Plädoyer gegen den Muttertag

"Wir müssen Sorgearbeit und Familien aufwerten"

Eine Frau kümmert sich auf dem heimischen Balkon um ihr Kind und den Hund.
Auch unsere Gesetzgebung sorge dafür, dass eher Frauen häusliche Arbeit leisteten als Männer, kritisiert Thomas Altgeld. © picture alliance / dpa-tmn / Christin Klose
Thomas Altgeld im Gespräch mit Thomas Jaedicke · 08.05.2022
Audio herunterladen
Der Muttertag habe seinen Zweck verfehlt, sagt Thomas Altgeld vom „Bundesforum Männer“ und plädiert für seine Abschaffung. Stattdessen brauchen wir eine Neubewertung des Verhältnisses von Sorgearbeit und Erwerbsarbeit, fordert er.
Ausgerechnet die Nationalsozialisten führten 1934 in Deutschland den Muttertag ein. Seine modernen Ursprünge gehen jedoch auf Frauenrechtlerinnen in den USA zurück. Diese wollten auf gesundheitliche Missstände in Arbeiterfamilien aufmerksam machen, und sie vertraten pazifistische Anliegen.
Es gibt inzwischen aber auch Menschen, die die Abschaffung des Muttertags fordern, einer von ihnen ist Thomas Altgeld, Vorsitzender des Bundesforum Männer.
Der Muttertag sei in Deutschland noch nie zeitgemäß gewesen, sagt Altgeld. Wegen seiner Entstehung zur Zeit des Nationalsozialismus bringe er zudem eine unheilvolle Geschichte mit sich. „Diese Art von Tagen, die einmal im Jahr alles gut machen sollen, was das ganze Jahr über sonst vergessen wird, die sollten wir vergessen.“

Das Steuerrecht begünstigt Ungleichstellungen

Dass der Muttertag auf unbezahlte Sorgearbeit der Frauen in den Familien, auf mangelnde gesellschaftliche Teilhabe und strukturelle Benachteiligung aufmerksam mache, lässt Altgeld nicht gelten.
Statt eines einzelnen Tages müsse man gesellschaftliche Weichen stellen, die die Frauen von der Sorgearbeit befreiten oder die Sorgearbeit und die Familien aufwerteten.
„Unser Steuer- und Sozialversicherungsrecht begünstigt diese Art von Arbeitsteilung, die die Frauen an den Herd und die Männer ins Arbeitsleben treibt, indem beispielsweise Männer, weil sie besser verdienen, ihre Frauen beitragsfrei mitversichern können“, sagt Altgeld. Oft seien dann beide mit solch einer Regelung unzufrieden.

Erwerbsarbeit wird zu hoch eingeschätzt

Auch die Zusammenlegung von Muttertag und Vatertag zu einem „Care Day“ und damit eine inhaltliche Modernisierung des Tages, lehnt Altgeld ab.
„Es gibt gar keinen Vatertag in dem Sinne, dass die Vaterschaft gefeiert wird“, sagt er. „Stattdessen gibt es einen Tag, an dem die Männer sich mit gesellschaftlicher Erlaubnis besaufen dürfen und eine Auszeit von ihrer Vaterschaft feiern. Das dann mit dem Muttertag zusammenzulegen, macht überhaupt keinen Sinn.“
Das Problem sei, dass in Deutschland Erwerbsarbeit viel höher eingeschätzt werde als beispielsweise häusliche Arbeit oder die Pflege von Familienangehörigen. „Wir brauchen eine Neubewertung von Sorgearbeit, familiärer Arbeit und Erwerbsarbeit und das ist nicht mit so einem einzelnen Tag getan.“

Abonnieren Sie unseren Denkfabrik-Newsletter!

Hör- und Leseempfehlungen zu unserem Jahresthema „Es könnte so schön sein… Wie gestalten wir Zukunft?“. Monatlich direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema