Kunstbuch-Verleger Gerhard Steidl

"Ich arbeite intuitiv"

Der Verleger Gerhard Steidl
Der Verleger Gerhard Steidl © picture-alliance / dpa / Sven Pförtner
Moderation: Klaus Pokatzky  · 10.07.2017
Gerhard Steidl ist eine Koryphäe des Buchdrucks. Mit 17 Jahren gründete er in seiner Geburtsstadt Göttingen seinen eigenen Verlag. Kurz danach lernte er Joseph Beuys kennen und arbeitete bis zu dessen Tod eng mit ihm zusammen. Günter Grass zählte zu seinen engen Freunden.
Er ist eine Koriphäe des Buchdrucks. Der Verleger Gerhard Steidl begeisterte sich schon in Kindertagen für Druckverfahren und Tintenschattierungen. Die lernte er in der Druckerei, wo sein Vater arbeitet, kennen.
"Eigentlich bin ich da ja täglich hingegangen. Meine Eltern lebten in der Innenstadt und auch die Druckerei war in der Innenstadt. Und Mittags hat meine Mutter einen Henkelmann mit dem fertig gemacht, den habe ich zu meinem Vater gebracht. Und während er gefuttert hat, bin ich um die Maschinen geschlichen und habe Papierreste aufgesammelt, was da so rum lag oder auch mal eine halbe Farbdose. Und später als ich dann meine eigene kleine Druckerei hatte, habe ich das ein bisschen ausgeweitet."

Eine Ohrfeige für zu schnelles Lesen

Mit 17 Jahren gründete er dann den eigenen Verlag in seiner Geburtsstadt Göttingen. Ihn interessierten von Anfang an nicht nur Fotos und Bilder, sondern auch literarische Texte. Dabei gab es in seinem Elternhaus kaum Bücher.
"Mein Vater hatte überhaupt kein Verhältnis zu Bücher, der hat glaube ich auch nie eins gelesen, aber er hat zu Weihnachten mir ein Buch geschenkt, nämlich dieses (Märchen von Christian Andersen) und meine Schwester hat mir daraus vorgelesen, am Weihnachtsabend. Und da stand natürlich nicht viel drinnen und in 30 Minuten war das Buch ausgelesen – inklusive Betrachten der Bilder. Und dann bin ich begeistert zu meinem Vater gelaufen und habe gesagt wir haben es gelesen und das ist toll das Buch und ich mag es sehr. Und dann hat er geflucht und geschimpft und gesagt 'Was! Das ganze Buch an einem Abend gelesen, das ist doch wohl unmöglich!' Und hat meiner Schwester eine Ohrfeige gegeben."
Der Künstler Joseph Beuys in einer Aufnahme aus den Achtzigern.
Ein Porträt des Künstlers Joseph Beuys.© imago/Leemage
Steidl lernte schon als junger Verleger Joseph Beuys kennen. Bis zu dessen Tod arbeitete er eng mit ihm zusammen. Heute warten Fotokünstler aus der ganzen Welt wie John Gossage, Jürgen Teller oder Andreas Gursky auf einen Drucktermin im Steidl-Verlag. Aber auch Musiker wie Bryan Adams und Modedesigner wie Karl Lagerfeld gehen in dem Göttinger Verlag und der Druckerei ein und aus. Inzwischen hat Steidl weit über 4000 Bücher gemacht. Er ist bekannt dafür, dass er jeden Tag ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigt.

"Gefällt mir, gefällt mir nicht."

"Ich mache alles intuitiv. Ich wache morgens auf und habe eine grobe Einschätzung, was ich den Tag über mache aber ansonsten lasse ich mich wirklich treiben durch das, was auf mich zu kommt und treffe meine Entscheidung mehr oder weniger spontan. Ich gucke hin, gefällt mir, gefällt mir nicht. Wenn es mir gefällt, weiter entwickeln, wenn es mir nicht gefällt, ab in die Mülltonne und von vorne beginnen."
Der Schriftsteller Günter Grass verfolgt am 26.11.2014 in Hamburg die Benefizgala für verfolgte Autoren von der Autorenvereinigung PEN.
Der Schriftsteller Günter Grass.© dpa / picture-alliance / Daniel Bockwoldt
Steidl nennt besonders Klaus Staeck, Heinrich Böll und Karl Lagerfeld als Vorbilder. Auch mit dem Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass verband den Verleger eine jahrzehntelange Freundschaft.
"Wir sind ja so zusammen gekommen. Ich hatte eine Ausstellung von ihm angesehen mit seinen Graphiken und Radierungen und wollte etwas mehr darüber erfahren und hatte nach Literatur gesucht. Gab es nicht. Ich schrieb ihm einen Brief und sagte können Sie mir was empfehlen? Und er sagte es gibt nichts, weil ich bin bei einem Verlag, der nennt sich Luchterhand Literatur Verlag, und die sagen mir immer, wir machen nur Literatur aber keine visuellen Bücher. Aber wie ich an Ihrem Briefkopf sehe sind Sie Verleger. Vielleicht wäre das ja was für Sie. Und so sind wir zusammen gekommen, haben das erste Buch gemacht 1986, das war ein Werkverzeichnis seiner Radierungen und Lithographien, hieß 'In Kupfer, aus Stein' und Grass hat einmal später gesagt, das war der Moment 'I fall in love with Steidl'. Und wir waren ein bisschen süchtig, weiter zusammen zu arbeiten."
Der Steidl-Verlag hält die Weltrechte am Werk des Autors.
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