Gleichstellung nicht nur Frauensache

Warum Männer sich emanzipieren sollten

29:21 Minuten
Illustration: Frauen und Männer helfen sich gegenseitig auf einer Treppe nach oben.
In Sachen Emanzipation stecken Männer in alten Rollenbildern fest. © imago / Ikon Images / Alice Mollon
Moderation: Jan Garvert · 25.06.2022
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Männer sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Der Psychologe und Vorsitzende des Bundesforums Männer, Thomas Altgeld, meint, das liegt vor allem daran, dass Männer in überkommenen Rollenbildern feststecken, die ihnen nicht guttun.
Wo Frauen es weit gebracht haben, stehen Männer erst am Anfang: Bei der Emanzipation aus traditionellen Rollenbildern. Das ist die These, die Thomas Altgeld vertritt.
Der Psychologe ist Vorsitzender des Bundesforums Männer, das sich für die Interessen von Männern, Vätern und Jungen einsetzt. „Das ist durchaus ein profeministischer Ansatz, auch Gleichstellungsbedarfe für Männer zu identifizieren und da tätig zu werden“, meint Altgeld.

Gleichstellung verlängert Männerleben

Überkommene männliche Rollenbilder führten nicht nur dazu, dass Männer ungesünder lebten, sondern auch früher sterben würden. Er weist darauf hin, dass Männer durchschnittlich fünf Jahre kürzer lebten als Frauen. Dafür stehe der 10. Dezember als Tag der ungleichen Lebenserwartung.
Wie sehr Arbeits- und Lebensstil die Lebenserwartung von Männern negativ beeinflusse, habe die deutsch-österreichische Klosterstudie gezeigt. Dabei kam heraus, dass Mönche und Nonnen eine fast gleiche Lebenserwartung haben – wenn also die Lebensumstände durch ähnliche Aufgaben und Tagesabläufe wie im Kloster fast identisch sind.

Deutlich mehr Suizide bei Männern

Altgeld verweist auch auf statistische Schieflagen beim Vergleich zwischen Männern und Frauen. So kämen Suizide bei Männern dreimal häufiger vor, während bei ihnen zugleich viel seltener psychischen Erkrankungen diagnostiziert würden – zum Teil auch gesellschaftlich bedingt: „Ein Mann, der aggressiv oder reizbar ist oder trinkt, der wird nicht als suizidverdächtig gehandelt.“ Dazu fehle es an Forschung.

Rollenbilder gesellschaftlich tief verwurzelt

Männer hätten zwar die Wahl, wie sie ihr Leben gestalten, räumt Altgeld ein. Aber "dabei müssen sie auch manchmal unterstützt werden". Ungesunde Rollenbilder seien in der Gesellschaft noch tief verwurzelt, macht Altgeld deutlich.

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„Da gibt es sehr viele Rituale, auch sprachliche Wendungen wie ‚seinen Mann stehen‘ oder ‚ein Mann, ein Wort‘.“ Männer müssten sich auch ständig beweisen. „Sie müssen aggressiver sein, sie müssen stark sein“, kritisiert Altgeld.

Gerechtere Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit

Wichtig seien Anreize, die Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit in Familien möglichst früh partnerschaftlich zu gestalten. „Ich erlebe das bei vielen meiner Kolleginnen: Die gehen als gleichberechtigte Paare in den Kreißsaal rein und hinterher rechnen sie. Dann bleibt der Mann am Arbeitsplatz und die Frau zu Hause.“
Altgeld fordert, die Bezugsdauer des Elterngelds auszuweiten, sollten beide Partner die Elternzeit paritätisch untereinander aufteilen. Denkbar seien etwa 18 statt 14 Monate: „Das kann sich dieser Staat durchaus leisten. Wenn man sich anguckt, was jetzt an Corona-Hilfen und hundert Milliarden für die Bundeswehr ausgegeben wird, dann frage ich mich, warum man nicht in so was investiert.“
Bislang gilt für die längere Elterngeldbezugsdauer von 14 Monaten lediglich die Voraussetzung, dass ein Elternteil mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt – in der Regel ist das der Vater.

Thomas Altgeld ist Vorsitzender des Bundesforums Männer, das sich als Interessenverband für Jungen, Männer und Väter versteht; nicht als Antipode der Frauenemanzipation, sondern als Mitstreiter für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Der Verband hat 38 Mitglieder und wurde 2010 als Pendant zum Deutschen Frauenrat gegründet. Altgeld beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Männergesundheit und berät unter anderem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu „gesundheitlicher Chancengleichheit“ und „Männergesundheit“. 

(JaG)
Hilfsangebote für Menschen mit Depressionen, Suizidgefährdete und ihre Angehörigen: Wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen. Hilfe bietet unter anderem die Telefonseelsorge in Deutschland unter 0800-1110111 (kostenfrei) und 0800-1110222 (kostenfrei).
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