Rainer Moritz zur Absage der Leipziger Buchmesse

„Ein ideales Fenster, um die Branche zu repräsentieren“

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Rainer Moritz, ein mittelalter Mann mit Brille, kurzem Bart und grauen Haaren, lächelt in die Kamera
Rainer Moritz, Chef des Literaturhauses in Hamburg, sieht die Absage der Leipziger Buchmesse kritisch. © picture alliance/dpa
Rainer Moritz im Gespräch mit Andrea Gerk · 14.02.2022
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Das Präsentieren von Literatur und das Live-Erlebnis sei immer noch ein zentraler Faktor für die Branche, sagt Rainer Moritz. Deshalb sei die Absage der Buchmesse auch eine leichtfertig vertane Chance, kritisiert der Chef des Hamburger Literaturhauses.
Letzte Woche wurde die Leipziger Buchmesse abgesagt. Diese Entscheidung hält Rainer Moritz, Chef des Hamburger Literaturhauses, in vielerlei Hinsicht für grundfalsch. „Es ist eine bittere Entscheidung für die Branche, auf dieses Ereignis zu verzichten.“
Er fürchtet, dass die Existenz der Messe in Gefahr sein könnte, auch weil sie es verglichen mit der in Frankfurt schon immer schwer gehabt habe. Das Festival „Leipzig liest“ habe damals die großen Verlage auch dazu gebracht, Leipzig ernst zu nehmen und teilzunehmen.
Doch die dritte Absage in Folge könnte gerade die großen Verlage dazu bewegen, sich dauerhaft zurückzuziehen. Zumal es gerade die großen Verlage gewesen seien, die die Entscheidung zur Absage mit beeinflusst hätten, so Moritz. Das habe dazu geführt, dass die Branche innerlich zerstritten sei.
"Auch wenn die Konzerne schon wieder ein bisschen zurückrudern und in blumigen Stellungnahmen sagen, sie halten an Leipzig fest: Ich glaube, dass das nicht zwingend ist nach diesen drei bitteren Absagen", so Moritz.

Wichtiges Schaufenster für die Literaturbranche

Natürlich müsse sich die Buchmesse verändern, so Moritz. Die Zauberworte seien Hybrid und Digital. Trotzdem sei die Messe – auch dank der Begleitung durch den Rundfunk – ein ideales Fenster, um die Branche zu präsentieren:

Nirgends wird mehr berichtet, als wenn sich in Leipzig eine Woche lang Autorinnen und Autoren treffen. Nirgendwo kann man die Literatur so präsentieren wie mit einer Messewoche.

Rainer Moritz, Chef des Hamburger Literaturhauses

Live-Erlebnis von zentraler Bedeutung

Die Frankfurter Buchmesse hätte letztes Jahr gezeigt, wie man auch unter Pandemiebedingungen ein erfolgreiches Programm auf die Beine stellen könne:
"Es wäre ein Leichtes gewesen, auch in Leipzig zumindest ein Notprogramm unter klaren Auflagen auf die Beine zu stellen. Dass neue Formen der Büchervermittlung geschaffen werden müssen, das wissen wir alle. Aber das Live-Erlebnis, das Präsentieren von Autorinnen und Autoren, dieses Zusammenbringen mit dem Publikum ist für diese Branche immer noch ein zentraler Faktor. Und darauf jetzt leichten Herzens zu verzichten, das halte ich für einen großen Fehlschluss."

Die Absage der Leipziger Buchmesse hat hohe Wellen geschlagen. Jetzt haben die Literaturhäuser einen offenen Brief geschrieben und dort verkündet, trotzdem nach Leipzig zu fahren und den Preis der Literaturhäuser zu verleihen.

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