Virginia Cowles: "Looking For Trouble"

Reise durch einen zerfallenden Kontinent

06:10 Minuten
Das Cover des Buches "Looking for Trouble" von Virginia Cowles zeigt eine dunkelhaarige Frau vor einem Mikrofon der BBC
© Dumont

Virginia Cowles

Übersetzt von Monika Köpfer

Looking For Trouble. Bericht einer unerschrockenen KriegsreporterinDumont, Köln 2022

650 Seiten

28,00 Euro

Von Maximilian Mengeringhaus · 02.12.2022
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Mitten im spanischen Bürgerkrieg schult die Modereporterin Virginia Cowles zur politischen Auslandskorrespondentin um. Sie berichtet aus den Diktaturen, die Europa bald in den Zweiten Weltkrieg stürzen. Ihr Buch ist ein Appell an die Demokratie.
Nachdem Virginia Cowles im März 1937 in ein prominentes Madrider Hotel eingecheckt hat, bemerkt sie sofort ihren Anfängerfehler: „Mein Zimmer im Hotel Florida befand sich im vierten Stock“, erinnert sie sich an ihre ersten Tage als Kriegsberichterstatterin. "Leute, die sich auskannten, wohnten so nahe am Erdboden wie möglich, um sich bei Luftangriffen schnell in Sicherheit zu bringen." Schließlich stehen Francos Truppen vor der Stadt und bombardieren sie täglich. Zwei weitere Jahre wird Madrid unter widrigsten Bedingungen ausharren, bis es schließlich an die Nationalisten fällt.

Sie durchschaute Mussolinis Großmannssucht

Da ist Virginia Cowles längst weitergezogen. Als Auslandskorrespondentin für NBC, BBC und "Sunday Times" zeichnet sie Portraits vom Innenleben der Diktaturen in Deutschland, Italien und der Sowjetunion. Sie ist Augenzeugin beim Einmarsch der Wehrmacht in die Tschechoslowakei, besucht die eisige Nordfront im finnisch-russischen Winterkrieg und flieht wiederum vor den Nazis mit einem der letzten Autos aus Paris. Die spanischen Erfahrungen haben ihren Blick merklich geschärft.

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Cowles durchschaut die Großmannssucht Mussolinis, zeigt sich unempfänglich für die kommunistischen Illusionen und sitzt – im Gegensatz zu manch hohem Staatsmann, den sie hie und da zum Tee trifft – auch den deutschen Friedensbeteuerungen nicht auf. Das Verblendungsausmaß der nazistischen Propaganda offenbart sich ihr schließlich in Nürnberg. In einem Gasthaus legen begeisterte Parteitagsgänger vor Cowles und Kollegen für Hitlers vermeintlichen Pazifismus die Hände ins Feuer. Sollte es zum Krieg kommen, dann nur aufgrund der ausländischen Provokationen! „Sie sind wie Kinder“, bemerkt ein französischer Korrespondent aus der Runde, nachdem die Reporterriege beklommen das Lokal verlassen hat. „Kann mir mal jemand verraten, warum man sie mit Waffen spielen lässt?“

Ein Denkmal für Churchill

In gerade einmal fünf Jahren, die bis zur Niederschrift von "Looking For Trouble" im Jahr 1941 vergehen, mausert sich die junge US-Amerikanerin von einer politisch eher indifferenten Modereporterin zur analytisch zielsicheren Zeitzeugin ersten Ranges. Ihr Buch ist eine groß angelegte Reisereportage durch einen zerfallenden Kontinent. Die überzeugte Demokratin verstand es vor allem als Appell an die Landsleute, sich Großbritannien im Krieg gegen die Achsenmächte anzuschließen. Dem Empire fühlte sie sich seit Kindstagen verbunden. Ein Denkmal setzt sie dem stoischen Durchhaltewillen der Briten und allen voran dem Kriegspremier Winston Churchill. Bedauerlicherweise lassen sich diese Lobreden durchaus auch als Apologien der Kolonialgeschichte Englands lesen.
Ob sich hier ein Problembewusstsein eingestellt hätte, wären Cowles‘ Memoiren erst Jahre nach Kriegsende und nicht währenddessen geschrieben worden, sei dahingestellt. Gleiches gilt für ihr Urteil über die Deutschen, das versöhnlicher ausfällt als dasjenige der aufklärerischen Mitstreiterin Lee Miller. Der Ostfeldzug der Wehrmacht und der Holocaust standen allerdings erst noch bevor.

Das Wirken von Ideologien verstehen

Von der befreundeten Kriegsreporterin Martha Gellhorn hingegen unterscheidet Cowles der ästhetische Ansatz, sie verzichtet auf allzu drastische Gewaltdarstellungen. „Keine noch so detaillierte Beschreibung wird der Grausamkeit und dem Leid gerecht“, heißt es während des Luftkrieges über London.
Stattdessen kreiert Cowles Atmosphären äußerster Beklemmung, weiß diese zu gegebener Zeit allerdings auch mit humorvollen Anekdoten aufzulockern. Ihr feines Sprachgefühl verlässt sie dabei nie. Die menschliche Seite des Krieges wollte sie schildern, das Wesen und Wirken der Ideologien verstehen, den immensen psychologischen Druck ins Zentrum rücken, der auf der Zivilbevölkerung lastet. Dies gelingt ihr bravourös.
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