Razzien gegen Klimaaktivisten

"Ein falsches Signal"

08:36 Minuten
Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben sich am Karlsplatz in der Münchner Innenstadt auf die Fahrbahn geklebt und blockieren die Straße. Sie tragen orangefarbene Signalwesten. In der Näher stehen Polizeibeamte.
Ziviler Ungehorsam im Dienste des Klimaschutzes ist keine kriminelle Tat, sagt "taz"-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann. © picture alliance / dpa / Lennart Preiss
Ulrike Winkelmann im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 14.12.2022
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Viele Menschen ärgern sich über die Aktionen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation". Doch gleich eine Razzia gegen Mitglieder zu starten, findet die Journalistin Ulrike Winkelmann "komplett unverhältnismäßig". Die Aktivisten seien keine Kriminellen.
„Erst wenn der letzte Kleber entfernt und die 'Letzte Generation' komplett verhaftet ist, werdet ihr feststellen, dass Olaf Scholz mit seinem Klima-Club die Welt nicht retten wird“ – so titelt die „taz“ am Mittwoch (14.12.) und kritisiert damit die Razzien gegen Umweltaktivisten der „Letzten Generation“. 
Eine Anspielung auf einen berühmten anderen Satz, den die Umweltbewegung der 70er- und 80er-Jahre zum Wahlspruch erkor.

Verdacht nach Paragraf 129 ist fraglich

Und während der Unternehmer und CDU-Politiker Joe Chialo in unserer Sendung Verständnis für Hausdurchsuchungen bei den Klimaaktivisten äußerte und deren Aktionen scharf verurteilt, findet "taz"-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann die Razzien „komplett unverhältnismäßig und sehr daneben. Es bedarf eindeutig einer Rechtfertigung, was diese Aktion sollte“.
Die Journalistin kritisiert scharf, dass man sich dabei auf Paragraf 129 berufe: Der sei dafür da, kriminelle Vereinigungen zu untersuchen. Aber es sei doch sehr fraglich, ob nach diesem Paragrafen ein Verdacht gegen die "Letzte Generation" bestehe. „Ich stelle in Frage, dass Gesetzesbruch das Ziel ist. Das Ziel ist hier, die Aufmerksamkeit für den Klimaschutz zu wecken.“

Razzien gegen zivilen Ungehorsam

Die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“, die sich an Straßen und auf Flugfeldern festkleben, Kunstwerke beschmieren und im vergangenen Frühjahr die Notfallventile einer Erdölraffinerie im brandenburgischen Schwedt abdrehten, übten sich in zivilem Ungehorsam. „Razzien sind nicht die richtige Antwort darauf", sagt Winkelmann.

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Zumal die Aktivistinnen und Aktivisten – anders als etwa die rechtsextremistischen Reichsbürger -  nichts verheimlichten und ihre Ziele und Aktionen offenlegten. „Das gibt denjenigen Recht, die nicht mehr unterscheiden wollen zwischen der versuchten Abschaffung eines Rechtsstaates durch die Reichsbürger und dem Versuch, auf Klimaschutz und dessen Notwendigkeit aufmerksam zu machen“, betont Winkelmann.

Eine Gruppe unter Beobachtung

Und dies sende ein falsches Signal an die Öffentlichkeit. „Hier wird eine komplette Bewegung kriminalisiert.“ Der 129er sei ein Ermöglichungsparagraf, um Untersuchungen im Umfeld von Gruppierungen zu  starten – somit auch unter Journalistinnen und Journalisten, die sich mit der „Letzten Generation“ beschäftigen.
Ob die Aktivistinnen und Aktivisten mit ihrem Tun letztlich tatsächlich den Klimaschutz voranbrächten, sei allerdings eine ganz andere Frage, räumt die Journalistin ein. Es sei ihnen definitiv gelungen, Aufmerksamkeit zu bekommen, ob sie damit auch Sympathien für ihre Sache gewinnen, sei dahingestellt. Vor diesem Hintergrund könne man durchaus auch Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem Klima-Club eine Chance geben.
(mkn)
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