Rückkehr zum Ursprung von Texten und Wörtern

Von Blanka Weber |
Beim Festival "Yiddish Summer Weimar" gibt es Meisterkurse, Jam-Sessions, Symposien und Teilnehmer aus aller Welt, die diesmal vor allem eines vereint: Sie wollen die Verknüpfungen zwischen jiddischer und deutscher Kultur in der Musik erkunden.
Avery Gosfield ist eine der Dozentinnen des Yiddish Summer Weimar. Die US-Amerikanerin lebt in Italien und leitet dort ein bekanntes Ensemble. Ihr Gebiet sind unter anderem jiddische Lieder des 16. Jahrhunderts, Texte, die man in Norditalien gefunden hat.

Das Thema des Yiddish Summer Weimar ist in diesem Jahr: Ashkenaz. Es ist das mittelhebräische Wort für Jiddisch. Alan Bern ist der Leiter des Festivals:

"In Deutschland, jetzt, ist es ironisch, finde ich, dass man nicht weiß, dass das erste Stadium der ashkenasischen Kultur so nah an der deutschen Kultur war, eigentlich der deutschen Kultur entsprang. Und es ist für uns wichtig, das alles an uns 'ranzuholen, so ein bisschen, das Thema, 'Yiddish Summer' ist immer interkulturell."

Die Teilnehmer haben unterschiedliche musikalische Level und kommen aus Europa, den USA und Israel. Man verständigt sich in den Workshops auf Englisch und singt auf Jiddisch – so wie Athel aus New York.

Gesang

"Das ist eine traditionelle jiddische Ballade und in einem sehr einzigartigen Stil und ich bin sehr froh Athel entdeckt zu haben mit ihrer Musik, ich kannte bislang so nur Michael Alpert. Dieser Stil wurde vor allem von Frauen gesungen."

Wichtig ist Alan Bern, dass die Sänger sensibel werden für die Texte aus dem westlichen und dem östlichen Jiddisch, Sprachfeinheiten lernen. In der östlichen, mittelalterlichen Sprache sind bereits slawische Einflüsse zu hören, vor allem in Liedtexten, sagt Bern. Litauisch, Lettisch, Rumänisch – das alles klingt durch. Ashekenaz West und Ost sind für ihn die Basis, eine Art Musik-Archäologie – darum geht es beim Yiddish Summer:

"Sachen zu finden, die da waren und die heute ein existenzielle Bedeutung haben können, wenn man das künstlerisch umsetzt. Das war für mich immer die größte Herausforderung. Nichtsdestotrotz finde ich die Begegnung mit den Quellen und mit Menschen, die diese Quellen beherrschen und leben, extrem wichtig, sonst ist die künstlerische Umsetzung in unserer Zeit zu oberflächlich. Es würde ein Hintergrund fehlen."

Alles, was heute Musik und Jiddisch anbelangt – bezeichnet Bern mit: Ashkenaz X – er gehört als Musiker auch dazu, sagt er lachend:

"Ashkenaz X ist alles, was sich jetzt zurzeit entwickelt in der Kultur und Musik. Und ich habe meinen jungen Kollegen Dan Kahn eingeladen diesen Teil zu leiten, er hat sich einen guten Namen gemacht."

Im Seminar kombiniert Dan Kahn jiddische Lieder mit deutschen Volksliedern. Er kommt - wie Bern - aus den USA, lebt in Berlin und gehört zu den Newcomern der Szene. Auch in Weimar wird er auf der Bühne stehen, doch zuvor als Dozent vor den Seminarteilnehmern der Liedworkshops:

"Diese alten Lieder haben so schöne Geschichten drin. Und ich finde ähnliche Themen in deutschen Volksliedern."

Für Diana Matut, Wissenschaftlerin aus Halle, bietet die jiddische Sprache ein unglaubliches Spektrum von mittelalterlichen Ritterromanzen bis hin zum Ostjiddischen mit seinen Einflüssen verschiedener Kulturen. Auch heute ist das Jiddische mitten in unserer Sprache sagt sie, auch, wenn wir es nicht wissen:

"Die alten Hallenser, wenn Sie mit denen sprechen, werden Sie Ausdrücke hören, wenn's regnet: Es meihent - das kommt vom Hebräischen 'meih' für Wasser. Das ist etwas sehr Spezifisches. Oder man würde dort auch von Ischen und Sheksern sprechen. Also die Ishe, von Hebräisch 'isha' – die Frau – da gibt es Bezüge in unserer allgemeinen deutschen Sprache."

Link:
"Yiddish Summer Weimar 2011"