Märzrevolution vor 175 Jahren

Die Revolution von 1848 und ihr Vermächtnis

Eine Kreide-Litografie zeigt Straßenkämpfe in der Breite Straße in Berlin, in der Nacht vom 18. auf den 19. März 1848 – die Märzrevolution.
Bei den Barrikadenkämpfen am 18. und 19. März 1848 starben in Berlin ungefähr 200 Menschen. © picture-alliance / akg-images / akg-images
17.05.2023
Am 18. März 1848 fand die Märzrevolution in Berlin ihren blutigen Höhepunkt. Wie kam es zu den Ausschreitungen? Warum ist die Revolution gescheitert? Und: Welche Rolle spielt sie für die Entwicklung unserer heutigen Demokratie?
Heftige Barrikadenkämpfe, Feuergefechte, Hunderte Tote: Die Berliner Vorkommnisse in den Tagen ab dem 18. März 1848 gingen als Teil der Revolutionen von 1848 und 1849 in die Geschichte ein. Auch wenn die Aufstände letztendlich scheiterten, haben sie durchaus Anteil an Deutschlands späterem Weg zur Demokratie.

Wie kam es zur Märzrevolution?

Motiviert vom Umsturz in Paris im Februar 1848 und vom Rücktritt des französischen Königs Louis-Philippe I. hatten sich bereits seit dem 6. März Berliner Bürgerinnen und Bürger zu politischen Versammlungen zusammengefunden.
Die teilweise extrem verarmte Bevölkerung wollte sich mit der repressiven Politik von Friedrich Wilhelm IV. nicht mehr zufriedengeben. Zwar hatte der König erst im Jahr zuvor eine liberale Verfassung noch vehement abgelehnt. Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Frankreich war die Stimmung nun aber bezüglich eines Wandels optimistisch.
Angetrieben von der Hoffnung auf mehr Rechte und einen vereinten Nationalstaat entwickelten verschiedene soziale Gruppen im Berliner Tiergarten fortan Forderungen an die Regierung – darunter ein freies Versammlungsrecht, uneingeschränkte Presse- und Redefreiheit, Geschworenengerichte mit unabhängigen Richtern sowie die Gründung einer allgemeinen deutschen Volksvertretung für die insgesamt 38 Staaten des Deutschen Bundes.

Der 18. März 1848 – Schüsse und zwei Tote

Getrieben vom Geist des Umsturzes versammelten sich am 18. März 1848 Zehntausende Menschen vor dem Berliner Stadtschloss. Als Kavallerie und Infanterie die Menge mit Säbeln und Musketenschüssen auflöste, blieben zwei Tote auf dem Platz zurück. Von nun an wandelte sich die Berliner Innenstadt innerhalb weniger Stunden zur revolutionären Festung. Dokumentiert sind mehr als 900 Barrikaden. Die große Mehrheit der Aufständischen bestand aus Arbeitern und Handwerkern, Dienstboten, Obdachlosen, Jugendlichen, Hausfrauen und Kindern.

Gestern Mittag begann der erste Kampf, 12 Stunden lang hallte die Stadt wider von dem Donner der Kanonen und des Kleingewehrfeuers - heute ist das Volk siegreich hervorgegangen, und kaum hat das Königtum einige armselige Trümmer gerettet. In diesem Augenblick feiert Berlin diese Revolution, und die Stadt tönt wider von Freudenschüssen an allen Ecken.

Notizen des Arztes Rudolf Virchow am 19. März 1848

Einen Tag nach Beginn der Barrikadenschlachten, am 19. März, zogen die Kämpfenden mit ihren bis dahin geborgenen, teils grässlich verstümmelten Toten erneut zum Stadtschloss: Mehr als 10.000 Menschen forderten das Erscheinen des Königs. Tatsächlich trat das Oberhaupt auf den Balkon und zog, auf Forderung der Menge, seinen Hut als Geste der Anerkennung. Schnell gewährte der König dem Volk eine Verfassung – zwar eine konservative, die aber demokratische Elemente enthielt.

Vorgetäuschte Offenheit des Königs

Anfangs gab sich König Friedrich Wilhelm IV. offen, den Forderungen nach mehr nationaler Einheit und Beteiligung nachkommen zu wollen. Am 21. März veröffentlichte er sogar eine entsprechende Proklamation mit dem Titel „An mein Volk und an die deutsche Nation“, am 1. Mai folgten erste freie Wahlen in Preußen.
Dennoch sollten die revolutionären Errungenschaften nicht von langer Dauer sein und Friedrich Wilhelm IV. offenbarte seine wahren Absichten: Bereits im November 1848 gelang in einer Gegenrevolution die Rückkehr der preußischen Truppen nach Berlin, im Jahr darauf wurden die meisten Errungenschaften der März-Revolutionäre wieder rückgängig gemacht.
In ihrer Gesamtheit führten die sonstigen revolutionären Ereignisse in den Ländern des deutschen Bundes zwar vorerst zur ersten deutschlandweiten Wahl sowie zur Gründung eines vorläufigen Parlaments: der Frankfurter Nationalversammlung, die in der dortigen Paulskirche tagte. Im Dezember desselben Jahres wurde sogar erstmals ein Grundrechtekatalog verabschiedet, der unter anderem den Anspruch auf Schulbildung festhielt. Dennoch scheiterten auch diese Umschwungversuche spätestens 1849.

Warum ist die Märzrevolution gescheitert?

Eine der Hauptursachen dürfte die fehlende Geschlossenheit der revolutionären Kräfte gewesen sein.
Zu Beginn der Aufstände in den Märztagen sei das revolutionäre Lager noch vereint gewesen, erläutert die Historikerin Alexandra Bleyer. „Da sahen sich die Fürsten einer geschlossenen Front gegenüber.“ Doch als diese zum Nachgeben gebracht wurden, entstand Uneinigkeit darüber, wie genau und in welche Richtung es weitergehen soll.
Zudem bestanden die revolutionären Kräfte aus letztendlich zu unterschiedlichen sozialen Gruppen mit wiederum stark unterschiedlichen primären Interessen. Einige entschiedene Demokraten wie Friedrich Hecker oder Gustav Struve strebten schnell die Bildung einer Republik an. Die breite Masse der Berliner Bevölkerung gehörte jedoch zur damaligen Unterschicht. „Die hatten ganz andere Sorgen“, betont Historikerin Bleyer – allen voran, an genügend Nahrung für sich und die Familie zu gelangen.
Als eine zweite Ursache für das Scheitern der Märzrevolution kann die militärische Kraft der preußischen Armee betrachtet werden. Durch ihre Stärke konnte die Gegenrevolution letztendlich gelingen.

Welche Rolle spielte die Märzrevolution bei der Entwicklung der Demokratie in Deutschland?

Auch in der heutigen Demokratie könne man noch viel von den Vorgängen von 1848 lernen, betont Alexandra Bleyer. „Es wurde der Versuch gemacht, das politische System zu verändern, mehr Gerechtigkeit, Freiheit, einen Rechts- und Verfassungsstaat mit Grundrechten zu errichten.“ Auch wenn die nicht gelang, habe die Märzrevolution dennoch zu einem extremen Politisierungsschub geführt, so die Historikerin.
Ähnlich sieht das ihr Kollege, der Historiker Rüdiger Hachtmann. In den Ereignissen vom März 1848 erkennt er einen wesentlichen Versuch, „von unten herauf die Gesellschaft fundamental zu demokratisieren“.
Alexandra Bleyer betont zudem einen weiteren positiven Aspekt: „Sehr viele Revolutionäre haben trotz Verfolgung und Hinrichtungen von Mitstreitenden weitergemacht. Sie haben nicht aufgegeben.“
Letztendlich habe der Geist der Märzrevolution auch die Frauenbewegung vorangebracht, so Bleyer. Beispielsweise mit Louise Otto-Peters, die 1865 den Allgemeinen Deutschen Frauenverein gründete.  
Auch für die deutschen Juden war die Märzrevolution, an der damals viele aktiv teilnahmen, ein Moment der Hoffnung. Artikel 16 der Paulskirchen-Verfassung legte gleiche bürgerliche und politische Rechte für alle fest, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit.
Als die Revolution scheiterte, war dies bitter für viele Deutsche – für die jüdische Minderheit bedeutete es große praktische Rückschritte.
Quellen: Bernd Ulrich, Alexandra Bleyer, Rüdiger Hachtmann, jma
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