Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma

Die Ausgrenzung wird durch Krisen noch schlimmer

08:06 Minuten
Junge Leute in einer Roma-Siedlung bei Lwiw  in der Westukraine.
Bei dem Besuch einer Roma-Siedlung bei Lwiw in der Westukraine war der Europa-Parlamentarier Romeo Franz entsetzt über die Zustände. © picture alliance / Photoshot
Romeo Franz im Gespräch mit Dieter Kassel  · 02.08.2022
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Am Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma erinnert der Europa-Abgeordnete Romeo Franz daran, dass der Antiziganismus auch heute noch weit verbreitet ist. Erst kürzlich war er in der Ukraine, wo viele Roma in großem Elend leben.
Heute ist der Europäische Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. An vielen Orten wird der rund 500.000 Sinti und Roma gedacht, die in der NS-Zeit ermordet wurden. Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) nimmt an der internationalen Veranstaltung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau teil.
"Der Antiziganismus ist in Europa weit verbreitet", sagt der Europa-Abgeordneter der Grünen, Romeo Franz. Mit Sorge beobachtet er einen Anstieg in Krisenzeiten.

Leben in Unterständen im Wald

Franz war erst kürzlich in der Ukraine, um sich über die Lage zu informieren. Dort lebten rund 80 Prozent der rund 400.000 Roma in sehr prekären Umständen, schildert der Politiker seine Eindrücke.
Franz hat in der Nähe der westukrainischen Stadt Lwiw eine Siedlung im Wald besucht, in der seinen Angaben zufolge rund 1400 Menschen in Unterständen wohnen, die nur notdürftig mit Plastikplanen abgedeckt sind. Die Menschen kochten auf dem Boden, berichtet er.

Die Zustände sind "Wahnsinn"

Es handele sich um "völlige Ausgrenzung", sagt Franz. "Wenn man diese Situation sieht, bezweifelt man wirklich, dass man in Europa lebt." Es sei "Wahnsinn, was man da sieht". Die Siedlung sei keineswegs eine Folge des Krieges, betont Franz: "Die leben dort seit mehr als 20 Jahren."
Er habe vor Ort mit mehreren Menschen gesprochen, auch mit Holocaust-Überlebenden, so der Grünen-Politiker. Diese hätten berichtet, dass die Stadtverwaltung die Ansicht vertrete, für mögliche Hilfen seien nur Menschen mit Romanes-Hintergrund zuständig. Das bedeute, dass die Mehrheitsgesellschaft dort wenig tue: "Das ist ein absolutes No-Go."
Angesichts der Lage durch den Krieg in der Ukraine habe er lange überlegt, ob man dieses Thema jetzt aufgreifen solle, so der Parlamentarier. Doch nach der Reise sei ihm klar gewesen, dass das sein müsse.

Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn

Die Diskriminierung ist laut Franz nicht nur ein ukrainisches, sondern auch ein deutsches Problem. "Wir haben in Deutschland Geflüchtete mit Romanes-Hintergrund aus der Ukraine", sagt er. Sie seien teilweise von Beamten der Deutschen Bahn wie Menschen zweiter Klasse behandelt worden. Auf Bahnhöfen in München, Mannheim und Kassel habe es Situationen gegeben, die gezeigt hätten, dass die Krise den Antiziganismus weiter aufleben lasse. Schon an den Grenzen würden Roma häufig nicht auf die andere Seite gelassen und stattdessen fortgejagt.
(gem)

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