Cannabis im Straßenverkehr

Die schwierige Suche nach dem THC-Grenzwert

07:21 Minuten
Verkehrsampel mit grünem Licht, auf das ein Aufkleber in Form einer Hanfpflanze geklebt ist.
Um die Freigabe von Cannabis wurde lange gestritten, jetzt kommt die Legalisierung. Und mit ihr auch einige Probleme. © imago / Norbert Schmidt
Siegfried Brockmann im Gespräch mit Ute Welty · 16.08.2022
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Kiffen soll in Deutschland legal werden. Das hat unter anderem Folgen für den Straßenverkehr: Experten wollen Cannabis dort ähnlich behandeln wie Alkohol und einen Grenzwert festlegen. Doch das ist aus verschiedenen Gründen nicht einfach.
Cannabis soll in Deutschland bald legalisiert werden, Marihuana kann dann als Genussmittel in speziellen Läden angeboten werden. Darauf hatte sich die Ampel-Regierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt.
Was das für den Straßenverkehr bedeutet, ist allerdings momentan noch unklar. Bisher gilt man als fahruntüchtig, sobald die Droge nachgewiesen werden kann. Das könnte sich ändern: Experten fordern, ähnlich wie beim Alkohol einen Grenzwert festzulegen. Über diesen Vorschlag wird nun auch beim Verkehrsgerichtstag in Goslar debattiert.

Keine unterschiedlichen rechtlichen Normen

Die Forderung nach einem Grenzwert entspricht einer rechtlichen Logik. Da es für Alkohol Grenzwerte gibt, muss es auch einen für Cannabis geben, wenn das Rauschmittel legalisiert wird. Denn sonst gäbe es unterschiedliche rechtliche Normen für den gleichen Sachverhalt.
So erklärt es Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Doch jenseits dieser Einsicht ist wenig klar, denn die Forschung liefere bisher kaum brauchbare Erkenntnisse über den Zusammenhang von Cannabis-Konsum und Fahrtüchtigkeit, sagt der Experte.
"Die gesellschaftliche Entwicklung droht dem Recht vorauszueilen", sagt Brockmann. Konsumenten von Marihuana oder Haschisch könne man zur Orientierung wenig an die Hand geben, was die Fahrtüchtigkeit angehe. Denn je nach Cannabispflanze sei der Wirkstoffgehalt unterschiedlich, und auch die Abbauprozesse im Körper seien nicht so einfach zu bestimmen wie beim Alkohol.
"Der bisherige Grenzwert taugt nicht, da er keine Aussage über Fahruntüchtigkeit trifft", betont auch Andreas Krämer vom Deutschen Anwaltverein. Derzeit wird ab einem Wert von einem Nanogramm - der kleinstmöglichen sicher nachweisbaren Konzentration - eine Drogenfahrt angenommen.

Länger nachweisbar als Alkohol

Doch durch diesen Grenzwert werden auch Menschen bestraft, die mehr als einmal pro Woche Cannabis konsumieren, "auch wenn sie vor der Verkehrsteilnahme eine ausreichend lange Zeit warten", sagt der Leiter der Forensischen Toxikologie an der Uni Frankfurt, Stefan Tönnes. Cannabis ist länger nachweisbar als Alkohol.
Brockmann plädiert vor diesem Hintergrund für einen Grenzwert von drei Nanogramm THC - das ist der berauschende Wirkstoff in Cannabis. Diesen Wert hätten auch die Niederländer festgelegt, "und da geht die Welt jedenfalls nicht unter". Ist zusätzlich Alkohol im Spiel und liegt bei einem Verkehrsteilnehmer sogenannter "Mischkonsum" vor, sinkt der Wert in den Niederlanden auf ein Nanogramm. Auch das findet Brockmann richtig.

Der ADAC will nichts verändern

Auf dem Verkehrsgerichtstag will er nun dafür werben, diese Grenzwerte ins Straßenverkehrsgesetz zu schreiben. Auf dem Kongress gibt es einen Arbeitskreis zum Thema. Es ist das jährlich wichtigste Treffen von Verkehrssicherheitsexperten in Deutschland und endet mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.
Die Cannabis-Debatte dort wird in jedem Fall kontrovers: Wegen des teils unklaren Verhältnisses von Dosis und Wirkung will der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) beispielsweise an der Ein-Nanogramm-Grenze festhalten - unabhängig von einer möglichen Cannabis-Legalisierung.
"Die Sicherheit im Straßenverkehr darf nicht zur Disposition stehen", heißt es beim Club. Eine Fahrt unter Cannabiseinfluss wird momentan in der Regel wie eine Fahrt mit 0,5 Promille Alkohol bestraft: Es gibt 500 Euro Strafe und ein Monat Fahrverbot. Das sei angemessen, meint der ADAC.
(ahe/mit dpa)
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