ich euch dabei."

Die "Probleme" standen dann ein paar Wochen später bei Horst Rahe vor der Tür. Zwei junge Violonistinnen aus Lettland, eine davon Baiba Skride, international mittlerweile höchst dekoriert und erfolgreich.

Balan: "Die ersten Stipendiaten, die Herr Rahe hatte, das war noch außerhalb der Stiftung, damit hat er begonnen noch als Privatmensch, und die hat er immer seine Kinder genannt, also weil die wirklich bei ihm zu Hause auch zu Weihnachten mit waren, inzwischen sind es so viele, dass es so eng nicht mehr geht, aber wir sind immer noch sehr familiär und wir nennen sie jetzt immer gemeinsam unsere Kinder, ja."

Mit den "Kindern" fahren sie zusammen einmal im Jahr in eines seiner Hotels in der Schweiz, wo Rahe für die ansässigen bildenden Künstler einen Kunstpreis ausgeschrieben hat. Die Rostocker Stipendiaten untermalen die Preisverleihung, der Rest ist Freizeit. Auch für den Unternehmer, der ansonsten, so hat er mehrfach angekündigt, mindestens bis ins Alter von 98 arbeiten will.

Rahe: "Das Zweite ist, das ich es auch mit Spaß und Überzeugung tue, weil man eben auch sehr, sehr viel zurückbekommt. Das macht mir soviel Spaß, ich liebe Musik, aber ich habe natürlich einen ganz anderen Zugang durch diese Stipendiaten gewonnen, was eben auch noch interessant ist, diese Internationalität, wir haben von China bis Equador junge Menschen und das macht Spaß, sich mit denen zu unterhalten und es kommt eben ganz einfach hinzu, man schläft auch besser."

Wenn man nicht auf Geldsäcken schläft. Dass er auch ein knallharter Geschäftsmann ist, zeigt die Geschichte der Übernahmeschlacht um die Deutsche Seereederei, dem Vorzeigebetrieb Erich Honeckers. Rahe hatte 1993 beim Verkauf durch die Treuhand die Nase vorn, vor dem inzwischen insolventen Bremer Vulkan. Über den Preis herrscht heute noch einvernehmliches Schweigen. Als er dann nach Rostock kam, wurde er mit einer schwarzen Flagge und einem Trauermarsch empfangen. Die Rostocker vertrauten dem Hamburger Reeder und Hotelier nicht. Die dachten, erinnert er sich, wir Unternehmer fressen kleine Kinder. Vielleicht war deshalb bei dem ganzen sozialen Engagement auch ein bisschen Imagepflege im Hinterkopf.

Balan: "Ja, natürlich, als Unternehmer hat man auch die zweite Seite im Kopf und, das ist ja auch sehr gut so, dass es so ist, und das soll man nicht in den Hintergrund stellen. Und wir machen in jedem Jahr ein Neujahrskonzert der deutschen Seereederei, das ist natürlich auch eine Präsentation des Unternehmens, trotzdem darf man nicht vergessen, dass es keine Einrichtung der Deutschen Seereederei ist, sondern eine private Stiftung, aber er als Unternehmer hat dadurch natürlich auch ein besonders gutes Ansehen."

Heute ist er der Vorzeigeunternehmer im Nordosten schlechthin, obwohl er meist die Uniform der Pfeffersäcke, den dunkelblauen Einreiher trägt. Er passt zum Land. Bescheiden, fleißig, zurückhaltend, korrekt – aber voller Ideen. Die er - und das ist vielleicht der Unterschied - auch umsetzt.