Phillip Prodger: „Das Porträt in der Fotografie“

Originelle Geschichte der Porträtfotografie

06:09 Minuten
Das Portraet in der Fotografie 150 Jahre Fotogeschichte in ueber 250 Portraets von Phillip Prodger
© Penguin Random House

Phillip Prodger

Übersetzt von Karin Weidlich

Das Porträt in der FotografiePrestel , München 2021

240 Seiten

35,00 Euro

Von Eva Hepper · 22.02.2022
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Es ist nicht das erste und sicher nicht das letzte Überblickswerk, aber es ist besonders: Der britische Kurator Phillip Prodger zeigt mit einer unkonventionellen Bildauswahl den großen Reichtum der Porträtfotografie.
Als der japanische Fotograf Hiroshi Sugimoto Königin Elizabeth II. porträtierte, wählte er einen schwarzen Hintergrund und eine volle gleichmäßige Beleuchtung. Damit inszenierte er sein Modell wie die altmeisterlichen Hofmaler. Die Aufnahme ist bestechend, aber bei längerem Betrachten wirkt sie irritierend. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Bild.
Tatsächlich hatte Sugimoto gar nicht die britische Monarchin selbst vor der Kamera, sondern ihre Wachsfigur aus dem Kabinett Madame Tussauds. Seine Fotografie ist also die Interpretation einer Interpretation. Faszinierenderweise aber offenbart sie mit ihrer Thematik von Künstlichkeit und Rollenspiel womöglich mehr über die Identität der Königin als eine konventionelle Aufnahme. Für Sugimoto steht außer Frage, dass es sich um ein echtes Porträt Elizabeth II. handelt.

Aufnahmen von 1839 bis 2021

So ist es durchaus konsequent, dass der britische Kurator Phillip Prodger das Bild für seinen umfangreichen Überblicksband zum Porträt in der Fotografie ausgewählt hat. Gemeinsam mit 250 weiteren Aufnahmen – die älteste von 1839, die neueste von 2021 – lässt er darin in origineller Weise weit über 150 Jahre Fotogeschichte Revue passieren.
Unterteilt in acht Kapitel beleuchtet Prodger sämtliche Aspekte der Porträtfotografie. Seine dichten und informativen Texte thematisieren die Bedeutung von Identität und Persönlichkeit, das Zeigen von Emotion, die Inszenierung von Milieus, die Entwicklung im digitalen Zeitalter und erläutern darüber hinaus die Eigenheiten der Reportage-, Studio- oder Straßenfotografie.

Bestechende Auswahl

Bestechend ist vor allem seine Auswahl der Bilder. Anders als herkömmliche Überblickswerke versammelt Prodger – als ehemaliger Leiter der fotografischen Sammlung der Londoner National Portrait Gallery ein ausgewiesener Fachmann – sehr bekannte Aufnahmen von prominenten Fotograf*innen und Porträtierten sowie wenig gezeigte, eher künstlerische und auch sperrige Werke.
So sind etwa Bilder von Ikonen wie Diane Arbus und Man Ray, Cindy Sherman oder Edward Steichen vertreten, aber eben auch Werke des zeitgenössischen senegalesischen Fotografen Omar Victor Diop, der vergessene Persönlichkeiten der Schwarzen Community aus dem 15. bis 19. Jahrhundert inszeniert, oder des Briten Nigel Shafran mit seinem Porträt der „Spice Girls“ auf dem Sofa; zu sehen sind allerdings nur deren Beine und die auf dem Boden stehenden Knabbereien.

Spannende Kombinationen und eine lebendige Vielfalt

Hervorragend ist auch das Layout, das die Fotografien mal einzeln, in Seiten füllender Größe präsentiert, mal klein in Reihe oder als Paarung. So ergeben sich spannende Kombinationen und eine lebendige Vielfalt. Etwa wenn Porträts, die zwar 100 Jahre trennen, die gleiche Stimmung oder Atmosphäre transportieren. Oder wenn dem Bildnis der Queen, aufgenommen von Dorothy Wilding 1952 (diesmal stand die leibhaftige Königin Modell!) das der südafrikanischen Künstlerin Zanele Muholi zur Seite steht, die sich selbst als Königin mit einer Krone aus Putzschwämmen inszeniert.
Das ist Augen öffnend, inspirierend und auf der Höhe des aktuellen Diskurses.

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