William Shakespeare: "Hörspiel-Archiv auf 40 CDs"

Ein halbes Jahrhundert Hörspielgeschichte

William Shakespeare als Wachsfigur
Die Wachsfigur des englischen Lyrikers William Shakespeare aus dem Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds © picture alliance / dpa / Foto: Jens Kalaene
Von Hartwig Tegeler · 25.04.2016
"Das Hörspiel-Archiv auf 40 CDs" bündelt insgesamt zehn Tragödien, fünf Königsdramen, zwölf Komödien und ein Fragment von William Shakespeare in nur einer Box. Die Hörer tauchen tief in einen Kreislauf aus Habgier, Blut, Macht und Niedergang ein.
Nun gut, also hier in der Fassung von 1963.
"Ich höre ihn kommen. Ziehen wir uns zurück."
Gerd Micheel als Hamlet mit, na ja, klar:
"Sein oder Nichtsein, das ist die Frage. Ob's edler im Gemüt, die Pfeil und Schleuder des wütenden Geschicks erdulden oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden?"

Deutschsprachiges Hörspiel-Almanach

Der gute alte, nie erledigte "Hamlet". Wobei, Shakespeare zu hören, liegt nahe, weil der Dichter, Schauspieler und spätere Mitbegründer des "Globe-Theatre" seine Texte für das Theater schrieb. Alle zehn Tragödien, fünf Königsdramen, zwölf Komödien und ein Fragment kommen in dieser Box auf 40 CDs zusammen.
Der Versuch, wie Herausgeber Peter Geyer im Booklet meint, "einen umfassenden deutschsprachigen Hörspiel-Almanach zu bündeln". Von 1949 bis heute , von "Hamlet", dem "Sommernachtstraum", "Othello" und und und bis hin zu …
"Romeo? Gute Nacht, Freund Romeo, ich will ins Federbett. Er will nicht gefunden sein."
"Romeo und Julia" in der Inszenierung des Berliner Rundfunks von 1949. Als Romeo: Klaus Kinski.
"Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt? Still, was schimmert vom Balkon? Julia! Sie ist es. Meine Göttin. Meine Liebe."

Die Abgründe der menschlichen Existenz

Das Shakespeare-Hörspiel-Archiv zeichnet aber nicht nur ein halbes Jahrhundert Rundfunkgeschichte auf, sondern zeigt, wie sich der Sprechduktus der Schauspieler in der Annäherung an die klassischen Shakespeare-Texte wandelt: Klaus Kinskis rhetorisches Pathos, das er dem Romeo verleiht. Oder die heute sehr historisch wirkende ausgestellte Dramatik, die Fritz Kortner dem "König Lear" in der 1958er-Adaption gibt:
"Dir und den Deinen bleibt als Erb' auf immer dies zweite Dritteilen unseres schönen Reichs. An Umfang, Wert und Anmut minder nicht als, was ich Goneril gab."
Zu hören übrigens sind in diesem "König Lear" neben Fritz Kortner, dem damaligen Schauspieler- und Theater-Regie-Giganten, Klausjürgen Wussow, Heinz Drache und Bernhard Minetti als Narr. Ja, die Schauspieler der damaligen Zeit und ihre Geschichte: Kortner, Ernst Deutsch , Marianne Hoppe oder Walter Krauß.
Sie spielten in diesen Hörspielen die Abgründe der menschlichen Existenz. Und vielleicht war das alles ja nicht selten auch Spiegel derjenigen, die sich da vor den Mikrofonen in den Hörspiel-Studios nach '45 wieder zusammen fanden. Wie gesagt, Gier, Gewalt, Macht, Treue und Verrat.

Zeitlich jüngste Produktion von 2001

Warum traut Othello Desdemona nicht? Thomas Holtzmann und Heidelinde Weiss in der Inszenierung des ORF von 1983.
"Ich hoffe, mein Gemahl hält mich für treu."
"Oh ja, wie Sommerfliegen auf der Fleischbank, die im Entstehen schon buhlen. Oh, du Unkraut. So reizend lieblich und voll Duft so süß, dass du den Sinn betäubst. Oh, wärst du nie geboren!"
Vor allem in den 1950er- und 60er-Jahre wurde Shakespeare im Hörspiel inszeniert. Die zeitlich jüngste Produktion der Edition stammt von 2001. Klaus Mehrländer hat "Ein Sommernachtstraum" für den WDR inszeniert mit Felix von Manteuffel, Leslie Malton, Peter Lohmeyer, Martina Gedeck und dem wunderbaren Hermann Lause als Zettel.
"Es spukt hier. Ich bitte Euch, Meister, lauft. Hilfe!"
"Nun jag ich Euch, führ Euch kreuz und quer durch Dorn, durch Busch, durch Sumpf, durch Wald. Bald bin ich Pferd, bald Eber, Hund und Bär."
"Warum laufen sie weg? Die ist eine Schelmerei von ihm, um mich fürchten zu machen."

Kreislauf aus Habgier, Blut, Macht und Niedergang

Deutlich wird mit diesem William-Shakespeare-Hörspiel-Archiv aber auch, dass im Hörspiel aufregende Neuinterpretationen nicht mehr stattfinden. Anders auf der Theater-Bühne oder im Kino. Es sei nur an Bazz Luhrmanns "Romeo-und-Julia-Adaption von 1997 erinnert, diesen durchgeknallten Strom aus Actionkino, Popmusik-Zitat und Kitsch. Lars Eidinger, der den Klassiker in furioser Weise an der Berliner Schaubühne spielt, meint, in ihm sei "eben alles drin".
Rolf Schneider schreibt im Booklet dieser großen Hörspiel-Edition Gleiches, wenn er von den Shakespears Stücken als Parabel spricht, in "welcher wir Erfahrungen unseres Jahrhunderts wieder finden".
In einen solchen Kreislauf aus Habgier, Blut, Macht und Niedergang kann man in diese 40 CDs sehr, sehr tief eintauchen. Reicher, sehr reicher Kultur-Schatz.

William Shakespeare: "Das Hörspiel-Archiv auf 40 CDs"
Aktuelle Ausgabe mit Geleitwort von Klaus Reichert -
Erschienen bei: Random House Audio

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