Die Nominierten
Sachbuch/Essayistik
- Horst Bredekamp: "Michelangelo"
- Hadija Haruna-Oelker: "Die Schönheit der Differenz: Miteinander anders denken"
- Christiane Hoffmann: "Alles was wir nicht erinnern. Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters"
- Juliane Rebentisch: "Der Streit um Pluralität: Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt"
- Uljana Wolf: "Etymologischer Gossip: Essays und Reden"
Übersetzung
- Irmela Hijiya-Kirschnereit aus dem Japanischen: "Dornauszieher. Der fabelhafte Jizō von Sugamo" von Hiromi Itō
- Stefan Moster aus dem Finnischen: "Im Saal von Alastalo. Eine Schilderung aus den Schären" von Volter Kilpi
- Andreas Tretner aus dem Russischen: "Wunderkind Erjan" von Hamid Ismailov
- Helga van Beuningen aus dem Niederländischen: "Mein kleines Prachttier" von Marieke Lucas Rijneveld
- Anne Weber aus dem Französischen: "Nevermore" von Cécile Wajsbrot
Elitäre Liste: Kritik an der Buchauswahl
Der
Literaturkritiker Helmut Böttiger
sieht die Liste der Nominierten sehr stark durch die ästhetischen Vorlieben der Jury bestimmt: "Das ist eine bestimmte Form von Artistik, was sehr lustvoll ist, wo mit Märchenmomenten und Slapstick-Elementen operiert wird." Aber es bestehe immer die Gefahr, ins Beliebige, rein Formalistische zu kippen.
Diese "Neo-Avantgarde" sei ihm zu wenig politisch, sagt Böttiger. Am ehesten würde ihm aus der Belletristik Emine Sevgi Özdamar zusagen. "Ein herausragendes Buch. Das ist die erste deutsch-türkische Autorin, die eine literarische Sprache für diese biografische Erfahrung gefunden hat", sagt Böttiger.
Jurys können überraschen
Beim Sachbuch gibt sich Böttiger überzeugt, dass Horst Bredekamp mit seinem großen Michelangelo-Buch gewinnen werde. "Aber man weiß nie. Jurys sind zu allen Überraschungen in der Lage."
Wiebke Porombka und Christian Rabhansl aus der Literatur-Redaktion von Deutschlandfunk Kultur sagen, dass es sich bei den Nominierten um sehr gute Bücher handle. Trotzdem sehen sie die Listen kritisch.
Die Leipziger Buchmesse ist abgesagt worden. Das stößt auf Unverständnis. Vor allem für kleine Verlage ist sie ein großer Verlust. Lesungen und andere Veranstaltungen wird es trotzdem in der Stadt geben, auch eine Pop-up-Messe ist geplant.
So seien alle Werke auf der Sachbuchliste sehr speziell, für manche davon müsse man schon fast das jeweilige Fachgebiet studiert haben, klagt Rabhansl. Dies dürfte manche Menschen als Publikum ausschließen, fürchtet er, weshalb nahbare Bücher wünschenswerter gewesen seien:
"Böse zugespitzt könnte man sagen: Da hat die Jury zeigen wollen, was sie alles weiß und kennt."
Bei den Belletristik-Nominierten hätte sich Wiebke Porombka mehr Aktualität gewünscht. So gut Bücher wie die von Heike Geißler und Katerina Poladjan seien, man müsse auch immer gucken, wie diese sich unter bestimmten Bedingungen präsentierten.
Da Veranstaltungen wie die Buchmesse selbst, aber auch Lesungen abgesagt wurden, hätten es gerade neue Titel, die im Frühjahr erscheinen, schwer. Deshalb könne man es beinahe als fahrlässig betrachten, dass die Jury diese neu erscheinenden Werke so wenig in den Blick nehme und stattdessen auf Titel setze, die schon viel Aufmerksamkeit bekommen hätten.
Auch der Preis selber könne so geschwächt werden, warnt Porombka: "Denn dadurch, dass in der Belletristik viele Titel vorkommen, über die man schon sehr viel gelesen hat, wird nicht so viel Aufregung und Neugier hervorgerufen."
Insa Wilke, Vorsitzende der Preisjury, sagt, es gebe in diesem Jahr viele Bücher, die herausragend erzählt seien. In der Belletristik waren das „sehr radikale ästhetische Ansätze“, im Sachbuch „sehr unterschiedliche, sehr spezielle Ansätze, ein Thema zu vermitteln“. Das habe die Jury fasziniert.
Hören Sie hier das Gespräch mit Insa Wilke.