Sport bei Long Covid

Manchmal die falsche Therapie

05:19 Minuten
Einsam und leer sitzt die Frau auf der Bank.
Long Covid führt bei vielen Menschen zu Erschöpfungszuständen. © Imago / Rolf Poss
Von Sabine Lerche · 30.04.2023
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Nach einer Erkrankung hilft oft Sport als Therapie – aber nicht immer. Bei Long-Covid-Betroffenen etwa können sich dadurch die Symptome verschlimmern. Unsere Kollegin Sabine Lerche war für ihr Feature dazu für den Paralympic Media Award nominiert.
Oft sind junge Menschen zwischen 20 und 50 Jahren ohne Vorerkrankungen von Long Covid betroffen. In vielen Fällen ist körperliche Aktivität hilfreich, um die Symptome zu bekämpfen - nicht aber, wenn der Körper eine Belastungsintoleranz entwickelt.

Verschlechtung auch mit zeitlicher Verzögerung

Dann führt Aktivierung zu einer manchmal sogar massiven Verschlechterung des körperlichen Zustands. Das Tückische: Die Verschlechterung nach einer zu großen Anstrengung kann auch erst mit zeitlicher Verzögerung eintreten. Manchmal nach Stunden, manchmal sogar erst Tage später. Die Betroffenen müssen sich also bremsen und auch gebremst werden.
Bei Claudia Schreiner war dies nicht der Fall:

„Post Exertional Malaise – das ist was Neues. Der Mensch will sich ja von Grund auf bewegen und denkt, es tut ihm gut. Aber kapieren, bitte bewege dich nicht, weil je mehr du dich bewegst, also im Prinzip so Treibsand-Prinzip, je mehr du dich bewegst, je mehr wirst du in den Sand reingehen.“

Wann es zum Crash kommen kann

Für ME/CFS-Betroffene und für Long-Covid-Betroffene mit PEM ist Aktivierung, die Aufforderung, sich zu bewegen, Sport zu machen, der falsche Weg. Werden die Belastungsgrenzen überschritten, kann es zum Crash kommen:

Auf mich bezogen würde so ein Crash so aussehen, dass ich einen Tinnitus habe. Dass ich nicht aufstehen kann, dass mir übel ist, dass mir schwindlig ist, dass mir meine Haut wehtut, dass mir meine Muskeln wehtun. Dass ich migräneartige Kopfschmerzen habe, dass ich schwitze, dass ich kalte Hände, kalte Füße habe. Grippeähnliche Symptome. Es ist wie ein Totalausfall bei mir: Ich habe wirklich oft auch gesagt, dass es sich anfühlt, als sei man vergiftet.

Claudia Schreiner verbringt ihre Tage zu 95 Prozent liegend und im abgedunkelten Raum. Die Forschung hat bisher noch keine Therapielösungen für postinfektiöse Erkrankungen entwickelt.

Auf Belastungsintoleranz muss geachtet werden

Klar ist aber, bei einer Belastungsintoleranz führt ein Crash zu einer Verschlechterung des Gesamtzustands. Deshalb ist es für Ärzte und Ärztinnen, Therapeuten und Therapeutinnen und Übungsleiter und Übungsleiterinnen wichtig, sensibilisiert zu sein und bei Long-Covid-Betroffenen auf eine mögliche Belastungsintoleranz zu achten, so Schreiner:

„Man sieht schon, dass es einen ganz bestimmten Prozentsatz gibt, der, so wie nach anderen Infektionen auch, diese Erkrankung ME/CFS entwickeln wird. Die gilt es natürlich zu erkennen und nicht blind wild drauf los: Ja, die müssen jetzt alle zur Reha, und danach sind alle wieder topfit.“
Ein Betroffener berichtet, wie wenig seine Reha-Therapie an seinen Zustand und seine Belastungsintoleranz angepasst wurde:

„Ich habe wirklich alles offengelegt und gesagt, wenn Sie mir das nicht glauben, dann führen wir das durch. Ich weiß, das wird mir schaden kurzfristig zumindest, weil es einfach furchtbar anstrengend für mich ist, aber damit mir dann eben nicht jeden Tag Sporttherapie verschrieben wird. Das war aber genau der Fall, dass ich jeden Tag zum medizinischen therapeutischen Training musste auf dem Ergometer. Und ich habe mich dann zum Schluss einfach auch dagegen gewehrt und habe mich auch eigenständig abgemeldet, weil ich nicht mehr konnte.“

Jeder Tag als neue Herausforderung

Was gegen eine Verschlimmerung hilft, ist Pacing. Die Methode wurde in den 1980er-Jahren von ME/CFS-Kranken und -Forschenden entwickelt und soll eine Verschlechterung des Zustands und Crashs verhindern. Pacing bedeutet, auf den eigenen Körper zu hören und schonend mit den noch vorhandenen Energieressourcen umzugehen.
Dabei ist jeder Tag eine neue Herausforderung und muss mit Ruhepausen geplant werden. Pacing ist aber nur ein Werkzeug, um den Zustand zu stabilisieren, es ist kein Heilmittel, erklärt Claudia Schreiner von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS.

Was bei einer Reha zu beobachten ist

Reha sei für viele Personen eine erfolgreiche Therapie, aber bei einer postinfektiösen Fatigue sollten Trainer und Trainerinnen dennoch beobachten:

„Existiert die Post Exertional Malaise? Also gibt's diese Zustandsverschlechterung aller Symptome nach Anstrengung? Und da zählen aber auch so sensorische Stressoren dazu: Licht, Lärm. Reize jeglicher Art, kognitiver Anstrengung, also eben auch nur eine Unterhaltung. Nun ja, also alles, was dich so umgibt.“

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