Ohne das Recht auf Selbstbestimmung
Wer sind eigentlich die Putzfrauen und Pflegerinnen, die uns unser sauberes Leben ermöglichen? Die Journalistin Sibylle Hamann ist für diese Reportage über die, die im Dunkeln arbeiten, in einen Arbeitskittel geschlüpft - und hat Unmenschliches erlebt.
Am Anfang dieser Recherche steht ein Selbstversuch. Die Autorin geht unter falschem Namen putzen, erst als Österreicherin, dann als sprachunkundige Moldauerin. Sie wird zu einer unsichtbaren Frau in Jogginghosen, die für sieben Euro in der Stunde Anweisungen ausführt: In einem Einfamilienhaus darf sie wegen des Umweltschutzes nur Stofflappen benutzen, in der Wohnung eines Taxifahrers soll sie dagegen von allen Reinigungsmitteln die doppelte Menge nehmen. Sie tut, was man ihr sagt, denn mit ihrer neuen Identität hat sie das Recht auf Selbstbestimmung, auf eine Meinung oder besseres Wissen verloren.
Die Wiener Journalistin hat sich auf die Spur der Frauen (und wenigen Männer) gemacht, die vielen von uns das Leben erst möglich machen: der Putzfrauen, Kinderbetreuerinnen und Altenpflegerinnen, die die "Sollbruchstellen zwischen Arbeits- und Familienwelt" aushaltbar machen. In den meisten Fällen handelt es sich um Schwarzarbeit, 15 Prozent des deutschen Bruttoinlandproduktes machen unversteuerte Tätigkeiten in Privathaushalten aus. Nicht nur das Unrechtbewusstsein in der Bevölkerung ist gering, auch der Staat verfolgt diese Schwarzarbeit - anders als etwa auf Baustellen - nicht. Täte er das, würde etwa die notwendige Rund-um-die-Uhr-Altenpflege zusammenbrechen.
Bislang gibt es noch nicht allzu viele wissenschaftliche Untersuchungen über die Lage der neuen Dienstboten, die anders bezeichnet werden, sich aber oft in einer ähnlich rechtlosen Lage befinden wie die alten um die Jahrhundertwende, die die Autorin als Vergleichsgröße immer wieder heranzieht. Sie beschreibt die von Misstrauen geprägten Arbeitsbedingungen in privaten Haushalten, recherchiert die Lage der hin- und her reisenden Frauen, die meist im zwei Wochenrhythmus 24 Stunden für einen Alten oder Demenzkranken sorgen, die Kinderbetreuerinnen, die ihr Herz besser nicht an die Kleinen hängen.
Es geht um die "weltumspannende Migrantennation", die mehr als 214 Millionen Menschen umfasst: Die Frauen aus Polen, die in der Bundesrepublik, die Filipinas, die im Mittleren Osten, die Mexikanerinnen, die in den USA, die Albanerinnen, die in Italien arbeiten. Wie kommt deren Geld wieder nach Hause ("geschätzte 325 Milliarden Dollar" pro Jahr), und wie wirkt es sich auf die Wirtschaft dort aus, was macht die mütterliche (und väterliche) Abwesenheit mit ihren eigenen Kindern, und wie kann man sich vielleicht doch in die "Selbstbestimmung" putzen?
Wie hat sich die Rolle der Au-Pair-Mädchen gewandelt, und wie könnte sich die Lage der Hilfsleisterinnen grundsätzlich verändern? Dass es in Zukunft um Umverteilung und "organisatorische Fantasie" geht, dass und warum Hausarbeit die Wissenschaft nicht mehr interessiert, dass ein höheres Ansehen nur durch die Partizipation von Männern gewährleistet ist, das sind die eindringlichen Themen dieses Buchs. Wie jedoch die geforderte zukunftsträchtige "Migrationspolitik" konkret aussehen kann, darauf hat die Autorin noch keine Antwort. In jedem Fall sind Untersuchungen, Forschungsergebnisse nötig, damit die Politik sie zur Grundlage von Veränderungen und Entscheidungen machen kann.
Besprochen von Manuela Reichart
Sibylle Hamann: Saubere Dienste. Ein Report
Residenz Verlag, Wien 2012
206 Seiten, 21,90 Euro
Die Wiener Journalistin hat sich auf die Spur der Frauen (und wenigen Männer) gemacht, die vielen von uns das Leben erst möglich machen: der Putzfrauen, Kinderbetreuerinnen und Altenpflegerinnen, die die "Sollbruchstellen zwischen Arbeits- und Familienwelt" aushaltbar machen. In den meisten Fällen handelt es sich um Schwarzarbeit, 15 Prozent des deutschen Bruttoinlandproduktes machen unversteuerte Tätigkeiten in Privathaushalten aus. Nicht nur das Unrechtbewusstsein in der Bevölkerung ist gering, auch der Staat verfolgt diese Schwarzarbeit - anders als etwa auf Baustellen - nicht. Täte er das, würde etwa die notwendige Rund-um-die-Uhr-Altenpflege zusammenbrechen.
Bislang gibt es noch nicht allzu viele wissenschaftliche Untersuchungen über die Lage der neuen Dienstboten, die anders bezeichnet werden, sich aber oft in einer ähnlich rechtlosen Lage befinden wie die alten um die Jahrhundertwende, die die Autorin als Vergleichsgröße immer wieder heranzieht. Sie beschreibt die von Misstrauen geprägten Arbeitsbedingungen in privaten Haushalten, recherchiert die Lage der hin- und her reisenden Frauen, die meist im zwei Wochenrhythmus 24 Stunden für einen Alten oder Demenzkranken sorgen, die Kinderbetreuerinnen, die ihr Herz besser nicht an die Kleinen hängen.
Es geht um die "weltumspannende Migrantennation", die mehr als 214 Millionen Menschen umfasst: Die Frauen aus Polen, die in der Bundesrepublik, die Filipinas, die im Mittleren Osten, die Mexikanerinnen, die in den USA, die Albanerinnen, die in Italien arbeiten. Wie kommt deren Geld wieder nach Hause ("geschätzte 325 Milliarden Dollar" pro Jahr), und wie wirkt es sich auf die Wirtschaft dort aus, was macht die mütterliche (und väterliche) Abwesenheit mit ihren eigenen Kindern, und wie kann man sich vielleicht doch in die "Selbstbestimmung" putzen?
Wie hat sich die Rolle der Au-Pair-Mädchen gewandelt, und wie könnte sich die Lage der Hilfsleisterinnen grundsätzlich verändern? Dass es in Zukunft um Umverteilung und "organisatorische Fantasie" geht, dass und warum Hausarbeit die Wissenschaft nicht mehr interessiert, dass ein höheres Ansehen nur durch die Partizipation von Männern gewährleistet ist, das sind die eindringlichen Themen dieses Buchs. Wie jedoch die geforderte zukunftsträchtige "Migrationspolitik" konkret aussehen kann, darauf hat die Autorin noch keine Antwort. In jedem Fall sind Untersuchungen, Forschungsergebnisse nötig, damit die Politik sie zur Grundlage von Veränderungen und Entscheidungen machen kann.
Besprochen von Manuela Reichart
Sibylle Hamann: Saubere Dienste. Ein Report
Residenz Verlag, Wien 2012
206 Seiten, 21,90 Euro