Quim Monzó: "Benzin"

Hohles Spiel

06:13 Minuten
Das Cover von Quim Monzós Roman "Benzin" zeigt eine leere Bar mit Tresen und ist grün gehalten.
© Frankfurter Verlangsanstalt

Quim Monzó

Aus dem Katalanischen von Monika Lübcke

BenzinFrankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2022

256 Seiten

24,00 Euro

Von Samuel Hamen |
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Eitelkeiten, Selbstmitleid und Größenwahn: Der katalanische Schriftsteller Quim Monzó mokiert sich in "Benzin" über die Kunstwelt. Ein unbekümmerter Text voller assoziativer Energie und sprachlicher Frische.
Während ein neues Jahr beginnt, baut ein etablierter Künstler ab. Das ist die Grundspannung, mit der Quim Monzó seinen Roman "Benzin" eröffnet. Der Maler Heribert wacht am Neujahrstag in New York neben seiner Geliebten auf und stellt fest, wie ihm die Kontrolle über sein Leben, seine Beziehungen und sein Werk allmählich entgleitet.
Seine Gedanken werden fahrig, seine Kreativität ebbt ab und seine Wahrnehmung wird assoziativ bis willkürlich: "Er schaut sich die Beine der Büchertische an in der Hoffnung, Holzwürmer zu entdecken. Es gibt keine. Er wendet sich wieder dem Buch zu, blättert eine Seite um, sieht die Zeichnung einer Pfeife mit der Bildunterschrift Ceci n'est pas une pipe. Unbedingt, denkt er und fühlt sich ein klein wenig glücklich."

Bloß keine Langeweile

In seiner katalanischen Heimat ist der 1952 geborene Quim Monzó ein bekannter und etablierter Autor und Publizist. 2007 hielt er die Eröffnungsrede bei der Frankfurter Buchmesse, als die katalanische Literatur Schwerpunktthema war. Die Frankfurter Verlagsanstalt pflegt seit Jahrzehnten Monzós Werk – und hat kürzlich auch dieses frühe Werk des Autors von Monika Lübcke ins Deutsche übertragen lassen.
"Benzin" ist ein unbekümmerter Text, geschrieben von einem Schriftsteller, der sich allem Anschein nach vor wenig mehr fürchtet als vor der Langsamkeit und der Langeweile. Hieraus leitet sich die assoziative Energie ab, die dem Roman seine stilistische Rasanz verleiht: "Warum kann er nicht für immer hierbleiben, hier, wo alles weiß ist und alle weiß gekleidet sind, so, als gäbe es eine Vorschrift, und ansonsten mit Metaphern und Parabeln spielen wie ein Jongleur?"

Ungefilterte Wahrnehmung

Heribert lebt nur noch dahin. Er träumt von Gemälden seines Vorbilds Edward Hopper; er setzt nach dem Besuch einer Buchhandlung in einer Mischung aus Dandy und Stalker einer Frau nach, die ihm aufgefallen ist; er findet heraus, dass seine Frau, die ihn als Galeristin betreut, eine Affäre mit einem Mann namens Humbert hat, der sich im zweiten Teil des Romans zur Hauptfigur aufschwingen wird.
Bei alldem gesteht Monzó seinen Figuren keine langwierigen Gewissensbisse, Beweggründe oder Abwägungen zu. Jeglicher psychologische Realismus wird in den Wind geschossen; stattdessen stellt sich der Schriftsteller in die Tradition des dadaistischen Non-Sense und der surrealistischen Écriture automatique, bei der es weniger um Kohärenz und Logik geht, sondern eher um eine atmosphärische und ungefilterte Wiedergabe der eigenen Wahrnehmung.

Historischer Stil und trotzdem aktuell

Der Stil mag manch einem historisch anmuten. Aber Monzó gelingt es, in seinem Text eine sprachliche Frische zu versprühen, die dieses Buch auch heute noch lesenswert macht. Auch in Bezug auf sein Personal und Setting hat "Benzin" keinen Deut an Aktualität eingebüßt: "Auch wenn man ihm immer wieder vorwarf, der Einsatz so unterschiedlicher Mittel sei konzeptlos und ein Zeichen mangelnden Stils, verteidigte sich Humbert, indem er sagte, gerade dieser Mangel an Stil sei sein Stil!"
Auch 2023 strotzt die Kunstwelt vor derlei Eitelkeiten und lässt ihre Galeristen und Maler-Genies wie in einem ewigen Reigen auf und ab defilieren. Eben dieses hohle Spiel hat Quim Monzó bereits vor etlichen Jahren satirisch zerpflückt.
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