Rebekka Endler: „Witches, Bitches, It-Girls"
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Über die Macht patriachaler Erzählungen
06:09 Minuten

Rebekka Endler
Witches, Bitches, It-Girls. Wie patriarchale Mythen uns bis heute prägenRowohlt Verlag, Hamburg 2025464 Seiten
25,00 Euro
In "Witches, Bitches, It-Girls" zeigt Rebekka Endler, wie sehr frauenfeindliche und patriachalische Vorstellungen unser Denken und unser Leben prägen - vom Schönheitsideal bis zu rechter Rhetorik. Sie entlarvt "Normalität" als Herrschaftsinstrument.
In ihrem neuen Buch „Witches, Bitches, It-Girls“ taucht Rebekka Endler in die Welt der misogynen Mythen ein und fächert auf, wie tief patriarchale Perspektiven die Gesellschaft strukturieren – vom Schönheitsideal bis zur Kanonisierung des Wissens, von internalisierter Frauenfeindlichkeit bis zu rechter Kulturkampfrhetorik.
Was ist normal?
Den Auftakt des Buches bildet der Begriff der „Normalität“ – für die Autorin eine Waffe kultureller Machtausübung. Denn was als „normal“ gilt, sei keineswegs naturgegeben, sondern unterwerfe Menschen und ihre Körper einer künstlichen Ordnung, um sie anschließend harsch zu werten. Ob Yoga-Hype, enge Schönheitsideale oder die hanebüchene Ignoranz der Medizin gegenüber Strukturen der weiblichen Anatomie – frauenfeindliche Normen sind tief in unseren Alltagswahrnehmungen verankert. Das, so arbeitet die Autorin heraus, macht Diskriminierung nicht nur möglich, sondern bringt sie systematisch hervor.
Ein Folgekapitel widmet sich dem Thema „male gaze“, dem männlichen Blick, in Filmen, Kunst und Werbung. Wer kennt sie nicht, die massenhaft in Krimi ermordet umherliegenden halb nackten jungen Frauen? „True Crime eignet sich perfekt“, schreibt Rebekka Endler, „um die Frau, am besten ein junges, weißes cis-Exemplar, zu retten.“ Ausgespart bleiben die vielen anderen weiblichen Opfer von Gewalt, die weniger lasziv im Wald zu drapieren wären – und weitaus komplizierter zu retten, bedürfte es dafür doch einer schmerzhaften Transformation gesellschaftlicher Realitäten.
Wach und engagiert
Rebekka Endler schreibt wach und engagiert, hat unendlich viele Quellen studiert und balanciert temporeich zwischen Literatur-, Natur- und Kulturwissenschaften und jeder Menge Pop-Kultur. Neben Normalitätsfiktionen und dem männlichen Blick untersucht sie in ihrem Buch, wie es in Literatur, Musik, Theater und bildender Kunst dazu kommt, dass sich die Arbeiten von Männern als Maßstab, Modell und Muster durchsetzen, während weibliche Leistungsträgerinnen aus dem kulturellen Gedächtnis verschwinden.
Das ist nicht alles Böswilligkeit, sondern viel schiere Ignoranz von Männern und Frauen wirkt daran mit. Konsequenterweise ist auch die internalisierte Frauenfeindlichkeit der Frauen selbst Rebekka Endler ein ganzes Kapitel wert, wobei sie erfrischend offen auch über eigene Prägungen und Vorurteile spricht. Ausführungen über die harten Themen Gewalt gegen Frauen und rechte Diskurse runden das Buch ab.
Der Funke Hoffnung
Rebekka Endlers feministische Thesen sind nicht brandneu – wie sollten sie auch; die Probleme halten sich hartnäckig und selbstverständlich haben auch frühere Frauengenerationen die entscheidenden Machtmechanismen erkannt.
Doch dieses Buch macht vor, wie sich Empörung und Analyse in aktueller Sprache und heutigem Lebensgefühl ausdrücken lassen – und findet am Ende sogar zu einem hellen Ausklang, wenn der Widerstand zum Thema wird, popkulturelles Empowerment und neue Allianzen. Die seien angesichts des bedrohlichen Rechtsrucks mehr als nötig, erklärt die Autorin: „Der Funke Hoffnung, der durch das Dunkle blitzt, er liegt im Kollektiv.“