Ausstellung zu Fotografie und Impressionismus

Fotos wie gemalt

05:45 Minuten
Auf einer frühen Fotografie steht eine Hütte im Schnee vor fahler Sonne.
Antonin Personnaz ließ sich zu diesem Sonnenaufgang bei Schnee (um 1907) von Monet inspirieren. © Antonin Personnaz/Société française de photographie
Von Simone Reber · 11.02.2022
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Während Maler sich mit ihrer Staffelei und ein paar Tuben Farbe begnügten, mussten frühe Fotografen 30 Kilogramm schultern. Wie sich Gemälde und Fotos von der Konkurrenz zur Koexistenz entwickelten, zeigt eine Ausstellung in Potsdam.
Der Getreideschober auf dem Feld wirft seinen bläulichen Schatten in den Schnee. Am Himmel setzt sich das fahle Licht der Sonne mühsam gegen den Morgennebel eines Wintertages durch. Das fotografische Verfahren der Autochromie rastert die Flächen in winzige Punkte.
Das Bild entstand zwischen 1907 und 1914. Antonin Personnaz fotografierte ein Motiv, das er aus der Malerei von Claude Monet kannte. Der Fotograf besaß eine bedeutende Sammlung impressionistischer Kunst.

Der beiläufige Blick

Es ist ein langer Weg, ehe die Fotografie an diesen Punkt gelangte. Vergnüglich schildert die Ausstellung "Eine neue Kunst" im Potsdamer Museum Barberini die Entwicklung als Wettstreit zwischen Malerei und Fotografie. Gemeinsam haben beide Künste den Blick für das Alltägliche, sagt Ulrich Pohlmann:
"Das Besondere an dieser Zeit ist, dass auf einmal das Beiläufige, das auch eher leicht Übersehene wichtig wird. Das kann zum Beispiel ein sich schlängelnder Pfad im Wald sein, das kann aber auch Gestrüpp oder vielleicht ein kleiner Tümpel sein, der so eine gewisse malerische Wirkung oder Ausstrahlung hat."
Der Leiter der Fotografischen Sammlung am Münchner Stadtmuseum hat die Potsdamer Ausstellung kuratiert. Gemeinsam ist Fotografie und Impressionismus zu dieser Zeit auch, dass sie keine Anerkennung finden, weil das Alltägliche nicht als kunstwürdig gilt.

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Zunächst aber machen die Fotografen den Künstlern im Atelier Konkurrenz, bei der gut bezahlten Porträtfotografie, aber auch bei der Reproduktion. Im Freien dagegen sind die Maler seit Erfindung der Tubenfarben im Vorteil.

Draußen mit dem mobilen Dunkelkammerzelt

"Fotografen, die sich in der Landschaft bewegten, mussten ein schweres Gerät mit sich tragen. Häufig wog das mehr als 20 bis 30 Kilogramm. Denn man musste mit dem sogenannten nassen Kollodiumverfahren die Glasplatten unmittelbar vor der Belichtung erst einmal gießen, dann musste man ein mobiles Dunkelkammerzelt mit sich führen und die gerade frisch belichteten Negative sofort entwickeln, und dann musste man sie natürlich auch noch heil, in einer gut gesicherten Holzkiste, wieder in die Stadt, also ins Atelier transportieren", erzählt Pohlmann.
In der Potsdamer Ausstellung ist auch diese Ausrüstung zu sehen. Den damals obligatorischen Führer von Claude-François Denecourt in der Tasche ziehen die Fotografen durch den Wald von Fontainebleau. Hier nehmen sie die berühmten Eichen auf, die vor ihnen die Maler Rousseau, Corot oder Courbet gemalt hatten.
Eine frühe Fotografie des Meers, im Hintergrund wird eine Festung vom Wasser umspült.
Meisterhaft verband Gustave Le Gray bei "Große Welle" von 1857 zwei Negative zu einem Foto.© Céline, Aeneas, Heiner Bastian
Die Fotografie gilt da noch als seelenlos, weil sie "alles imitiert und nichts ausdrückt", wie der Pariser Salon 1850 seine Ablehnung begründet. Da hat die Fotografie noch mit der genauen Wiedergabe zu kämpfen. Gustave Le Gray klebt für seine Seestücke zwei Negative zusammen, weil er nicht gleichzeitig Himmel und Wasser scharf darstellen kann.
"Gustave Le Gray hat jetzt aus zwei verschiedenen Negativen diesen Simultan-Natureindruck von Sonnenlicht, das hinter einer Wolke hervorscheint, aber auch einer brechenden Welle erzeugt. Und hat das so meisterhaft im Negativ, mittels Retusche, miteinander verschmolzen, dass wir diese Schnittstellen im Abzug nicht mehr sehen", sagt Pohlmann.

Stereoskopomanie in den Straßen von Paris

Richtig populär wird die Fotografie in der sich wandelnden Großstadt Paris. Mithilfe von Stereoskop-Apparaten kann das Publikum dreidimensionale Aufnahmen von den Straßen der Stadt sehen. Die Pariser werden befallen von der Stereoskopomanie.
"Damit hat man die enorme Verbreitung der Stereoskopapparate und entsprechenden Fotografien gemeint. Man hatte diesen 3D-Effekt, wenn man durch das Okular schaute und ein Thema war das Pariser Stadtleben, das Treiben auf den großen Boulevards, die Droschken und die Passanten, wie in einem Moment eingefroren wieder gegeben waren", sagt Pohlmann.
Eine frühe Fotografie von Booten, die auf einem Strand liegen vor einer Felsenküste.
Frauen waren selten in der frühen Fotografie, eine war Louise Deglane. "Strand mit Booten" von 1907© Louise Deglane/Société française de photographie
In der Ausstellung kann man das Staunen über die hinreißende Schärfe beim Blick durch das Stereoskop nachvollziehen. Diese Perspektiven inspirieren wiederum Maler wie Monet oder Gustave Caillebotte zu eigenen Straßenszenen. Aber sie lösen die Bewegungen mit ihren Pinselstrichen in geschäftige Eile auf.
Um die Jahrhundertwende dreht sich die Entwicklung um. Die Piktorialisten unter den Fotografen wollen die detailgenaue Wiedergabe vermeiden, sie wollen malerische, also unscharfe Ergebnisse erzielen. Sie hängen Gaze vor ihr Objektiv oder sie wackeln am Stativ.
Louise Deglane, eine der wenigen Frauen in der Szene, nimmt die Felsen von Étretat in der Normandie als ein Traumbild auf, das sich verschwommen durch den Dunst vor dem Meer abhebt. Für das bloße Auge sieht das Bild aus wie ein Gemälde von Claude Monet. Da ist die vermeintliche Konkurrenz längst zur Bereicherung geworden. Am Ende haben sich beide Künste durchgesetzt – die Fotografie und der Impressionismus.

Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus
Die Ausstellung ist noch bis 8.5.2022 im Museum Barberini in Potsdam zu sehen.

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