Olympisches Dorf Berlin

Der schwierige Umgang mit dem NS-Erbe

10:51 Minuten
Ein Mann schaut sich ein Steinrelief mit Wehrmachtssoldaten im Olympischen Dorf Berlin an.
Überall im Olympischen Dorf findet man noch Erinnerungen an das NS-Regime. Hier zum Beispiel ein Relief mit Wehrmachtssoldaten © imago images / ANP
Von Peter Kaiser · 10.08.2021
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Die Olympischen Spiele 1936 sollten der Welt vorgaukeln, das NS-Regime sei friedvoll. Wie geht man mit Orten um, die einst für Propaganda standen? In Berlin heißt die Antwort, Wohnungen zu bauen, aber auch zu erinnern.
Nur 18 Kilometer westlich des Berliner Olympiastadions, im brandenburgischen Elstal, steht das "Dorf des Friedens", wie 1936 die nationalsozialistischen Erbauer das Olympische Dorf nannten. Sandra Behling ist die verantwortliche Architektin für die Projektsteuerung der Um- und Neubauarbeiten, die hier 2019 begannen.
Nach dem Ende der NS-Zeit und dem Abzug der Sowjettruppen 1994 stand hier alles leer und verfiel zunehmend. Als das auf denkmalgeschützte Sanierungen spezialisierte Nürnberger Unternehmen Terraplan mit den Arbeiten vor Ort begann, stellte sich für Geschäftsführer Erik Rossnagel schnell heraus, dass das Olympische Dorf Berlin das größte und schwierigste Vorhaben in der bisherigen Unternehmensgeschichte werden wird:
"Sie haben ein bauhistorisches Gutachten, ein restauratorisches Gutachten und hier war es auch noch so, dass das Gebäude kontaminiert war. Wir haben Altlasten im Boden, Kampfmittel und Schadstoffe."

Wohnen und lernen

"GOLD" heißt das Projekt abgekürzt – "Gartenstadt Olympisches Dorf von 1936". Das umfasst die Sanierung und den Umbau des "Speisehauses der Nationen" zu insgesamt 114 Suiten, Maisonetten und Penthouses im Ost- und Westflügel. Dazu kommen Neubauten im Inneren und Grünen Ring um das Speisehaus sowie später Blockbauten, die als Zeitzeugen der Sowjetnutzung dienen sollen. Auch Begegnungsflächen und ein museales Konzept sind vorgesehen, so Behling:
"Wir haben im gesamten Speisehaus und in den Außenanlagen immer wieder einige Stationen verteilt, die die Geschichte des Olympischen Dorfes und auch des Speisehauses erzählen. Die Station des olympischen Feuers beinhaltet zum Beispiel auch eine Fackel, die Terraplan erworben hat. Die wird hier ausgestellt und ein bisschen die Geschichte zu diesem Fackellauf erklärt."
Die nationalsozialistische Prachtfeier zum Beginn der Olympischen Sommerspiele im Jahr 1936 sollte gewaltiger sein als alle bisherigen Eröffnungen. Sie sollte der Welt vorgaukeln, dass das NS-Regime friedvoll sei.
Zu der Idylle trugen hier Spazierwege unter einem dichten Blätterdach zu einem künstlichen See bei, in dem aus dem Berliner Zoo hierher gebrachte Wasservögel schwammen. Auf einem künstlichen Hügel gab es ein Terrassencafé, die beheizbare Schwimmhalle besaß eine elektrisch versenkbare Glasfront, zu damaliger Zeit eine technische Sensation, eine Bank- und eine Postfiliale waren vorhanden sowie ein riesengroßes Relief marschierender Wehrmachtssoldaten.

Das Vergessen unmöglich machen

Heute sind noch neben dem "Speisehaus der Nationen" die einstige Schwimmhalle und einige Mannschaftsunterkünfte erhalten. Insgesamt verwittert das Gelände an etlichen Stellen. Eine der – aus heutiger Sicht – eher karg ausgestatteten Mannschaftsunterkünfte wurde im Jahr 2010 saniert und ist als "Jesse-Owens-Haus" der Öffentlichkeit zugänglich.
Owens selbst wohnte 1936 im "Haus Bautzen". Dieses Originalhaus wie auch andere denkmalgeschützte Bauten verfallen zunehmend, denn die andere Dorfhälfte gehört nicht zur Baustelle. Doch wie geht man heute mit dem vermauerten und verbauten Ungeist jener Zeit um? Terraplan-Geschäftsführer Rossnagel meint:
"Das Haus selber ist nicht böse, sondern der Nutzer. Wir haben schon mehrere Gebäude von kontaminierter Vergangenheit, kontaminierter Geschichte verarbeitet, zuletzt den Deutschen Hof – ein Hauptquartier der Nationalsozialisten in Nürnberg."
Das Problem, so Rossnagel, bestehe darin, das Vergessen zu verhindern. Darum das museale Konzept im "Speisehaus der Nationen", denn "das Vergessen unmöglich machen, bedeutet eben auch solche Gebäude zu erhalten".
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