Nichts für empfindsame Gemüter
Daheim schmäht man ihn als "Nestbeschmutzer". Dabei will Florian Klenk, stellvertretender Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Falter", lediglich eines: Eine aufgeklärt offene und von Rechtstaatlichkeit geprägte Gesellschaft.
Nimmt man die ernst, muss man ihre Schattenseiten genau beschreiben. Das tut er – an der Europäischen Ostgrenze wie an der zwischen Tschechien und Österreich, in Berlin und in Wien und in den idyllischen Dörfern Kärntens.
Sechzehn glänzend geschrieben Reportagen, die zumeist ursprünglich im "Falter" erschienen, versammelt sein Buch – leider fehlen die genauen Hinweise auf Ort und Zeit der Erstveröffentlichung. Das titelgebende frühere Ende der Welt liegt für Florian Klenk in Wullowitz, einem kleinen Ort im Mühlviertel in Oberösterreich, dort, wo das arme Tschechien und das reiche Österreich aufeinandertreffen. Das Ergebnis: Zerfallende Dörfer und nur noch ein Gewerbe – Prostitution.
Das Ende der Welt liegt aber auch in der Ukraine. Ein Flüchtlingslager, dreckig, überbelegt und ohne Hoffnung. Fünf Stunden vor Wien, ehemals zum Habsburgerreich gehörend. Heute Endstation für Inder, Pakistani, Iraker, Bangladeshis. Sie kamen in die Ukraine, um von dort ins Gelobte Land, nach Europa, zu gelangen. Doch Europa hat seine Grenzen dichtgemacht. Und so leben sie hier – ein Inder seit zwei Jahren. Zurück kann er nicht, weder er noch die ukrainische Regierung hat das Geld dafür. Weiter geht es nicht. Alle drei Monate darf er für drei Minuten mit seiner Familie telefonieren – wenn er es denn bezahlen kann. Und auch die überforderten ukrainischen Beamten, die über Asylanträge entscheiden müssen, ohne die Sprachen der Flüchtlinge zu verstehen, können nicht mehr ihre Verwandten im Nachbardorf in Ungarn oder Tschechien besuchen: Sie bekommen kein Visum dafür.
Klenks Reportagen sind nichts für empfindsame Gemüter. Es sind oft brutale, gemeine Geschichten, sie handeln vom Elend der Flüchtlinge, vom Mädchenhandel und Prostitution, vom alltäglichen gemütlichen Rassismus in der Provinz und der Großstadt, von Polizeigewalt, vom Umgang mit Österreichs Nazivergangenheit und dem verstörenden Tun seiner Journalistenkollegen vom Boulevard, von denen einer, nachdem ein 14-Jähriger von Polizisten beim Einbruch ertappt und erschossen wurde, schreibt, dass wer alt genug zum Einbrechen, auch alt genug zum Sterben sei.
Klenks Recherchen begannen oftmals aus Empörung. Sein Schreiben ist davon aber nicht geprägt. Sein Ton ist gut, nicht gut gemeint, lakonisch, faktenreich und er flüchtet weder in unkonkrete Anklage noch in Unverbindlichkeit. Klenk erzählt, was er gesehen, gehört und gelesen hat. Natürlich arrangiert er Erlebtes und Recherchiertes, um so Gefühle zu erzielen. Doch die Fakten, nicht der Autor und seine Sprachkunst stehen im Vordergrund. Und deshalb hat man als Leser nie das Gefühl, dass Florian Klenk die Wirklichkeit für einen gelungenen Schluss verbiegen würde.
Besprochen von Günther Wessel
Florian Klenk: Früher war hier das Ende der Welt. Reportagen
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2011.
176 Seiten, 17,90 Euro
Sechzehn glänzend geschrieben Reportagen, die zumeist ursprünglich im "Falter" erschienen, versammelt sein Buch – leider fehlen die genauen Hinweise auf Ort und Zeit der Erstveröffentlichung. Das titelgebende frühere Ende der Welt liegt für Florian Klenk in Wullowitz, einem kleinen Ort im Mühlviertel in Oberösterreich, dort, wo das arme Tschechien und das reiche Österreich aufeinandertreffen. Das Ergebnis: Zerfallende Dörfer und nur noch ein Gewerbe – Prostitution.
Das Ende der Welt liegt aber auch in der Ukraine. Ein Flüchtlingslager, dreckig, überbelegt und ohne Hoffnung. Fünf Stunden vor Wien, ehemals zum Habsburgerreich gehörend. Heute Endstation für Inder, Pakistani, Iraker, Bangladeshis. Sie kamen in die Ukraine, um von dort ins Gelobte Land, nach Europa, zu gelangen. Doch Europa hat seine Grenzen dichtgemacht. Und so leben sie hier – ein Inder seit zwei Jahren. Zurück kann er nicht, weder er noch die ukrainische Regierung hat das Geld dafür. Weiter geht es nicht. Alle drei Monate darf er für drei Minuten mit seiner Familie telefonieren – wenn er es denn bezahlen kann. Und auch die überforderten ukrainischen Beamten, die über Asylanträge entscheiden müssen, ohne die Sprachen der Flüchtlinge zu verstehen, können nicht mehr ihre Verwandten im Nachbardorf in Ungarn oder Tschechien besuchen: Sie bekommen kein Visum dafür.
Klenks Reportagen sind nichts für empfindsame Gemüter. Es sind oft brutale, gemeine Geschichten, sie handeln vom Elend der Flüchtlinge, vom Mädchenhandel und Prostitution, vom alltäglichen gemütlichen Rassismus in der Provinz und der Großstadt, von Polizeigewalt, vom Umgang mit Österreichs Nazivergangenheit und dem verstörenden Tun seiner Journalistenkollegen vom Boulevard, von denen einer, nachdem ein 14-Jähriger von Polizisten beim Einbruch ertappt und erschossen wurde, schreibt, dass wer alt genug zum Einbrechen, auch alt genug zum Sterben sei.
Klenks Recherchen begannen oftmals aus Empörung. Sein Schreiben ist davon aber nicht geprägt. Sein Ton ist gut, nicht gut gemeint, lakonisch, faktenreich und er flüchtet weder in unkonkrete Anklage noch in Unverbindlichkeit. Klenk erzählt, was er gesehen, gehört und gelesen hat. Natürlich arrangiert er Erlebtes und Recherchiertes, um so Gefühle zu erzielen. Doch die Fakten, nicht der Autor und seine Sprachkunst stehen im Vordergrund. Und deshalb hat man als Leser nie das Gefühl, dass Florian Klenk die Wirklichkeit für einen gelungenen Schluss verbiegen würde.
Besprochen von Günther Wessel
Florian Klenk: Früher war hier das Ende der Welt. Reportagen
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2011.
176 Seiten, 17,90 Euro