Legalisierung von Cannabis

Psychiater warnt vor Folgen für Jugendliche

08:09 Minuten
Eine junge Frau raucht einen Joint.
Cannabis soll in Deutschland legalisiert werden. Bis dahin hat die Regierung allerdings noch viele Aspekte zu klären: Anbau, Vertrieb und vor allem Prävention und Jugendschutz. © picture alliance / Zumapress / Eyepix Group / Amaresh V. Narro
Rainer Thomasius im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 17.06.2022
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Können Jugendliche ausreichend geschützt werden, wenn Cannabis legalisiert wird? Der Psychiater Rainer Thomasius hält das für "ziemlich illusionär" und warnt vor Hirnschäden, Entwicklungsstörungen und Suchtentwicklungen.
Die Regierungskoalition möchte Cannabis noch in dieser Legislaturperiode legalisieren und den Jugendschutz dabei sicherstellen. Ob das möglich ist? Ein Blick in die USA und nach Kanada, wo das Rauschmittel bereits zum Verkauf zugelassen wurde, weckt Zweifel.
„Dort hat die Legalisierung zu einer deutlichen Erhöhung der ungünstigen Auswirkungen des Cannabis-Gebrauchs bei Kindern und Jugendlichen beigetragen“, sagt der Psychiater Rainer Thomasius. „Die sogenannten Cannabis-Use-Disorders liegen 25 Prozent höher als in den Nichtlegalisierungsstaaten.“ Es werde mehr konsumiert und die Zahl der Notfallbehandlungen steige. Auch die Folgeerkrankungen hätten zugenommen. Die Kinder- und Jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften und Verbände seien aufgrund der Zahlen alarmiert.

Lernstörungen und Intelligenzverlust

Dabei treten sehr unterschiedliche Störungen auf: Hirnschäden, Entwicklungsstörungen und Suchtentwicklungen. Denn das Gehirn befindet sich bis zum 21., bisweilen sogar bis zum 23. Lebensjahr noch im Entwicklungsprozess und reagiert sehr empfindlich auf psychotrope Substanzen. „Wir haben gute Belege dafür, dass der Cannabis-Gebrauch im Jugendalter die sogenannte Myelinisierung ausbremst“, sagt Thomasius, der im Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf arbeitet.

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Bei der Myelinisierung werden Nervenfasern von einer Schutzhülle ummantelt. Durch Cannabis-Konsum könne dieser Prozess gestört werden und es zu einer Ausdünnung der Schutzschicht vor allem im Frontalhirn kommen, so Thomasius. Die Folgen: Intelligenzverlust und kognitive Einbußen. „Die Jugendlichen fallen durch Lernstörungen auf.“

Ausreichend Jugendschutz „ziemlich illusionär“

Deswegen fordert Thomasius, Cannabis keinesfalls für Jugendliche unter dem 21. Lebensjahr freizugeben und insgesamt die Abgabebedingungen stark zu regulieren. „Wir müssen wirklich zusehen, dass wir die US-amerikanischen Verhältnisse, die vor allem durch kommerzielle Interessen getragen werden, nicht nach Deutschland übertragen.“
Ob Kinder und Jugendliche nach einer Legalisierung von Cannabis aber überhaupt ausreichend geschützt werden können? Die Kinder- und Jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften und Verbände hielten das für „wahrscheinlich ziemlich illusionär“, sagt Thomasius. „Denn das stärkste Schwert, das wir in der Suchtprävention haben, liegt in einer Begrenzung der Abgabebedingungen.“ Das zeigt sich beispielsweise bei Tabak. Immer weniger Jugendliche beginnen mit dem Rauchen. Erreicht wurde dies, weil Zigaretten teurer wurden, aber auch durch stärkeren Nichtraucherschutz und das Rauchverbot an vielen Orten.

Illegaler Markt richtet sich an Jugendliche

Die Legalisierung von Cannabis sei „das genaue Gegenteil, wir öffnen einen legalen Markt und der illegale Markt wird weiter bestehen bleiben, das sehen wir auch in den USA“, sagt Thomasius. Der illegale Markt würde dann ganz gezielt auf Jugendliche zugeschnitten werden, die keinen Zugang zum legalen Markt haben. „Und was in den USA passiert ist: dass diese beiden Märkte wechselseitig in Konkurrenz gehen. Die Annahme, dass wir den illegalen Markt durch einen neuen, legalen Markt beseitigen, scheint wenig plausibel und nachvollziehbar in Anbetracht dessen, was wir in den Legalisierungsländern sehen.“
(lkn)
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