Muttertag
Das ganze Jahr über kostenlose Care-Arbeit verrichten und dafür einmal im Jahr Blumen und Geschenke? Der Sinn des Muttertags wird immer öfter hinterfragt. © picture alliance / epd-bild / Detlef Heese
Feiern oder abschaffen?
In Deutschland wird der Muttertag in diesem Jahr zum 100. Mal begangen. Weil er vielen als nicht mehr zeitgemäß gilt, werden Alternativen diskutiert. Ein Vorschlag: der Elterntag.
In Deutschland ist der Muttertag schon länger umstritten. Viele Mütter fühlen sich und die Care-Arbeit, die sie leisten, mit einem Muttertag nicht ausreichend wertgeschätzt. Andere wiederum fühlen sich auf das Muttersein reduziert. Oder sie empfinden das Familienbild, das dahintersteht, als reaktionär: Der Mann arbeitet, die Mutter bekommt Blumen für die Arbeit im Haushalt und die Sorge um die Kinder.
Auch aufgrund der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten haben viele Menschen eine kritische Einstellung zu dem Gedenktag.
Wie wird heute über den Muttertag diskutiert?
Das Familienbild in Deutschland ist im Wandel. Damit wird auch die Mutterrolle anders bewertet. In Zeiten von Patchwork-Familien und flexiblen Rollenverteilungen scheint vielen das hinter dem Muttertag stehende Frauenbild nicht mehr zeitgemäß. Dass Frauen nur als Mütter ihr Glück finden können, wird von vielen hinterfragt.
Der Muttertag steht aber nicht nur für veraltete Rollenbilder, sondern auch für Kommerz. Für Deutschland prognostiziert der Handelsverband HDE, dass in diesem Jahr 973 Millionen Euro für Geschenke zum Muttertag ausgegeben werden: vor allem für Blumen.
Einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr zufolge ist mehr als die Hälfte der Deutschen der Meinung, dass der Muttertag nicht mehr aus den richtigen Gründen gefeiert wird.
Welche Vorschläge für Alternativen zum Muttertag gibt es?
Der Münchner Familienforscher Wassilios Fthenakis spricht sich für eine Umwidmung des Muttertags in einen Elterntag aus. Müttern werde eine Verantwortung zugeschoben, die sie allein nicht wahrnehmen könnten, sagt er.
Der Muttertag baue Druck auf Frauen auf, die tagsüber keine Zeit hätten, sich um die Kinder zu kümmern. Der Vatertag – im Osten Deutschlands als Männertag begangen – könne ebenfalls umgewidmet werden.
Fthenakis plädiert für einen „Elterntag als Tag der Liebe, des Miteinanders, des Verständnisses und Respekts“. Auch wenn so ein Tag nicht die ganze Vielfalt von Familien abbilden könne, könne er doch den Geist widerspiegeln, der dahinterstecke.
Die Karlsruher Elternforscherin Désirée Waterstradt hingegen steht der Idee eines Elterntages zurückhaltend gegenüber. Die große Gefahr dabei sei, dass man sich sehr modern fühlen wolle und dabei die evolutionären, historischen und aktuellen Unterschiede von Mutterschaft und Vaterschaft schlicht verdecke, meint Waterstradt.
Ein Vater könne sich entscheiden, ob er kooperativ, fürsorglich und kindzentriert sein wolle. Auch wenn er sich dagegen entscheide, werde es ihm gesellschaftlich nicht übel genommen. Für Mütter sei das völlig anders.
Auf Anregung der Vereinten Nationen gibt es bereits einen Welt-Elterntag. Er wird am 1. Juni begangen und soll allen Müttern und Vätern auf der ganzen Welt Respekt zollen.
Wie entstand die Tradition des Muttertags?
Von seinem Ursprung her ist der Muttertag durchaus ein fortschrittlicher Feiertag: Erfunden hat ihn im Jahr 1908 die – ledige und kinderlose – Amerikanerin Anna Marie Jarvis in West Virginia. Sie wollte damit ihrer Mutter ein Andenken setzen. Diese hatte sich für eine bessere medizinische Versorgung von Müttern und deren Kindern sowie von Kriegsheimkehrern eingesetzt.
Gemeinsam sollten Frauen an diesem Tag Flagge zeigen für Solidarität untereinander, soziale Dienste und gegen Kriegseinsätze. 1914 wurde der Tag in den USA ein nationaler Feiertag.
Die Erfinderin Anna Marie Jarvis war allerdings bald von ihrer Schöpfung enttäuscht. Der Grund schon damals: Statt Solidarität ging es nur noch um Konsum. Jarvis rief zum Boykott des Feiertages auf und landete deshalb sogar im Gefängnis.
Heute wird der Muttertag in mehr als 40 Ländern weltweit begangen.
Seit wann gibt es den Muttertag in Deutschland?
In Deutschland wurde der Tag auf Initiative des Verbands Deutscher Blumengeschäftsinhaber am 13. Mai 1923 erstmals gefeiert. Unter den Nationalsozialisten wurde der Muttertag dann zum nationalen Feiertag erhoben.
Mütter und Frauen! In der hingebenden Fürsorge für Kinder und Haushalt sieht die NS-Bewegung nicht die einzige Aufgabe, sondern in weiterem Sinne ihre Bedeutung für die Erhaltung der Art und der einzelnen Sippe.
Für die Nazis war die ideale Mutter "arisch" und kinderreich. So wie Soldaten im Krieg konnten auch Mütter an der sogenannten "Heimatfront" für besondere Leistungen mit einem Orden bedacht werden: dem Mutterkreuz.
Das gab es in Bronze, Silber oder Gold, je nach Anzahl der Kinder. Verliehen wurde es am Muttertag. Dass die Nationalsozialisten den Muttertag für ihre Propaganda nutzten, macht ihn bis heute umstritten.
Der Muttertag im geteilten Deutschland
Wegen der Nazi-Tradition wurde der Muttertag in der DDR nicht begangen. Die Mutterrolle von Frauen wurde im sozialistischen Deutschland ohnehin nicht betont. Stattdessen stand die Funktion der Frauen als Arbeiterinnen im Mittelpunkt. Gefeiert wurde in der DDR der Internationale Frauentag am 8. März.
In der Bundesrepublik der Nachkriegszeit blieb hingegen lange die klassische Rollenverteilung bestehen. An jedem zweiten Sonntag im Mai gab es für Mütter als "Ausgleich" für die kostenlose Care-Arbeit jede Menge Blumen. Vor allem bei Kindern wird auch die Tradition kleiner selbst gebastelter Geschenke am Muttertag gepflegt.
Quellen: Christiane Abelein, AFP, KNA, beb