Originalton

Weiblichkeit als lösende Zutat

Der Autor Patrick Roth, aufgenommen vor der Verleihung des Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung am 22.6.2003 in Weimar. Der in Los Angeles lebende Schriftsteller wurde für seine Frankfurter Poetik-Vorlesungen "Ins Tal der Schatten" und für die "Christus-Trilogie" mit dem Preis in Höhe von 15000 Euro geehrt.
Der Schriftsteller Patrick Roth © dpa / picture alliance / Jan-Peter Kasper
Von Patrick Roth · 15.08.2014
Der Schriftsteller Patrick Roth hat viele Jahre in Los Angeles gelebt - im Zentrum der amerikanischen Filmindustrie. Filme haben schon immer sein Schreiben beeinflusst. Für die Lesart schlüpft der Autor in die Rolle des Filmkritikers. Eine Woche lang stellt er uns seine Lieblingsfilme vor.
Am Morgen mit Ava; wir sprachen über den kleinen Moment im gestrigen Robert-Wise-Film aus den späten 50er Jahren mit Clark Gable und Burt Lancaster, "Run Silent, Run Deep" ("U23 – tödliche Tiefen").
Ein wütender Lancaster sucht Gable privat auf, um gegen die Übernahme des command seines U-Boots zu protestieren. Gable gärtnert gerade, er sitzt mit der Baumschere im Baum, und seine Frau – sich-kümmernde Hausfrau, der Tag ist heiß – war aus dem Haus gekommen, ihn zu fragen, ob sie ihm ein paar Erfrischungen rausbringen könne:
"How about I fix some lemonade?"
Da sieht Gable Lancaster aus dem ankommenden Taxi steigen und weiß sofort, was sich gleich ereignen wird. Zu seiner - attraktiven, aber nicht zu attraktiven Ehefrau - sagt er:
"Aber bring gleich drei Gläser und gieß reichlich Gin in die Limonade!"
Dann das Gespräch mit Lancaster, während sie ins Innere des Hauses verschwindet. Das Gespräch zeigt die Fronten: Gable weist Lancasters Bitte nach einer Versetzung zurück, wird von Lancaster gewarnt, dass die Crew ihn nun nicht mit offenen Armen empfangen wird. Der Konflikt, sagt Lancaster, sei jetzt vorprogrammiert. Lancaster will wieder gehen, da kommt Gables Frau aus dem Haus zurück, die Getränke auf einem Tablett.
"No, I'm leaving, will have to take a rain-check", er müsse das auf ein andermal verschieben, müsse jetzt gehen, sagt Lancaster.
Da sagt die Frau – die ihn damit nochmals aufhält, "she stops him in his tracks", indem sie ruft:
"Mr. Bledsoe, take good care of my husband."
Und mit diesem Satz, "Mr. Bledsoe, passen Sie gut auf meinen Mann auf!", den 1958 noch jede Frau sagen konnte, kam dieses eine "ingredient" in den ganzen Konflikt, diese eine "Zutat", die lösend wirkte. Denn "schon aus Anstand" musste Lancaster ja nun antworten, sich verpflichten – und zwar ihr, dieser durchaus "unschuldig vertrauensvoll" dreinblickenden Hausfrau, die etwas vorlaut vielleicht und sicherlich nicht im Sinne ihres Mannes sich geäußert hatte.
Aber damit kommt dieses Weibliche ins Spiel, das den Konflikt nicht nur sofort entschärft – indem es ihn auf eine ganz andere Ebene versetzt, von einem völlig neuen Standpunkt aus sieht -, sondern auch die Möglichkeit für die endgültige Lösung bereithält.
In der Bitte der Frau wird der, der sich gerade unterordnen musste – Lancaster -, zum Beschützer des "unrechtmäßigen Herrschers" und steht nun, moralisch-verpflichtet, über ihm.
Das wäre heute nicht mehr möglich, die ganze Szene nicht mehr. Diese Frau gibt es nicht mehr, die so in einen Konflikt hineinspazieren, sich darin so äußern könnte – so äußern würde. Man würde sie auslachen, verachten, „Kitsch!", würde man rufen...
Aber ohne sie gibt es auch dieses Weibliche nicht mehr, seinen Hinweis auf die rettende Ebene.
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