Reportagen aus dem Ruhrgebiet

Impressionen einer monströsen Industrielandschaft: Heinrich Hausers Fotos und Reportagen über das Ruhrgebiet erschienen zum ersten Mal 1930 im S. Fischer Verlag. Nun wurden sie vom Bonner Weidle Verlag unter dem Originaltitel "Schwarzes Revier" wieder aufgelegt.
Im September des vergangenen Jahres wurde die Ausstellung "Schwarzes Revier" des RuhrMuseums in Essen auf dem Gelände der Zeche Zollverein eröffnet: Rund einhundert Schwarzweiß-Fotografien des Ruhrgebiets sind zu sehen, aufgenommen vom Journalisten, Romancier und Filmemacher Heinrich Hauser.

Seine Fotos und Reportagen über das Ruhrgebiet erschienen zum ersten Mal 1930 im renommierten S. Fischer Verlag. Nun wurden sie vom Bonner Weidle Verlag unter dem Originaltitel "Schwarzes Revier" wieder aufgelegt. Die Neuausgabe, auch als Begleitbuch zur Ausstellung lesbar, ist ästhetisch sehr ansprechend gestaltet und inhaltlich – mit Informationen über den Autor und einem üppigen Nachwort versehen – vorzüglich ergänzt. Dem Verlag gelingt gleich zweierlei: Er macht erneut - 2001 veröffentlichte er bereits Hausers "Donner über dem Meer" von 1929 - auf einen heute weithin unbekannten Autor aufmerksam, den zu lesen sich unbedingt lohnt. Und er macht die erste zusammenhängende Fotoreportage über das Ruhrgebiet zu erschwinglichem Preis wieder zugänglich; die Originalausgabe kann man nur antiquarisch ab 200 Euro erstehen.

Im Vorwort gibt Heinrich Hauser an, das Ruhrgebiet als "Arbeiter im Hüttenwerk, als Seemann auf Erzschiffen, als Journalist und Photograph" kennengelernt zu haben. Sechs Jahre habe er dort gelebt, 6000 Kilometer hinter dem Steuerrad seines Cabriolets in der Gegend zwischen Dortmund und Düsseldorf zugebracht. Das ist, gleicht man diese Angaben mit Hausers Lebenslauf ab, schlicht übertrieben, trotzdem spiegeln seine Berichte die elementaren Kräfte, denen er im Revier begegnet, das Monströse der damals chaotischen Industrielandschaft mit ihren gigantischen sozialen Verwerfungen.

Hauser ist fasziniert von dem sozialen und technisch komplexen Gebilde Ruhrgebiet. Er betrachtet es anthropomorphisierend als Organismus, den er bis in die Innereien untersucht. Wie eine Filmkamera nähert er sich aus der Totalen erst der Landschaft, dann den Städten und schließlich zoomt er auf die Details, den Güterbahnhof, die Zechen und Hochöfen, die Eisengießerei. Er beschreibt Maschinen, Handwerkszeug und Arbeitsvorgänge, sachlich wie in einer Gebrauchsanweisung und doch voller Begeisterung für Technik und diejenigen, die sie bedienen.

Die Arbeiterschaft erscheint ihm als graue Masse, der Mensch im Revier klein und "ameisig". Einzelne zeichnet er als Exemplare einer Spezies: Spezialisten bei der Schicht, Kleinbürger am Sonntag, proletarisch "Irgendwo von 18 Uhr bis 22" – so eine Kapitelüberschrift.

Hausers Buch steht in der Tradition der in den 20er-Jahren entstandenen Ruhrgebiets-Literatur eines Erik Reger oder Joseph Roth. Seine Beobachtungen, entsprechen dem Ideal der "Neuen Sachlichkeit", sie sind realistisch, klar, dokumentarisch montiert. Doch spürt man in jedem Satz den Literaten, sein schwungvolles Pathos und die Stilisierung als Autor. Das gilt auch für seine Fotos. Sie zeigen die Faszination für Straßen, Maschinen, Energie – und hin und wieder auch das eigene Cabriolet. Zusammen mit den Texten führen sie uns eine Welt vor Augen, die wir uns ohne sie heute kaum noch vorstellen könnten.

Besprochen von Carsten Hueck

Heinrich Hauser: Schwarzes Revier. Reportagen
Herausgegeben von Barbara Weidle, mit 127 Photographien
Weidle Verlag, Bonn 2010
223 Seiten, 19,90 Euro