Dorothee Elmiger: "Die Holländerinnen"

Kein Licht am Ende des Dschungels

Buchcover Dorothee Elmiger: "Die Holländerinnen".
© Carl Hanser Verlag

Dorothee Elmiger

Die HolländerinnenCarl Hanser Verlag, München 2025

160 Seiten

23,00 Euro

Von Maximilian Mengeringhaus |
Zwei Backpackerinnen verschwinden in Panama. Dorothee Elmigers neuer Roman ist an eine wahre Begebenheit angelehnt. Lockerleicht liest sich ihre True-Crime-Anleihe nicht, aber es lohnt sich.
Ob sie nun zwölf oder dreizehn gewesen sind, das wisse die Erzählerin nicht mehr sicher zu sagen. Dafür erinnert sie sich, wie der gefeierte Theatermacher beim letzten Abendmahl vor dem Aufbruch Siegfried Kracauer zitierte und die von ihm eigens zusammengewürfelte Gruppe auf die Strapazen der kommenden Tage einschwor.
Auf den Spuren zweier holländischer Studentinnen, die sich vor Jahren auf einem hiesigen Wanderweg für immer verloren, macht sich die Expedition auf in den mittelamerikanischen Dschungel.

Zwei Wochen in der grünen Hölle Panamas

Was folgt, ist "eine beunruhigende Geschichte von Menschen und Monstren, von Furcht und Gewalt, von der Verlorenheit im Universum und vom Versagen der Erzählungen." So annonciert der Klappentext von Dorothee Elmigers neuem Roman "Die Holländerinnen" mit keinem Wort zu viel, wofür man sich wappnen sollte.
Dabei beginnt alles harmlos in einem mittelmäßig gefüllten Hörsaal. Dort soll die namenlose Erzählerin – eine arrivierte Schriftstellerin – Einblick in ihr Schaffen gewähren.
Eine klassische Poetikvorlesung abzuhalten, sieht sie sich allerdings außerstande. Seit den zwei Wochen in der grünen Hölle folgte ihr Denken und Schreiben keinem roten Faden mehr. Stattdessen will sie Auskunft geben von der Erschütterung, die ihr im Urwald widerfuhr. Alles begann mit dem Anruf des Theatermachers.

Nach einer wahren Begebenheit

Eigentlich aber viel früher, mit einem bis heute ungelösten Kriminalfall, auf den der Roman rekurriert: Im Frühjahr 2014 verschwanden zwei niederländische Touristinnen auf mysteriöse Weise während einer Wandertour in Panama. Wobei die Anteilnahme des Theatermachers an deren Schicksal vorgeschoben wirkt. Vielmehr interessieren ihn die Fußstapfen der Regisseure Werner Herzog und Francis Ford Coppola.
Die Autorin Dorothee Elmiger wird die Parallele auf dem Schirm haben, immerhin flicht sie mit ihren "Holländerinnen" auf Basis der True-Crime-Anleihe ein dichtes Referenznetzwerk, das sich ungeniert bei Filmklassikern wie "Fitzcarraldo" oder "Apocalypse Now" anschmiegt.
Entsprechend ist Machtmissbrauch in allen Geschichten, die etwa die Kostümbildnerin oder der Kameramann in mehreren Intermezzi der Erzählerin offenbaren, das entscheidende Thema. Es geht Elmiger um die Überforderung. Und den Horror, ja den sprichwörtlichen Horror, dass alles so gottlos verloren sein könnte, wie es den Anschein hat. Wir bekommen, was wir sehen – den Terror des Dokuments, mit all seinen Leerstellen.

Erprobung einer Schreibpraxis des Scheiterns

Vor dem kann jede Kunst bloß kapitulieren, so formuliert es die Erzählerin zu Beginn ihres Monologs, der im Konjunktiv steht. Als hätte alles anders kommen können; konnte es aber natürlich nicht. Je länger man über Dorothee Elmigers schmalen, doch äußerst stimmigen Roman nachdenkt, desto mehr verzeiht man ihm die offensichtlichen Kinozitate, den etwas umständlichen Aufbau und die teils überhöhte Symbolik.
Die Konsequenz, mit der "Die Holländerinnen" eine Schreibpraxis des Scheiterns erprobt, besticht. Es ist eine Geschichte ohne Pointe, Auflösung oder Ende, wie es der Erzählerin selbst dämmert – ein narratologischer Teufelskreis, der in seinen Bann zieht.
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