Aktionen gegen Coronaproteste

Zeigen, dass Querdenker nur eine Minderheit sind

07:48 Minuten
Eine Frau steht mit einem Schild in der Hand mit dem Text "Freiberg ist bunt"
Das Bündnis "Freiberg für alle" setzt sich für ein besseres Image der Stadt ein. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Von Alexandra Gerlach · 24.01.2022
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Bei Protesten in Sachsen gegen die Corona-Maßnahmen kommt es zunehmend zu Gewalt zwischen sogenannten Spaziergängern und der Polizei. In Freiberg starten engagierte Bürger Gegenaktionen – auch für das Image der Stadt.
Die Bürgerinitiative „Freiberg für alle“ will die Straße nicht länger denen überlassen, die besonders laut gegen die Anti-Corona-Maßnahmen demonstrieren. Albrecht Koch ist Kantor des berühmten Doms in Freiberg und seit einigen Wochen bundesweit bekannt – als das Gesicht von „Freiberg für alle“.
Die Bürgerinitiative hat sich nach der letzten Europawahl vor rund zwei Jahren gegründet. Damals errang die AfD in Sachsen erstmals ein Viertel der Stimmen und setzte sich vor die seit 1990 regierende CDU.

Die Vielfalt der Stadt zeigen

„Freiberg für alle“ – ein loser Verbund verschiedener gesellschaftlicher Gruppen aus der Stadtgesellschaft – will zeigen, dass die Mehrheit anders tickt, sagt Koch. Er will „die Leute nach innen“ aktivieren und sie motivieren. „Auch Gesicht zeigen, das war die erste Aktion, die wir gemacht haben.“
Die Stadt sei alles andere als voller Rechtsextremer, sondern „bunt, vielseitig, international, kulturell ganz toll aufgestellt für eine so kleine Stadt – und das wollten wir herauszustellen, auch nach außen.“
Gemeinsames Bestreben ist, dem Imageschaden der letzten Monate etwas entgegenzusetzen. Zunehmend versuchten Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker und rechtsextremistische Gruppierungen an verschiedenen Orten die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu vereinnahmen.

Das Miteinander verbessern

Domkantor Koch hat im Dezember einen vielbeachteten Offenen Brief mitverfasst, für ein besseres gesellschaftliches Klima in seiner Stadt, gegen die Montagsspaziergänger und gegen Demonstrationen, die immer stärker von Rechtsextremen und anderen Extremisten vereinnahmt wurden.
Dass das gesellschaftliche Klima deutlich rauer geworden ist, bestätigt auch die Stadt- und Kreisrätin Jana Pinkert von der Partei Die LINKE. Sie sieht eine Gefahr für die Demokratie, mahnt: „Wehret den Anfängen.“
Neuerdings versucht die Bürgerinitiative an den Protestabenden die zentralen Plätze der Stadt mit angemeldeten Aktionen zu besetzen. Auch der SPD-Ortsverein hat einen Stand eingerichtet, auf einem Banner steht: „Geimpft – Getestet – Genesen – und Gegen Radikalismus“.

Imageverlust ist wirtschaftlich spürbar

Es ist ein Versuch zu zeigen, dass die Stadt weltoffen, Freiberg auch eine Wissenschaftsstadt ist. Wirtschaftlichen Folgen sind bereits spürbar, etwa eine Zunahme von stornierten Hotelzimmern und geringeren Verkäufen, wenn die „Spaziergänger“ unterwegs sind. Das bestätigt auch die Gewerbevereinsvorsitzende Anke Krause.
Schon das große Polizeiaufgebot halte die Bürger fern, so dass viele Geschäfte mangels Kundschaft eher schließen würden. In der vierten Corona-Welle sei für zahlreiche Geschäftsinhaber die Schmerzgrenze erreicht. „Wir sind existentiell wirklich in einer Notlage – und müssen auch ein Podium finden, um auf uns aufmerksam zu machen.“

Bekannte Argumente der Impfgegner

Auch an diesem Abend ist die Polizei mit großem Aufgebot in der Stadt. Mehrere hundert „Spaziergänger“ haben sich versammelt, ohne Maske und viele ohne Abstand. Impfgegner mit Bannern haben Aufstellung genommen, darunter offensichtlich viele aus der Gesundheits- und Pflegebranche. Auch hier werden die üblichen Argumente der Impfgegner genannt, die „Schädlichkeit“ der „Zwangsimpfung“ als Grund dagegen angeführt – von Menschen, die wenig Vertrauen in die klassischen Medien haben.

Radikalisierung durch soziale Netzwerke

Die Fokussierung auf die Kommunikation in den Blasen der sozialen Medien berge eine bedrohliche Entwicklung, meint der Görlitzer Soziologe Raj Kollmorgen. Man blende gewisse Themen aus und sei auch gar nicht mehr gezwungen, sich mit den Argumenten anderer auseinanderzusetzen. Weil man so politisch, kulturell und in sozialen Milieus unter sich bleibe, führe eine wechselseitige Bestätigung in der Tendenz auch zu einer Radikalisierung.
In den ostdeutschen Bundesländern spiele darüber hinaus auch die Revolutionserfahrung von 1989 eine wichtige Rolle, so Kollmorgen. Das Kalkül der DDR-Erfahrenen, die von den „Mühen der Ebene“ in der Demokratie erschöpft seien, sei, dass wenn der Protest groß genug ist, sich die Herrschenden rühren würden: „Weil sie natürlich auch – ich spitze es mal zu – ein bisschen Angst vor der Straße haben.“
Der Online-Text ist eine gekürzte Fassung des Radiobeitrags.

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