Richard O. Prum: "Die Evolution der Schönheit"

Schönheit passiert!

06:24 Minuten
Buchcover von Richard O. Prums "Die Evolution der Schönheit"
© Matthes & Seitz

Richard O. Prum

Übersetzt von Frank Born

Die Evolution der Schönheit – Darwins vergessene Theorie zur PartnerwahlMatthes & Seitz, Berlin 2022

463 Seiten

45,00 Euro

Von Susanne Billig · 13.12.2022
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Schillernde Federkleider, glitzernde Brautgeschenke und hübsch lächelnde Gesichter: Ist das nützlich oder einfach nur schön? Der Ornithologe Richard O. Prum denkt über Evolutionsbiologie, Kunst und Erotik nach.
Schon als Kind hat sich Richard O. Prum für die Vogelbeobachtung begeistert. In seinem Buch „Die Evolution der Schönheit“ erzählt er lebendig von seinem Weg in die Forschung, die ihn ins südamerikanische Surinam führte.
Dort befasste er sich mit einem Thema, so entlegen, dass es wohl nur eingefleischte Vogelkundler begeistern kann. Er kartografierte die Balzplätze von Schnurrvögeln. Im reichhaltigen Bildteil des Buches steht er als junger Hippie mit Mikrofon und Kopfhörer im Dschungel und lauscht der Vogelwelt.

Alles nur gute Gene?

Hochinteressant, aber auch wissenschaftlich fordernd mit detaillierten Beobachtungsberichten und Dateninterpretationen, zeichnet der Autor nach, wie er sich der weitreichenden Konsequenzen seiner Forschung allmählich bewusst wurde.
Laut gängiger Evolutionsbiologie gibt jedes Ornament, mit dem Männchen um die Gunst von Weibchen buhlen, Auskunft über Gesundheit und gute Gene. Ornamente sind angeblich „ehrliche Merkmale“, die dafür sorgen, dass nur die Besten ihre Gene weitergeben.

Leidenschaftlich mit Charles Darwin

Diese Theorie nimmt der Autor in seinem Buch auseinander, zeigt ihren ideologischen Gehalt auf und stellt sich leidenschaftlich auf die Seite von Charles Darwin – allerdings eines Darwin, wie er heute kaum noch bekannt ist, weil zeitgenössische Konkurrenten ihn mutwillig uminterpretierten und sich die Evolutionstheorie in eine reduktionistische Richtung entwickelt hat.
Doch schon Darwin war überzeugt: Viele Tiere sind von ästhetischem Empfinden erfüllt und lassen sich von einer subjektiven Freude am Schönen leiten. Den Weibchen gefällt ein Lied oder eben nicht. Sie mögen einen Tanz oder wandern zum nächsten tanzenden Männchen. Die wiederum bringen immer elaboriertere Formen der Verlockung hervor und treffen auch darin rein ästhetische Entscheidungen. Weil die Genießerinnen und Genießer sich miteinander paaren, kommt es zu einer koevolutiven Explosion der Schönheit. „Beauty happens“, sagt der Autor: Schönheit passiert.

Weiblicher Wunsch nach Autonomie

Den Geist weit öffnend lotet der Autor die vielen Dimensionen des Themas aus, reflektiert über den weiblichen Wunsch nach Autonomie und einem Leben ohne männliche Gewalt als Evolutionsfaktoren, über gleichgeschlechtliche Präferenzen, Wesen und Ursprünge der Kunst und eine Evolutionsbiologie, die von der bedeutsamsten Dimension der Erotik nichts wissen möchte: subjektiver Verliebtheit, Lust und Gefallen daran. Dieser Biologie sei nicht nur frauenfeindliches, sondern auch eugenisches und rassistisches Denken versteckt und offen eingeschrieben.

Für den Pulitzer-Preis nominiert

Zurecht war dieses Buch für den Pulitzer-Preis nominiert, präsentiert es doch Biologie vom Feinsten: Forschungsbetont und induktiv bewegt es sich von Beobachtung und Experiment vorsichtig zur Theoriebildung. In den Schlusskapiteln schlägt Richard O. Prum den Bogen von der Biologie zu aktuellen feministischen Diskursen und führt Natur- und Geisteswissenschaft – ohne die eine an die andere zu verraten – mit einer faszinierenden Lässigkeit zusammen.
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