Nachhaltigkeit in der Verlagsbranche

Wie Bücher umweltfreundlicher werden können

Eine Illustration zeigt viele Bücher anstatt von Blättern in einem stilisierten Baum
Wie kann die Ökobilanz der Verlagsbranche besser werden? © imago / Panthermedia
Wolfgang Michael Hanke im Gespräch mit Joachim Scholl · 16.01.2019
Wolfgang Michael Hanke war Umweltbeauftragter beim Großverlag Random House und dort Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit. Papier, Farbe, Druck und Logistik - Hanke sagt, es gebe viele Ideen für eine bessere Ökobilanz eines Buches.
Joachim Scholl: Wer Bücher macht, produziert, vertreibt, der braucht Rohstoffe: Papier, Leim, Druckerfarbe, Verpackungsmaterial noch und noch, wieder aus Papier, aus Plastik. Die ökologischen Konsequenzen liegen auf der Hand, und immer mehr Verlage wollen sich dieser Herausforderung jetzt auch stellen.
Wir sprechen darüber mit Wolfgang Michael Hanke, früher Produktionsleiter und Umweltbeauftragter bei Random House, inzwischen selbstständig. Er ist bei uns im Studio und hört den Beitrag von Deutschlandradio-Korrespondent Bastian Brandau über das Dresdner Start-up-Unternehmen Matabooks mit. Darin berichtet Matabooks-Gründer Kay Hedrich zum Beispiel: "Wir betrachten die komplette Buchproduktion unter Nachhaltigkeitsaspekten. Wir verwenden keine konventionellen Druckerfarben zum Beispiel auf Mineralölbasis, sondern auf Leinölbasis. Wir haben keinen Industrieklebstoff, sondern wasserbasierten Klebstoff." Es sei dem Verlag wichtig, den Abdruck in der Natur so gering wie möglich zu halten.
Joachim Scholl: Wolfgang Michael Hanke, willkommen im Deutschlandfunk Kultur!
Wolfgang Hanke: Ich freue mich sehr, dass ich hier bin. Vielen Dank für die Einladung!
Scholl: Ist das die Zukunft der Branche, Herr Hanke, das vegane Buch?
Hanke: Mata Books vertreibt vegane Bücher, wobei man dazusagen muss, dass vegan ja kein gesichertes Label ist. Ich darf mir gern vegan auf die Fahne schreiben. Wenn ich es ganz konsequent machen wollte, dann müsste ich tatsächlich ein Zertifikat mir einholen. Es gibt tatsächlich ein Label, und da bin ich eigentlich großer Fan davon, weil es ist nur dann wirklich nachhaltig, wenn es auch wirklich richtig nachweisbar ist.

Nachhaltigkeit als wichtiges Maß

Scholl: Sie hatten bei Random House in Ihrer Zeit schon früh mit diesem Umweltblick auf die Buchproduktion und den Vertrieb angefangen, also eine Ökobilanz zu erstellen, CO2-Bilanz – was haben Sie da genau gemacht?
Hanke: Wir hatten uns sehr früh überlegt, dass wir sagten, Unternehmen werden künftig ganz sicherlich daran gemessen, wie sie sich einer nachhaltigen Verantwortung stellen. Und da ist die Buchbranche – die ja wie ein Radiosender auch ein Medienunternehmen ist und damit doch sehr in der Öffentlichkeit steht –, glaube ich, mit an erster Stelle, hier wirklich Verantwortung zu übernehmen. Papiere als Beispiel wurden früher, glaube ich, tatsächlich nicht besonders umweltfreundlich hergestellt. Das hat sich mittlerweile sehr geändert, auch auf Druck von Umweltorganisationen, letztlich allerdings auch von denen, die Papiere einsetzen, nämlich am Ende die Verbraucher.
Scholl: Bleiben wir mal gleich bei diesem Büchergrundstoff, dem Papier. Wir haben ja jetzt gerade in der Reportage von dem Graspapier gehört, diesem anderen Rohstoff. Ist das herkömmliche Papier wirklich so zu ersetzen in Zukunft? Werden wir uns daran gewöhnen?
Hanke: Jetzt muss man dazu sagen, Graspapier heißt ja, es ist ja nur ein Anteil Gras. Der Hauptbestandteil wird weiterhin Zellstoff sein. Die Graspapiere, die hergestellt werden, haben unterschiedliche Anteile an Gras, wobei ich jetzt wegen Nachhaltigkeit – das meiste ist ja holzbasiert, also auch bei einem holzfreien Papier ist der Hauptgrundstoff letztlich Holz. Es wird nur – es ist ein chemischer Prozess, der die Eigenschaften des Holzes eben nicht mehr so sichtbar macht.
Scholl: Aber das heißt, Zellulose, der Zellstoff ist dann also die Zukunft?
Hanke: Nicht die Zellulose. Aber Zellulose ist ja nichts anderes als letztlich Holz, nur über ein chemisches Verfahren.
Scholl: Neu verarbeitet.

Ansätze zu Ende denken

Hanke: Holz ist grundsätzlich, denke ich, schon auch ein sehr nachhaltiger Werkstoff, wenn er denn vernünftig angebaut wird. Und da spielen wieder Zertifikate eine große Rolle.
Scholl: Etliche Verlage haben jetzt sozusagen schon diese neue Strategie, setzen sie schon um. Hanser, Matthes & Seitz, Bonnier-Gruppe, der Alexander-Verlag, Ullstein-Gruppe. Also die haben dieses Bewusstsein, setzen es jetzt seit längerer Zeit schon um. Im Fokus sind da mittlerweile, und das ist für jeden Buchkäufer irgendwie das ersichtlichste und offensichtlichste, wenn die Plastikfolien verschwinden, in die jetzt die Bücher noch eingeschweißt sind. Wenn wir im Buchladen sind, sehen wir da die Stapel mit den schön eingeschweißten Bücher. Was natürlich toll ist, weil, wenn man es aufmacht, ist das Buch, ja – herrlich, neu. Aber ist das sinnvoll, ist das eine Taktik, also hier das abzuschaffen?
Hanke: Ich bin da ehrlich gesagt ein kleines bisschen skeptisch, wenn man weiß, wie Bücher transportiert werden. Ich sag mal, grundsätzlich sind die Bücher sehr wertvoll. Bücher müssen geschützt werden. Wenn nur ein kleiner Teil beim Transport tatsächlich beschädigt wird, dann ist es auch kein nachhaltiger Gedanke dabei. Grundsätzlich denke ich, ist die Idee natürlich schon zu verfolgen. Man müsste das nur ganz konsequent betreiben. Es nützt mir ja nichts, wenn ich außen die Folie weglasse, aber Einband oder die Schutzumschläge letztlich ebenfalls zellophaniere mit bestimmten UV-Lacken oder Druckfarben gar noch bearbeite, um größere Brillanz zu bekommen, die überhaupt nicht recycelbar sind – dann habe ich nämlich Verbundprodukte aus unterschiedlichen Materialien, die ich eben überhaupt nicht mehr recyceln kann. Oder ich müsste den Umschlag entfernen. Insofern ist die Idee und der Ansatz, den Mata anstrebt, eigentlich ein ganz vernünftiger. Man muss das konsequent zu Ende denken.
Scholl: Wie ist es mit dem nächsten, zum Beispiel mit dem Leim, der ja aus Tierfetten gewonnen wird. Wird der zu ersetzen sein?
Hanke: Teilweise sind es tierische Leime, also nicht die gesamte Buchproduktion. Aber bei der Einbanddecke sind das tatsächlich tierische Leime, die tierbasiert sind. Das betrifft lediglich Hardcover. Für die normale Bindung – ich unterstelle mal, er hat es nicht genau genannt – wird es Dispersionsleim sein. Die sind wasserbasiert, die sind eigentlich tatsächlich relativ verträglich und müssten auch recycelbar sein, mit dem Gedanken. Das wäre ein ganz vernünftiger Verbundstoff.

Druckfarben und Logistik

Scholl: Was ist mit den Farben, den Druckerfarben? Ein ganz wichtiger Punkt, glaube ich?
Hanke: Das ist in der Tat ein ganz wichtiger Punkt, weil Standard sind heute in der Tat mineralölbasierte Farben. Jetzt weiß ich von einigen Druckereien – es gibt ja viele Druckereien, Gott sei Dank – die sich ebenfalls sehr umweltbewusst und sehr nachhaltig aufstellen und deswegen sich auch darüber Gedanken machen. Es gibt pflanzlich basierte Farben, die sich, wie ich von Druckern zu meiner großen Überraschung gehört habe, ganz vorzüglich verdrucken lassen und in erstklassiger Qualität auch ein wunderbares Druckergebnis darstellen. Das Hauptproblem ist, dass es schlicht noch nicht die große Menge gibt. Da müssten einfach die Fabriken, letztlich die Farbenhersteller, ein kleines bisschen umdenken und gucken, dass die einfach die Rohstoffe dazu erhalten.
Scholl: Bücher müssen geliefert, versandt werden. Was gibt es hierfür so ökologische, logistische Überlegungen oder Maßnahmen, die man sozusagen bedenken könnte oder müsste?
Hanke: Ganz wichtig wäre in diesem Zusammenhang, dass man nicht in Fernost oder in – ich weiß nicht, wo auch immer – drucken lässt. Da gibt es ganz viele Druckereien. Wie ich sage, "buy local, print local".
Scholl: Also dass sozusagen Bücher in China gedruckt werden und dann mit dem Frachter 10.000 Kilometer hierher transportiert werden. So wie die Kartoffeln aus Ägypten oder die Äpfel aus China.
Hanke: Weil die Druckerei nebenan ein paar Cent teurer ist. Und wahrscheinlich sind die auch teurer. Wobei die deutschen Druckereien, glaube ich, qualitativ immer noch vorzüglich sind, auch sehr effizient sind – das Lohnniveau Gott sei Dank ein bisschen höher ist. Aber da lässt sich, glaube ich, eine ganze Menge machen. Da gäbe es auch verschiedene Ansätze, vor allem für größere Häuser, im Bereich Standardisierung. Dass ich zum Beispiel nicht nur etwas kürzere Wege habe, sondern auch dafür sorge, dass die Lkws nach Möglichkeit immer voll sind.
Scholl: Jetzt frage ich noch mal den früheren Random-House-Profi und Insider Wolfgang Michael Hanke. Bei diesem Thema, das wir ja hochspannend finden, und, glaube ich, jeder Leser, umweltbewusste, oder jeder bewusste Leser, denkt wahrscheinlich auch darüber nach: Es war gar nicht so einfach, einen Gesprächspartner für dieses Thema zu gewinnen. Wir haben bei vielen Verlagen nachgefragt und sind dann auf den selbständigen Profi Wolfgang Michael Hanke gestoßen. Wir hatten fast den Eindruck, ist ja fast wie in der Autoindustrie. Keiner möchte was sagen. Ist das so ein sensibles Thema?
Hanke: Nein, das glaube ich nicht. Dann eher im Gegenteil. Ein richtig großes Thema, das wir auch angestoßen hatten in der gesamten Branche, das liegt sicherlich jetzt mehr als ein Dutzend Jahre zurück. Und wenn Sie in Bücher reingucken, Sie finden heute nahezu bei allen größeren Häusern beispielsweise ein FSC-Logo. Also allein beim Papiereinkauf guckt man schon sehr sensibel darauf. Die allermeisten Bücher (...) werden auch tatsächlich hierzulande produziert. Es gibt hier ganz vorzügliche Druckereien, die sagen wir mal so, die Standardbuchproduktion vorzüglich abwickeln und das auch kostengünstig machen. Und damit haben wir auch kurze Wege.
Scholl: Die Zukunft der Buchbranche, ökologisch, nachhaltig. Unser Fachmann dafür war Wolfgang-Michael Hanke. Vielen Dank für den Besuch, Herr Hanke.
Hanke: Vielen Dank Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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