Ich bin dann das erste Mal los, hatte beim Slow Joggen und innerhalb von zehn Minuten so ein berauschendes Runners High Erlebnis – und war total geflasht! Dieses erste Mal hat mich total angefixt. Deswegen habe ich es dann auch weiter gemacht.
Trendsport
Slow Jogging sei wegen der möglichen Kommunikation auch ein sehr sozialer Sport, meint Trainerin Almut Gaude. © IMAGO / Pond5 Images
Was ist Slow Jogging?
Für alle, die Jogging oder Nordic Walking nicht mögen: Aus Japan kommt mit Slow Jogging eine Alternative. Vor allem für Menschen nach einer schweren Krankheit oder Verletzung kann es ein leichtes Einstiegsangebot sein, wieder Tritt zu fassen.
Almut Gaude ist seit 2021 zertifizierte Slow-Jogging-Trainerin in Berlin. Sie sagt: „Ich hatte auch als Trainerin Frauen, die schwer übergewichtig waren. Da würde man denken, wie kriegen die das hin – oder ältere Leute, Menschen mit Verletzungen, die Angst haben, Sport zu machen. Die kommen alle super gut über das Slow Joggen wieder in Bewegung. Das das finde ich auch das Tolle daran.“
Früher hat Gaude Tennis in der Regionalliga gespielt. Nach zwei Bandscheibenvorfällen war es damit aber vorbei. „Normales Joggen“ war ihr zu anstrengend. Mit Anfang 40 hat die freiberufliche Pressearbeiterin dann Slow Jogging ausprobiert.
Glücksgefühle beim Slow Jogging
Das Runners High, auf Deutsch „Läuferhoch“, bezeichnet ein Glücksgefühl, das nach neuesten Forschungen durch das körpereigene Cannabinoidsystem ausgelöst wird.
Eine der vom Körper produzierten Substanzen, Anandamid, wirkt im Gehirn wie eine Glücksdroge. Eine leichte bis moderate Laufintensität ist am besten geeignet, die Aktivierung von Anandamid zu erreichen.
„Ich finde, es ist tatsächlich ein kleines Wunder, was da passiert. Es ist ganz, ganz einfach, es ist extrem unanstrengend – also die Belastung soll leicht sein. Es ist ein bisschen mehr, wie man geht zum Wohnzimmer und macht sich einen Kaffee. Aber auch nicht viel mehr.“
180 kleine Schritte pro Minute werden beim Slow Jogging angestrebt. „Erfunden“ wurde es in Japan, von Professor Hiroaki Tanaka. Er erklärt, wie man kraftsparend laufen kann. Das hat in Japan Tradition. Viele Menschen aller Altersstufen praktizieren dort Slow Jogging. In Deutschland ist der in vielen Medien präsente Trendsport noch nicht sehr verbreitet.
Viele kennen Slow Jogging nicht
Eine schnelle Umfrage in einem Berliner Park ergibt: Keiner der Joggenden hat schon mal davon gehört. Ich stoße auf Unkenntnis und Zweifel. Ein Jogger fragt: „Wo ist der Grenzbereich zwischen Fast Walking und Slow Jogging? Das wäre vielleicht auch noch zu überlegen.“
Dabei sind die kleinen Schritte sehr effizient. Es heißt, Slow Jogging verbrenne doppelt so viele Kalorien wie Nordic Walking, und genau so viele wie beim normalen Jogging auf der gleichen Strecke.
Jesco von Moorhausen, Sportwissenschaftler aus Westerstede in Niedersachsen, tritt da ein wenig auf die Bremse:
Ich sehe es eher so als Einstieg. Die Intensität reicht irgendwann schlichtweg nicht mehr aus. Wenn ich mehr erreichen möchte, wenn ich mehr Kalorien verbrennen möchte, dann komme ich mit Slow Jogging irgendwann an eine Grenze.
Natürlich ist es auch ein Unterschied, ob jemand Leistungssport oder Gesundheitssport macht. Und gerade für letzteren ist ein leichter Einstieg von Vorteil.
Slow-Jogging-Trainerin: "Man ist nie erschöpft"
Almut Gaude unterstreicht: „Es ist nicht erschöpfend. Man ist nie erschöpft, also man kann morgens eine halbe Stunde oder eine Stunde laufen, dann kann man auch nachmittags schon wieder laufen. Es ist einfach entspannend und nicht anstrengend.“
180 Schritte pro Minute sind drei Schritte pro Sekunde! Das ist eine Herausforderung für die Koordination. Dazu kommt der „Mittelfußlauf“. Anders als beim Joggen setzt dabei der ganze Fuß auf. Diese Technik müssen Neulinge üben. So sind sie erst mal langsam unterwegs, am Anfang wird man auch mal von Fußgängern überholt.
Gaude erzählt: „Zwischendurch checkt man noch mal, hat man den richtigen Takt drin, ist die Technik richtig. Das ist wichtig, also um das wirklich richtig zu machen und den richtigen Effekt zu haben.“
Slow Jogging ist schonender für die Gelenke
Wenn also die Technik stimmt, werden wichtige Muskeln auf- und Fett abgebaut. Sogar die Gedächtnisleistung soll sich verbessern. Vor allem aber ist diese Art zu laufen schonender für die Gelenke als Joggen.
Jesco von Moorhausen stimmt dem zu, gibt aber zu bedenken, dass „diese Bewegung im Slow Jogging selber relativ unnatürlich ist, denn so läuft kein Mensch.“ Die kleinen Trippelschritte sind „natürlich auf Dauer irgendwann eine Belastung für die Muskulatur, die so nicht vorgesehen ist.“
Almut Gaude kennt die muskuläre Belastung vor allem für Einsteiger: „Die Achillessehne und die Waden, die sind ziemlich stark beansprucht. Das ist so ein bisschen der knifflige Punkt, weshalb man relativ langsam anfangen sollte und wirklich immer nur eine Minute Slow Joggen, eine Minute Pause, zwei Minuten Slow Joggen, zwei Minuten Pause.“
"Wir sind die langsamsten, aber glücklichsten Joggerinnen"
Deshalb sollte das Training anfangs nicht länger als 20 Minuten dauern, damit es wirklich zu dem Effekt kommt, der Slow Jogging in Japan bekannt gemacht hat: „Niko-Niko Running“ - mit einem Lächeln laufen. „Das Schöne ist auch, dass eine weitere Hauptregel neben diesen 180 Schritten pro Minute und dem Mittelfußlauf ist, das man sich immer unterhalten können muss“, erklärt Almut Gaude.
Slow Jogging wird dadurch zu einem sehr sozialen Sport, findet sie. Und vielleicht ist das etwas, was „andere“ Jogger abschreckt? Vielleicht ist auch die Optik abschreckend – langsam joggen, das ist womöglich manchen peinlich.
Almut Gaude sieht das anders: „Wir sind die langsamsten Joggerinnen, aber wir sind die glücklichsten Joggerinnen!“