Wenn Jubiläen kulturelle Herausforderungen werden
Anlässlich der "Meisterkurse" in Weimar diskutierte der neue Rektor der Hochschule für Musik, Christoph Stölzl, mit Schriftsteller Friedrich Dieckmann über Weimar, die Kultur-Jubiläen rund um Liszt und das Wagner-Jubiläum 2013.
Christoph Stölzl: "Ein Jahr Liszt feiern. Die Hoteliers freuen sich. Das ist ja ganz klar. Man packt die Mutti ein, es gibt Kaffee und Kuchen und man macht eine Kaffeefahrt zu Liszt - das ist das eine. Die andere Frage ist: Wie vital notwendig sind die Hausheiligen? Mit anderen Worten, was rät Friedrich Dieckmann Weimar und Thüringen in so einer Fünf- bis Zehn-Jahres- Perspektive in einer globalisierten Welt?"
Friedrich Dieckmann: "Hier drängt sich alles auf eine Weise zusammen, die produktiv ist. Allein das Mirakel, dass Goethe es in diesem viel kleineren Nest aushielt, und andere anzog, ist auch eine Bestätigung, dass urbane Intimität ihre eigenen Synergien entfaltet."
Um Synergien geht es beiden, Friedrich Dieckmann und Christoph Stölzl, auf der Suche nach dem Umgang mit Hausheiligen, mit Jubiläen und Geburtstagen - jenseits von Kaffee und Kuchen - hin zur Tiefe, ohne Schnörkel und Zuckerguss.
Stölzl: "Es ist immer wie beim Familienfest offen, was man daraus macht. Man kann also lustlos ein Mittagessen haben und danach wieder heimgehen und sagen: Wir konnten uns immer schon nicht ausstehen. Oder man macht etwas Großes daraus und sagt: Wir feiern ein Event. Aber es ist wichtig, dass man es nicht nur so nüchtern touristisch sieht und fragt: Wie viel Betten werden vermietet und wie viel Schweinebraten verzehrt. Sondern zugleich: Nehmen wir das ganz ernst."
Christoph Stölzl blickt vom diesjährigen Liszt-Jahr in Thüringen auf 2013. Der 200. Geburtstag Richard Wagners steht an. Ein Mann, dessen Karriere ohne die Hilfe von Franz Liszt wohl anders verlaufen wäre, ein Revoluzzer, ein Verfolgter, ein Verschmähter - der später für seine Opern gefeiert und umjubelt wurde. 2013 also - ein Wagner Jahr?
Stölzl: "Zugleich die große Erinnerung, die die Leipziger sicher machen: Völkerschlacht in Leipzig, große Auseinandersetzung mit Napoleon. Die Nation als Böses oder Gutes - das kommt garantiert 2013. Uns kommt diese Erinnerung an Wagner, diesen Titan in diesem Chamäleon von der Politik in die Musik, diesen Theater-Impresario, diesen Erfinder des Kinos, bevor es das Kino gab, diesen Juden-Feind, das muss in Deutschland beredet werden. Also da haben wir genug zu tun. Und ich finde das man da insgesamt - Dresden - Leipzig - Weimar, gut daran tut, es gemeinschaftlich in die Hand zu nehmen und daraus ein Fest zu machen."
Ein Fest ja, sagt Friedrich Dieckmann, der viel über Liszt und Wagner nachgedacht und geschrieben hat. Dieckmann plädiert für weniger Pomp, weniger Interpretation, mehr Qualität und Sinn, der dann die Zuschauer berührt:
Dieckmann: "Zum rechten Begehen von solchen Gedenktagen gehört das Bewusstsein des Abstandes, um die Nähe herzustellen, nicht die Einverleibung des anderen sondern die Annäherung. Das darauf zugehen in dem Bewusstsein, dass sich existenziell betrifft in meiner eigenen Daseinsvergewisserung. Die berühmte Geschichte mit der Schwellenangst, die behoben werden muss. Mit der Schwellenangst hebt man gleichsam Gräben aus, in denen die Leute stolpern, weil es der falsche Zugang ist, bevor sie überhaupt hineingetreten sind."
Der Reichtum heute sei kein Garant für Qualität, so Dieckmann. Überfluss führt zu Überdruss. Das zu viel des Guten in einer überreizten Gesellschaft - wo bleibt da der geistige Genuss? Der Kraftakt beim Lernen von Kunst?
Dieckmann: "Und wenn man dagegen erlebt, das las ich vor ein paar Tagen, ein Klarinettist aus der chinesischen Provinz, der dort eine feste Stelle hat, begibt sich in ein Flugzeug nach Berlin, weil er bei einem Konzert den Soloklarinettisten der Philharmoniker gehört hat, klingelt bei dem und sagt: Ich will bei dir lernen. Das sind Haltungen. Diesen Willen zur Kultur, den uns die anderen Völker vormachen, den ein bisschen in unser eigenes Bewusstsein aufzunehmen, nicht als Ehrgeiz, sondern als Schatzsuche, das wäre schön, wenn das dabei heraus käme."
Wie gelingt es also: Kunst, Künstler und Publikum zusammen zu bringen, in einem Land mit der größten Dichte an Opernhäusern weltweit.
Sperrige Genies, so Stölzl, die waren - zumindest in Weimar - immer sehr jung:
Stölzl: "Also Goethe war blutjung als er kam und hier Minister wurde und dann ein Leben lang alles gestaltet hat. Gropius war jung, als er das Bauhaus gründete, Liszt war noch ziemlich jung und Wagner - das waren noch ganz junge Leute als die hier sagten, wir stellen die Welt auf den Kopf."
Wagner "denken" ist das Ziel bis 2013 - als Herausforderung und nicht als Diktatur einer Zahl, sagen Christoph Stölzl und Friedrich Dieckmann.
Typisch deutsch - mit Augenzwinkern formuliert - und Blick auf die mehr als 80 Opernbühnen könne auch ein Vorteil sein:
Stölzl: "Weil es so schön immer zitiert wird, sage ich: Deutsch sein heißt, mit dem Fahrrad zur Zauberflöte fahren."
Friedrich Dieckmann: "Hier drängt sich alles auf eine Weise zusammen, die produktiv ist. Allein das Mirakel, dass Goethe es in diesem viel kleineren Nest aushielt, und andere anzog, ist auch eine Bestätigung, dass urbane Intimität ihre eigenen Synergien entfaltet."
Um Synergien geht es beiden, Friedrich Dieckmann und Christoph Stölzl, auf der Suche nach dem Umgang mit Hausheiligen, mit Jubiläen und Geburtstagen - jenseits von Kaffee und Kuchen - hin zur Tiefe, ohne Schnörkel und Zuckerguss.
Stölzl: "Es ist immer wie beim Familienfest offen, was man daraus macht. Man kann also lustlos ein Mittagessen haben und danach wieder heimgehen und sagen: Wir konnten uns immer schon nicht ausstehen. Oder man macht etwas Großes daraus und sagt: Wir feiern ein Event. Aber es ist wichtig, dass man es nicht nur so nüchtern touristisch sieht und fragt: Wie viel Betten werden vermietet und wie viel Schweinebraten verzehrt. Sondern zugleich: Nehmen wir das ganz ernst."
Christoph Stölzl blickt vom diesjährigen Liszt-Jahr in Thüringen auf 2013. Der 200. Geburtstag Richard Wagners steht an. Ein Mann, dessen Karriere ohne die Hilfe von Franz Liszt wohl anders verlaufen wäre, ein Revoluzzer, ein Verfolgter, ein Verschmähter - der später für seine Opern gefeiert und umjubelt wurde. 2013 also - ein Wagner Jahr?
Stölzl: "Zugleich die große Erinnerung, die die Leipziger sicher machen: Völkerschlacht in Leipzig, große Auseinandersetzung mit Napoleon. Die Nation als Böses oder Gutes - das kommt garantiert 2013. Uns kommt diese Erinnerung an Wagner, diesen Titan in diesem Chamäleon von der Politik in die Musik, diesen Theater-Impresario, diesen Erfinder des Kinos, bevor es das Kino gab, diesen Juden-Feind, das muss in Deutschland beredet werden. Also da haben wir genug zu tun. Und ich finde das man da insgesamt - Dresden - Leipzig - Weimar, gut daran tut, es gemeinschaftlich in die Hand zu nehmen und daraus ein Fest zu machen."
Ein Fest ja, sagt Friedrich Dieckmann, der viel über Liszt und Wagner nachgedacht und geschrieben hat. Dieckmann plädiert für weniger Pomp, weniger Interpretation, mehr Qualität und Sinn, der dann die Zuschauer berührt:
Dieckmann: "Zum rechten Begehen von solchen Gedenktagen gehört das Bewusstsein des Abstandes, um die Nähe herzustellen, nicht die Einverleibung des anderen sondern die Annäherung. Das darauf zugehen in dem Bewusstsein, dass sich existenziell betrifft in meiner eigenen Daseinsvergewisserung. Die berühmte Geschichte mit der Schwellenangst, die behoben werden muss. Mit der Schwellenangst hebt man gleichsam Gräben aus, in denen die Leute stolpern, weil es der falsche Zugang ist, bevor sie überhaupt hineingetreten sind."
Der Reichtum heute sei kein Garant für Qualität, so Dieckmann. Überfluss führt zu Überdruss. Das zu viel des Guten in einer überreizten Gesellschaft - wo bleibt da der geistige Genuss? Der Kraftakt beim Lernen von Kunst?
Dieckmann: "Und wenn man dagegen erlebt, das las ich vor ein paar Tagen, ein Klarinettist aus der chinesischen Provinz, der dort eine feste Stelle hat, begibt sich in ein Flugzeug nach Berlin, weil er bei einem Konzert den Soloklarinettisten der Philharmoniker gehört hat, klingelt bei dem und sagt: Ich will bei dir lernen. Das sind Haltungen. Diesen Willen zur Kultur, den uns die anderen Völker vormachen, den ein bisschen in unser eigenes Bewusstsein aufzunehmen, nicht als Ehrgeiz, sondern als Schatzsuche, das wäre schön, wenn das dabei heraus käme."
Wie gelingt es also: Kunst, Künstler und Publikum zusammen zu bringen, in einem Land mit der größten Dichte an Opernhäusern weltweit.
Sperrige Genies, so Stölzl, die waren - zumindest in Weimar - immer sehr jung:
Stölzl: "Also Goethe war blutjung als er kam und hier Minister wurde und dann ein Leben lang alles gestaltet hat. Gropius war jung, als er das Bauhaus gründete, Liszt war noch ziemlich jung und Wagner - das waren noch ganz junge Leute als die hier sagten, wir stellen die Welt auf den Kopf."
Wagner "denken" ist das Ziel bis 2013 - als Herausforderung und nicht als Diktatur einer Zahl, sagen Christoph Stölzl und Friedrich Dieckmann.
Typisch deutsch - mit Augenzwinkern formuliert - und Blick auf die mehr als 80 Opernbühnen könne auch ein Vorteil sein:
Stölzl: "Weil es so schön immer zitiert wird, sage ich: Deutsch sein heißt, mit dem Fahrrad zur Zauberflöte fahren."