Musik als Brückenschlag

Von Blanka Weber |
Das Young Philharmonic Orchestra Jerusalem-Weimar ist ein neues Orchester, eines in dem vermutlich immer neue Musiker spielen werden. Denn es sind Studenten der Jerusalem Academy of Musik and Dance und der Hochschule für Musik Franz Liszt aus Weimar. Es geht um Begegnung, Verständigung und Verstehen - nicht nur musikalisch.
Es ist der Abend des 24. Dezember und die jungen Musiker aus Weimar sind in einer israelischen Jugendherberge. Der Weihnachtsabend - beinahe wäre er ganz ausgefallen für sie. Es war Schabbat - der heilige jüdische Wochentag der Ruhe - und deutsche Weihnachten waren fern, auch für Christoph Stölzl, Präsident der Musikhochschule in Weimar.

"Der Rabbi war sehr streng, konnte kein Wort Englisch und schaute so, als würde er alles verbieten. Aber er hat einen Weg gefunden, dass es einen koscheren Kiddusch-Wein gibt. Der hat aber keinerlei Alkohol, aus dem wurde ein sehr dünner Punsch gebraut, wir gucken mal, vielleicht können wir noch etwas verbessern. Vielleicht durch die Macht des Gesanges."

Die Lobby der Herberge wurde kurzerhand zum Konzertsaal mit Weihnachtspunsch und Liedern. Die jungen Gäste aus Weimar waren fast allein an diesem Abend und mit ihrer Religion.

Ein schmaler Grad ist es, auf dem sich das Orchester bewegen will. Jüdische und christliche Studenten nebeneinander. Es klappt nicht immer. Eine erste Bilanz nach wenigen Tagen von einer jungen Musikerin aus Weimar:

"Es sind unglaublich nette Menschen mit denen man total gut ins Gespräch kommen kann, wenn man denn will und die Gelegenheit dazu hat. Das fehlt mir hier ein bisschen, weil die Probe endet und alle fliegen auseinander. Das finde ich ein bisschen schade."

Die Proben - Tage zuvor - waren ein Wiedersehen für einige, die im Sommer in Weimar zu Gast waren. Auch Karin Ben-Josef, die junge Dirigentin aus Israel.

Ihre Art zu Proben war nicht Jedermanns Sache, doch als Musiker muss man lernen, den Menschen und seine Arbeit zu trennen, sagt eine der jungen Studentinnen aus Weimar, die sich - wie viele andere auch - mehr Begegnungen und Gespräche vorgestellt hatte.

Für Karin Ben-Josef ist das Orchester in erster Linie der Weg, um Geschichte aufzuarbeiten. Sie hat, wie viele israelische Musiker auch, Eltern, die einst vor dem Holocaust aus Deutschland fliehen konnten und Verwandte, die es nicht geschafft haben. Die Begegnung heute mit Hilfe der Musik ist für sie ein Mittel des Begreifens einer tiefen jüdischen Wunde:

"Ich hoffe für sie, dass sie eine Menge lernen werden, das denke ich. Und die Tatsache, dass sie zusammen musizieren, ist ebenfalls wichtig, auch das gemeinsame sprechen. Denn sie waren ja nicht da. Nun ist deren Aufgabe zu verstehen, was war damals und davon zu lernen und bessere Menschen zu sein."

Eindrucksvoll und stark ist die Musik an jenem Abend des ersten Konzertes im Kibbuz "Sde Boker" - mitten in der Wüste Negev. Gespielt wird in der Basketballhalle der Gemeinschaft.

Karin Ben-Josef dirigiert ein Musikwerk von Karl Goldmark, einem jüdischen österreichisch-ungarischen Komponisten. Einer von vielen, sagt sie, dessen Werke später von den Nationalsozialisten verboten worden sind oder die ihr Leben in einem Konzentrationslager verloren haben, so wie Victor Ullmann.

"So ich denke, die Musikstücke haben eine andere Bedeutung, nachdem die Geschichte der Musik bekannt ist und was passiert ist. Deshalb ist es vor allem geschichtlich wichtig, mit einem anderen Gesichtspunkt zu schauen, was passiert ist im Zweiten Weltkrieg."

Auch der Solist Roi Shiloah hat einen Teil der Familie im Holocaust verloren. Auch er war im Sommer in Thüringen zu Gast, nun steht der zierliche und hochtalentierte junge Mann mit den Thüringern und den israelischen Studenten auf der Bühne.

"Eine richtige Freundschaft kann nur entstehen, wenn man darüber spricht. Weimar ist ein richtig gutes Beispiel - für die höchsten Punkte für Kultur und eben auch die niedrigsten."

"Ich würde sagen, wenn es mehr Projekte wie diese gäbe, dann würde das schon ein neues Umfeld für die künftigen Generationen schaffen."

Der arabische Kontext soll in diesem Projekt bewusst keine Rolle spielen, doch eben die Frage nach dem Umgang mit der deutschen Geschichte und die Frage nach der verloren gegangenen Musik eines Henri Herz, eines Victor Ullmann und eben der von Karl Goldmark.
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