Nachhaltigkeit
Reparieren ist meist klima- und umweltfreundlicher als neu kaufen. Trotzdem werden gerade Elektrogeräte oft einfach weggeschmissen. © Getty Images / iStockphoto / Kirill Savenko
Wie wird Reparieren wieder attraktiver?
Elektrogeräte werden schnell Elektroschrott. Denn eine Reparatur ist zwar umweltfreundlicher, oft aber teuer und aufwendig. Die EU hat einen Vorschlag für ein Recht auf Reparatur vorgelegt. Ein erster Schritt raus aus der Wegwerfgesellschaft?
Nehmen wir zum Beispiel mein Smartphone, bei dem sich der Akku immer nach wenigen Stunden entlädt. Eigentlich würde ich es gerne einfach reparieren, statt mir ein neues zu kaufen. Aber vermutlich ist das ziemlich teuer, zeitaufwendig und kompliziert. Zumal der Akku ja in dem Gerät festgeklebt ist. Gibt es überhaupt Werkstätten, die so etwas austauschen? Und wenn ich es dann repariert habe – gibt es möglichweise bald keine Software-Updates für das Gerät, und alle Mühe war vergeblich…
Die Zweifel überwiegen und so landet das Gerät dann doch in meiner „Kiste des Horrors“ – randvoll mit altem Elektroschrott: Vieles davon würde ich gerne reparieren lassen. So wie bei meinem Smartphone erscheint mir das jedoch zu umständlich. Und so wie ich denken viele Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU: Laut einer Eurobarometer-Umfrage von 2022 würden 77 Prozent Waren lieber instandsetzen, scheuen aber die Kosten und den mangelnden Service.
Die Europäische Kommission hat deswegen am 22.3.2023 einen Vorschlag zum Recht auf Reparatur ("Right to Repair") vorgelegt. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen defekte "Verbrauchsgüter", also etwa Haushaltsgeräte oder Heimelektronik, leichter reparieren lassen können.
Was ist das Recht auf Reparatur?
"Im Rahmen der gesetzlichen Garantie werden Verkäufer Reparaturen anbieten müssen, es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz", heißt es von Seiten der EU-Kommission. Reparaturen würden also im Garantiezeitraum gegenüber dem Ersatz priorisiert werden, sagt die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini.
Hersteller und Händler von Neuwaren sollen außerdem dazu verpflichtet werden, Reparaturen auch nach Ende der allgemeinen Gewährleistungsfrist von zwei Jahren anzubieten und dementsprechend auch Ersatzteile vorzuhalten. Vorgesehen ist ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können eine Reparatur beim Hersteller einfordern, aber auch unabhängige Werkstätten sollen tätig werden dürfen.
Ansonsten setzt die Kommission vor allem auf Transparenz – und hofft so, Reparieren attraktiver und günstiger zu machen: Zum Beispiel sollen Hersteller verpflichtet werden, über die Reparierbarkeit der Geräte zu informieren. Auf Matchmaking-Reparaturplattform sollen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher über mögliche Werkstätten, Preise und Reparaturzeiten informieren können. Damit soll es auch unabhängigen Reparaturwerkstätten leichter gemacht werden, im Wettbewerb zu bestehen, so Cavazzini.
„Die Kommission geht davon aus, dass durch die Vergleichbarkeit ein neuer Wettbewerb, ein neuer Markt entsteht.“ Außerdem soll ein europäischer Qualitätsstandard für Reparaturdienstleistungen entwickelt werden.
Für mein Handy heißt das also: Ich kann mich an den Hersteller wenden, damit es repariert wird. Oder ich suche mir über die Matchmaking-Reparaturplattform einen anderen Anbieter, der mir mein Telefon möglichst schnell und günstig repariert.
Doch bis das Recht auf Reparatur wirklich umgesetzt wird, kann es noch dauern. Der Gesetzesvorschlag wird nun im EU-Parlament und im Rat der Mitgliedstaaten beraten. Dann muss er auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini rechnet damit, dass das insgesamt noch drei Jahre dauern wird.
Warum ist Reparieren wichtig in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Produkte wie mein Handy, die repariert werden könnten, aber trotzdem weggeschmissen werden, gibt es viele: „Das hat jedes Jahr 35 Millionen Tonnen Abfall, 30 Millionen Tonnen verschwendeter Ressourcen und 261 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen in der EU zur Folge“, rechnet die EU-Kommission vor.
Und das Freiburger Ökoinstitut hat ausgerechnet, dass durch die längere Nutzung von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen, Fernseher, Notebooks, Smartphones hierzulande pro Jahr fast vier Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase eingespart werden können. So viel wie beispielsweise knapp zwei Millionen PKW im Jahr durchschnittlich ausstoßen.
Auch ein Grund dafür, dass so viel weggeschmissen wird: Viele Geräte lassen sich immer schwieriger reparieren. Wie beispielsweise mein Telefon, beim dem der Akku fest verklebt ist und nicht einfach herausgenommen werden kann. Oder es werden irgendwann keine Software-Updates mehr angeboten. Selbst bei Waschmaschinen werden günstige Laugenbehälter aus Plastik mittlerweile verschweißt, sodass sie sich nicht einfach austauschen lassen, berichtet Tomasz Mscichowski, der eine Reparaturwerkstatt betreibt. „Die neuen Geräte, die sind praktisch irreparabel.“
„Diese sogenannte geplante Obsoleszenz ist der Spezialbegriff, das heißt, man baut Unbrauchbarwerdungsmomente in ein Produkt ein“, sagt Annette Kehnel, Historikerin und Autorin des Buches „Wir konnten auch anders: Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit“. Durch sich schnell abnutzende Verschleißteile würden materialbedingte Verfallsgrenzen in die Produkte eingebaut werden. „Die Lebenszeit der Produkte wurde verkürzt.“
Die EU-Kommission hofft, dass das Recht auf Reparatur es wieder attraktiver macht, Produkte herzustellen, die sich leicht reparieren lassen. Einige Hersteller scheinen jedenfalls schon reagiert zu haben: Apple oder Microsoft bieten beispielsweise bereits Reparaturanleitungen im Netz an.
Wäre Recyceln nicht genauso gut wie Reparieren?
Recyclen ist zwar eine Alternative zum Reparieren: Aber auch dieser Kreislaufwirtschaft sind Grenzen gesetzt. Denn die Rohstoffe eines Produktes könnten nie ganz recycelt werden, sagt Thomas Ebert vom Umweltbundesamt. „Weiterhin gibt es immer einen Energieeinsatz bei der Herstellung von Produkten. Der geht natürlich verloren beziehungsweise muss neu aufgebracht werden.“
Und dann ist da noch die Recyclingquote, die in der EU recht niedrig liegt: Weniger als 40 Prozent des gesamten Elektro- und Elektronikabfalls wird recycelt, also weniger als die Hälfte.
Was für Ideen gibt es sonst, um Reparieren attraktiver zu machen?
Manche Staaten sind in Sachen Reparatur schon vorgeprescht: Schweden hat beispielsweise die Mehrwertsteuer auf kleinere Reparaturen halbiert. Frankreich hat einen Reparaturindex eingeführt und Österreich einen Reparaturbonus eingeführt, der mittlerweile auch als Pilotprojekt in Thüringen ausprobiert wurde.
Der Reparaturindex in Frankreich
In Frankreich muss der Handel Kundinnen und Kunden darüber informieren, wie einfach oder schwer sich Elektronikprodukte reparieren lassen. Anhand von Kriterien wie Zerlegbarkeit oder auch Verfügbarkeit von Ersatzteilen wird eine Gesamtbenotung zwischen eins und zehn vergeben. Ähnlich wie bei der Lebensmittelampel wird der Hinweis an der Verpackung des Produkts angebracht. So kann der Verbraucher schnell erkennen, ob ein Produkt sich leicht reparieren lässt – oder nicht.
Allerdings gibt es an dem System in Frankreich auch Kritik: So wurde der Prüfkatalog, der der Bewertung zugrunde liegt, zwar von Behörden festgelegt, berechnet wird der Score des jeweiligen Gerätes aber von seinem Hersteller – Kontrollen gibt es nicht.
Und auch sonst gilt die Bewertung bisweilen als fragwürdig. So hat beispielsweise das Fairphone, das sich auf die Fahnen schreibt, möglichst nachhaltig und leicht zu reparieren zu sein, einen schlechteren Indexwert als ein normales Samsung-Handy. Der Grund: Das Fairphone wird von einem kleinen Unternehmen hergestellt – und dieses kann die Ersatzteile nicht so schnell liefern. Das gibt Minuspunkte.
Dass der Akku meines Samsung-Telefons schnell schlappmacht, hätte ich auch mittels des Reparaturindexes also vielleicht nicht vorweg herausbekommen.
Der Reparaturbonus in Österreich
In Österreich wird Reparieren staatlich gefördert: Wer ein Elektrogerät instandsetzen lassen möchte, kann einen Antrag stellen und bekommt über einen Gutschein die Hälfte der Reparaturkosten erstattet, maximal 100 Euro.
Auch Thüringen hat das Bonusverfahren ausprobiert – und so für Schlagzeilen gesorgt. Die Bilanz: Repariert wurden eine breite Palette an Haushaltsgeräten wie Kaffeevollautomaten, Spül- und Waschmaschinen, vor allem aber Mobiltelefone. Viele nicht älter als drei Jahre, oft hatten sie einen Displayschaden.
Gäbe es ein solches Bonusverfahren auch für mein kaputtes Mobiltelefon, würde es vermutlich nicht als Elektroschrott in der Schublade landen.
Repaircafés
Hilfe zur Selbsthilfe bieten Repaircafés. Davon gibt es zahlreiche in Deutschland. Wenn Reparaturbonus und das Recht auf Reparatur nichts nützen, könnte ich dort noch Hilfe finden, um mein Handy fit zu bekommen.
In den Repaircafés treffen sich Menschen, die reparieren können und Spaß daran haben, und andere, die ein kaputtes Gerät haben, das instandgesetzt werden soll. Gemeinsam werkeln sie und lernen dabei, wie sich Geräte wieder zum Laufen bringen lassen.
Ehrenamtliche organisieren die Veranstaltungen, die in Gemeinde-, Kulturzentren oder an anderen Veranstaltungsorten stattfinden. Die Teilnahme ist umsonst, gespendet werden kann aber gerne. Ersatzteile muss jeder in der Regel für sich besorgen und zahlen, bekommt dabei aber auch Tipps. Repaircafés finden sich über reparatur-initiativen.de.
Quellen: David Freches, Martina Schulte, Friedbert Meurer, Cornelius Wüllenkemper, Dieter Nürnberger, Katja Bigalke, Nicole Dittmer, https://commission.europa.eu, afdp, dpa, lkn